Lauenburg. Das Wohnhaus gehörte Vonovia. Nun mussten für zwölf Mietparteien neue Bleiben gefunden werden. Eine einfache Angelegenheit?

Einen alten Baum verpflanzt man nicht, sagt der Volksmund. Manchmal kann ein Neuanfang aber auch im höheren Alter ein echter Glücksfall sein. So zumindest empfindet es Bernd Post. Bis vor Kurzem wohnte der 75-Jährige in dem Wohnhaus neben der Weingartenschule in Lauenburg. Doch das Gebäude wird es in absehbarer Zeit nicht mehr geben, es muss dem Neubautrakt der Grundschule weichen. Bernd Post ist mittlerweile ausgezogen, so wie seine Nachbarn der anderen elf Wohnungen auch.

Immobilienunternehmen haben irgendwann mal einen zynischen Begriff geprägt: Entmieten. Hinter diesem Ausdruck stecken Schicksale von Menschen, die ihren Lebensmittelpunkt verlassen sollen, weil das Haus entweder verkauft, saniert oder abgerissen werden soll. Zum Glück räumt die Gesetzgebung den Mietern in solchen Fällen weitreichende Rechte ein.

Mieter mussten neue Wohnungen in Lauenburg suchen

Es geht aber offenbar auch anders. „Die Gerüchteküche brodelte ja schon eine Weile: Unser Haus soll abgerissen werden. Da ist die Angst natürlich groß. Schließlich waren die meisten Hausbewohner nicht gerade die Jüngsten“, erinnert sich Bernd Post. Manche wurden ganz still, andere schalteten sofort einen Anwalt ein.

„Eines Tages stand der Bürgermeister vor der Tür – und ein Mann von der Vonovia“, erzählt der Rentner weiter. Der „Mann von der Vonovia“ war Sven Theis, Regionalleiter des Wohnungsunternehmens, das seinen Sitz in Lübeck hat. „Sie brachten Blumen und Pralinen mit und versprachen uns, dass für jeden von uns eine Lösung gefunden wird. Da waren die meisten etwas beruhigt“, sagt Bernd Post.

Lauenburgs Bürgermeister Thiede verhandelte persönlich mit den Mietern

Mieter Bernd Post (M.) im Gespräch mit Bürgermeister Andreas Thiede (r.) und dem Regionalleiter von Vonovia, Sven Theis. 
Mieter Bernd Post (M.) im Gespräch mit Bürgermeister Andreas Thiede (r.) und dem Regionalleiter von Vonovia, Sven Theis.  © Elke Richel | Elke Richel

So einfach war es dann aber doch nicht. „Natürlich wollte sich niemand verschlechtern, weder was die Wohnsituation betrifft noch bei der Höhe der Miete“, sagt Bürgermeister Andreas Thiede. Im Gegenteil: Wenn schon Umzug, dann sollten auch ein paar Extras drin sein, waren sich die Mieter einig.

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„Ich habe in meiner Wohnung einen Bürgermeisterstuhl. Den nenne ich so, weil er siebenmal darauf gesessen hat“, erzählt Bernd Post lachend. Auch bei den anderen Mietern waren Sven Theis und Andreas Thiede häufig zu Gast, am Ende bei jedem mit guten Nachrichten.

Alle haben eine neue Wohnung gefunden, einige blieben Mieter der Vonovia, andere kamen bei anderen Vermietern unter. Bernd Post wohnt mittlerweile in einer geförderten Wohnung in der betreuten Wohnanlage der Firma Semmelhaack an der Hamburger Straße. Beim Umzug hat die Stadt geholfen, so wie bei allen anderen Mietern des Hauses auch. „Mit einem Anwalt habe ich übrigens kein einziges Mal gesprochen“, sagt Thiede.

Umbau der Weingartenschule in Lauenburg startet erst im Herbst nächsten Jahres

Nur ein halbes Jahr hatte es gedauert, bis alle Mieter des Hauses Weingarten 14-16 mit neuen Wohnungen versorgt war. „Damit hatten wir anfangs gar nicht gerechnet“, räumt Thiede ein. Der Umbau der Weingartenschule startet nämlich erst im Herbst nächsten Jahres. Zuvor muss das Medienzentrum im ehemaligen Stappenbeck an der Berliner Straße fertig sein.

Eigentlich wollte die Vonovia das Wohngebäude übrigens gar nicht verkaufen. „Wir haben in Lauenburg 314 Wohnungen und wollen unseren Bestand in der Stadt eher erweitern als verkleinern“, sagt der Regionalleiter. Wie hoch die Kaufsumme war, die die Stadt für das Gebäude aus den 1950er-Jahren bezahlt hat, wollen weder Thiede noch Theis sagen. Es sei aber ein fairer Preis gewesen, versichert der Bürgermeister.

Weingartenschule ist die einzige Grundschule in Lauenburg

„Wir haben uns davon überzeugen lassen, dass der Neubautrakt der Schule für Lauenburg wichtig ist“, meint der Vertreter der Vonovia. Das im Jahre 1881 erbaute Schulgebäude ist längst nicht mehr zeitgemäß. Es gibt zu wenig Klassenräume, die noch dazu viel zu klein sind. 500 Kinder drücken hier die Schulbank, in den nächsten Jahren wächst die Schülerzahl laut einer Sozialraumanalyse auf 650 an.

Im Oktober 2018 beschloss die Lauenburger Politik deshalb einen Masterplan für die einzige Grundschule der Stadt. Und dazu gehört eben auch der Neubautrakt auf der Fläche, wo jetzt noch das rotgeklinkerte Wohnhaus steht.

In den zwölf Wohnungen kommen vorerst ukrainische Flüchtlinge unter

Dass der Abriss des Hauses nicht sofort erfolgen muss, erweist sich gerade als Glücksfall. Derzeit werden die zwölf Wohnungen für die Aufnahme von ukrainischen Flüchtlingen vorbereitet. 90 Menschen, die vor dem Krieg in ihrer Heimat geflüchtet sind, sind mittlerweile in Lauenburg untergekommen – fast alle privat bei Familien, doch diese Kapazitäten sind fast erschöpft.

„Brauchen Sie Hilfe, um die Wohnungen herzurichten?“, fragte Sven Theis, als der Bürgermeister von der Situation berichtete. Dann war es abgemacht: In den nächsten Tagen wird die Stadt von der Vonovia Renovierungshilfe erhalten.