Geesthacht. Nachfrage nach Fachkräften ist groß. Der Ausbildungstruck für Geesthacht wird von einem Künstler gestaltet.

Auf den Namen „Hektor“ ist der Lastwagen getauft, der am Montagmorgen in der Geesthachter Fußgängerzone eingeparkt hat. Als die Türen aufgehen, steigen zwei Frauen aus. Fahrlehrerin Julia Rollnik (43) und ihre Schülerin Daniela Volkmann (48). „Viele Männer gucken komisch, wenn sie uns zusammen im Truck sehen“, sagt Julia Rollnik schmunzelnd. Lkw-Fahren ist eine Männerdomäne, aber das ändert sich gerade. 

Im zweiten Stockwerk über der ehemaligen Commerzbankfiliale an der Bergedorfer Straße liegt das Geesthachter Büro des Verkehrs- und Berufsbildenden Zentrums (VBZ). Jörg Vespermann, Chef des Bildungsträgers, plant eine Ausbildungsoffensive, die dem bei Frauen beliebter werdenden Beruf Rechnung trägt. „Wir wollen jeden Monat eine Maßnahme beginnen mit jeweils zehn Teilnehmern, Männern wie Frauen.“ Ein Intensivkursus dauert fünf bis sechs Monate.

Die Nachfrage ist enorm. Mangel an 45.000 Fachkräften

Es soll auch reine Frauenkurse geben. Gefördert werden beide Geschlechter über Bildungsgutscheine der Agentur für Arbeit. Ein Lkw-Führerschein kostet, privat bezahlt, etwa 20.000 Euro. Die Bearbeitung kann in Geesthacht schnell gehen. „Hier ist das schon mal in ein bis zwei Wochen erledigt“, hat Jörg Vespermann beobachtet. „Der Bedarf ist enorm“, weiß er. „Die Anfragen aus der Wirtschaft sind der Wahnsinn. Es gibt quasi eine Einstellungsgarantie.“ Der Mangel von 45.000 Fachkräften ist ein zentrales Problem der Logistik wie auch des Personentransportgewerbes, teilt das VBZ mit.

Ganz auf die Heimatstadt wird der Ausbildungstruck abgestimmt, der in Geesthacht startet. Ein Künstler hat einen Entwurf für die Lackierung mit Geesthachter Sehenswürdigkeiten gemacht, im März soll Lkw „Tweety“ fertig sein

zehn Prozent der Fahrschüler sind Frauen

Wie begehrt Lkw-Fahrer gerade sind, weiß Daniela Volkmann aus erster Hand. Ein Freund ist Trucker. Als sie arbeitslos wurde, kam sie auf die Idee, es als Lkw-Fahrerin zu versuchen. Sie fuhr für ein Praktikum als Beifahrerin bei einer Freundin mit, die Fernfahrerin ist. Wenn sie im März den Lehrgang abgeschlossen haben wird – die Theorieprüfung ist bestanden - kann sie sich den Arbeitgeber aussuchen. „Fünf Anfragen liegen bereits vor“, berichtet sie.

Julia Rollnik hat 2012 als Lkw-Schülerin angefangen. Seit 2016 ist sie Fahrlehrerin. „Etwa zehn Prozent der Fahrschüler sind mittlerweile Frauen“, sagt sie. Mit steigender Tendenz. „Die Hälfte der Stunden versucht man, Fehler weg zu bekommen, die sich beim Pkw-Fahren eingeschlichen haben“, weiß Julia Rollnik. „Und bei Männern brauche ich noch fünf Stunden mehr, damit sie akzeptieren, dass ich es bin, die ihnen noch etwas beibringen kann. Wir bewegen uns immer noch in einer Männerdomäne, wir müssen doppelt so gut sein“, sagt sie.

Das Klischee: Wenn eine Frau schlecht an die Rampe fährt, liegt es an der Frau – beim Mann an der schweren Anfahrt zur Rampe. Julia Rollnik nimmt es sportlich: „Mit Sprüchen muss man umgehen können. Die meisten Kollegen sind aber sehr, sehr fürsorglich.“

Brief an Verkehrsminister: Sorge wegen Ausbildungsstopp wegen Corona

Ein Problem aber gibt es noch: In Schleswig-Holstein darf zurzeit wegen Corona nicht ausgebildet werden, in Hamburg schon. Daniela Volkmann startet mit ihrer Lehrerin am VBZ-Standort in Moorfleet. Volker Samuelsson von den Bürgern für Geesthacht ist Mitarbeiter beim VBZ. Er hat Verkehrsminister Dr. Bernd Buchholz (FDP) angeschrieben. Die Bildungsträger seien in ihrer Existenz bedroht. Die Kunden würden in andere Bundesländer abwandern. Samuelsson sieht Bildungsträger wie das VBZ als systemrelevant an. Eine Antwort steht noch aus.