Kiel. Jedes Ministerium muss beim „Klimaschutzprogramm 2030“ mitmachen. Landwirtschaft kommt eher glimpflich davon. Kritik der Opposition.
Das Ziel ist ambitioniert: Schleswig-Holstein will innerhalb der nächsten fünf Jahre seine Treibhausgasemissionen gegenüber dem Durchschnitt der Jahre 2017 bis 2019 um 43 Prozent auf höchstens 14,4 Millionen Tonnen reduzieren. Alle Ministerien des Landes werden verpflichtet, in ihrem Zuständigkeitsbereich CO₂ einzusparen. Den größten Beitrag leisten laut dem „Klimaschutzprogramm 2030“ die Energiewirtschaft und die Bereiche Verkehr sowie Wohnen, den kleinsten die Landwirtschaft.
Mit dem Programm legt die schwarz-grüne Landesregierung fest, mit welchen Schritten der CO₂-Ausstoß in diesem Jahrzehnt gesenkt werden soll. Einen Teil der Maßnahmen kann das Land selbst umsetzen, bei einem anderen ist es auf Programme der Bundesregierung angewiesen. So soll im Autosektor der Anteil der im Land zugelassenen Elektrowagen deutlich erhöht und die Zahl der Verbrenner reduziert werden. Das aber kann das Land gar nicht steuern, es braucht entsprechende Bundesprogramme.
So sollen die Schleswig-Holsteiner Treibhausgase einsparen
Schleswig-Holstein will 2040 das erste klimaneutrale Industrieland in Deutschland sein. Die oppositionelle FDP spottet hingegen vom ersten industriefreien Klimaland. Gerade mit Blick auf die hohen anstehenden Investitionen in die energetische Sanierung der Ein- und Mehrfamilienhäuser befürchtet die Opposition aus SPD, FDP und SSW, dass das Land zu hohe Kosten bei den Hausbesitzern ablade. „Wer soll das bezahlen?“, fragt beispielsweise der SSW.
Ministerpräsident Daniel Günther nannte das Programm am Dienstag ein „klimapolitisches Auftragsbuch, das die Ministerien mit voller Kraft umsetzen werden.“ Er hatte mit – unter anderen – Bischöfin Nora Steen, Professor Dr. Olav Hohmeyer (Europa-Universität Flensburg), Franziska Leupelt (Vizepräsidentin IHK Schleswig-Holstein) und Jörg Asmussen (Gesamtverband der Versicherer) externe Fachleute in die Beratungen eingebunden und so versucht, ein breites gesellschaftliches Bündnis zu schaffen.
Klimaschutz: Bürger konnten die Maßnahmen mit erarbeiten
In einem Bürgerforum hatten Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner Empfehlungen zum Ausbau der Photovoltaik und des Bahnverkehrs erarbeitet, die zumindest in Teilen in die Pläne des Landes eingeflossen sind. Dieses Bürgerforum hatte auch geraten, die Maßnahmen sozial abzufedern. Das ist auch der Schleswiger Bischöfin Steen wichtig. Alle Projekte sozial zu flankieren, fördere die Akzeptanz der Maßnahmen, sagte sie.
Das Land wolle seinen Teil beitragen, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, sagte Günther am Dienstag. „Klimaschutz bekommt mit unserem Programm den Stellenwert, den er mit Blick auf den ökologischen Zustand unseres Planeten verdient“, so der Regierungschef. Umweltminister Tobias Goldschmidt von den Grünen erinnerte an Überschwemmungen, Sturmfluten, Starkregen und zu warme Meere. Deutschland sei nicht nur vom steigenden Meeresspiegel betroffen. Nichts zu tun, sei keine Lösung, sagte Goldschmidt.
Klimaschutz in Schleswig-Holstein: Was wer jetzt beitragen muss
Der Großteil der Emissionseinsparungen der Energiewirtschaft wird durch den Ersatz der Kohleblöcke in Flensburg und Wedel möglich. Die Industrie setzte zuletzt rund 3,1 Mio. Tonnen CO₂ frei. Hier soll der Ausbau der Wasserstoffnutzung Entlastung bringen. Im Bereich der Gebäude setzt das Land auf moderne Wärmepumpen, die mittlerweile in 80 Prozent der Häuser eingesetzt werden können, ohne dass eine aufwendige Sanierung nötig ist. Umweltminister Tobias Goldschmidt von den Grünen will sich so bei der Sanierung von Häusern auf besonders schlecht isolierte konzentrieren. D
ie kommunale Wärmeversorgung soll zudem vorangetrieben werden. Im Verkehrssektor will sich Schleswig-Holstein auf Bundesebene für neue Förderprogramme für E-Autos starkmachen. Im Bereich der Landwirtschaft setzt Schwarz-Grün auf die Wiedervernässung der Moore. Schulen, Krankenhäuser und Landesgebäude sollen energetisch saniert werden. Bei Neubauten gibt es eine Solarpflicht auf Dächern. Die Gebäudeeffizienz- und die Energieberatung wird ausgebaut
Der Ministerpräsident nannte die Maßnahmen „ehrgeizig“. Gerade im Wärmebereich und im Verkehr seien noch hohe Investitionen nötig. Günther bezifferte die Kosten auf 7,6 Milliarden Euro in dieser Legislaturperiode, von denen 1,6 Milliarden noch nicht finanziert seien. Aber nichts zu tun, komme das Land noch viel teurer, so der CDU-Politiker. Das bestätigte auch Jörg Asmussen vom Gesamtverband der Versicherer. Durch den Klimawandel drohten massive wirtschaftliche Schäden. „Wir müssen den Klimawandel verlangsamen und gleichzeitig Anpassungsmaßnahmen starten“, forderte er. Wenn nichts getan werde, würden sich beispielsweise die Prämien für Wohngebäudeversicherungen zeitnah verdoppeln.
Klimaschutzprogramm 2030: Was die Opposition kritisiert
Thomas Hölck von der SPD kritisierte vor allem die Ziele für den Gebäude- und Energiesektor. „Zwischen den geplanten Maßnahmen und dem Recht auf bezahlbaren Wohnraum ist mit der schwarz-grünen ein krasses Ungleichgewicht entstanden.“ Vor allem Mieter und Eigentümer müssten für Günthers Pläne zahlen. Aber eine genaue Erklärung, wie ein drastischer Anstieg der Mieten verhindert werden solle, bleibe der Ministerpräsident schuldig, sagte Hölck.
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Laut Oliver Kumbartzky von der FDP warne die Wohnungswirtschaft bereits jetzt vor überdurchschnittlich hohen Mieten aufgrund des ambitionierten Ziels Schleswig-Holsteins, bereits 2040 klimaneutral sein zu wollen. „Schon heute belasten die politisch motivierten Kostensteigerungen die Menschen enorm. Für Lebensmittel, den ÖPNV, aber auch das eigene Auto muss deutlich tiefer in den Geldbeutel gegriffen werden als noch vor wenigen Jahren.“ Jetzt plane die Landesregierung „Hauruckmaßnahmen“, die die Kosten weiter in die Höhe trieben.
Christian Dirschauer vom SSW erwartet Nachbesserungen beim Thema Biomasse und Biogas. „Hier haben wir in Schleswig-Holstein enorme Kapazitäten, die wir auch brauchen, wenn mal Flaute oder Bewölkung herrschen. Diese flexible Ergänzung sollten wir uns zwingend warmhalten. Da für viele Anlagen in naher Zukunft die Förderung ausläuft, muss eine politische Perspektive her.“