Kiel. Die geplante Justizreform in Schleswig-Holstein ruft Protest nicht nur in der Justiz hervor. Auch Opposition und Sozialverbände laufen Sturm. Justizminister von der Decken stellt sich dem Protest.
Gegen die geplante Justizreform in Schleswig-Holstein formiert sich immer härterer Widerstand. Bei einer Kundgebung vor dem Landtag kritisierten mehrere Redner, dass Justizmitarbeiter und Bürger durch einen Kabinettsbeschluss vor vollendete Tatsachen gestellt würden.
Die vorgesehene Zentralisierung der Arbeits- und Sozialgerichte voraussichtlich in Neumünster sei eine Abkehr vom Versprechen des Koalitionsvertrags, die Gerichtsstandorte zu erhalten. Damit werde das Vertrauen in den Rechtsstaat untergraben und es bestehe die Gefahr, das Fachpersonal sich von der Justiz abwende.
Der schleswig-holsteinische Vorsitzende des Sozialverbands für Deutschland, Alfred Bornhalm, betonte, gerade die Schwächsten der Gesellschaft seien auf Zugang zu den vier Sozialgerichten angewiesen. Weitere Wege bedeuteten für sie eine enorme Belastung. Die Kluft zwischen Bürgern und Staat würde größer. „Diese Pläne müssen vom Tisch.”
Aus Sicht der Vorsitzenden des schleswig-holsteinischen Richterbundes, Christine Schmehl, ist die Begründung für die Reform nicht nachvollziehbar. Es solle Geld gespart werden. Dabei gebe es noch keine Planung und Kostenschätzung für ein zentrales Gerichtsgebäude. „Ich habe die große Sorge, dass das ganz gewaltig nach hinten losgehen wird.” Aus Sicht des DGB stehen die angestrebten Einsparungen in keinem Verhältnis zu den sozialen und personellen Kosten.
Von der Decken spricht auf Kundgebung
Von der Decken begründete ihre Pläne unter lautstarkem Protest mit der schwierigen Haushaltslage. Sie betonte, es werde kein Personal abgebaut. Heute hätten die Menschen auch digitalen Zugang zu Gerichten. Außerdem könne es Gerichtstage vor Ort geben. Jetzt beginne erst das Anhörungsverfahren zu der Reform. „Ich ermuntere Sie mitzumachen”, rief sie.
Der Vorsitzende der Gewerkschaft dbb Schleswig-Holstein, Kai Tellkamp, hielt entgegen: „Das Vorgehen der Landesregierung bei der Gerichtsreform wird die Bereitschaft der Landesbeschäftigten, Reformen positiv zu begleiten, auch in anderen Bereichen nachhaltig beschädigen.”
Für die SPD-Fraktionsvorsitzende im Landtag, Serpil Midyatli, zeigt der Vorgang, mit welcher Rücksichtslosigkeit und Ignoranz die Landesregierung Politik gegen die Interessen der Betroffenen mache. „Dieses Regieren von oben herab haben die Beschäftigten der Justiz nicht verdient.”
Der FDP-Abgeordnete Bernd Buchholz sagte, seine Fraktion halte die Reformpläne nicht nur für unausgegoren, sondern in Teilen auch für verfassungswidrig. Die Sozialgerichte hätten eine Sonderstellung, dort herrsche kein Anwaltszwang. Der Zugang zum Sozialgericht sei also vereinfacht. Das könne durch eine Zentralisierung der Sozialgerichte verletzt sein.
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