Kiel. Welche Folgen hat Putins Krieg in der Ukraine für Schleswig-Holstein? Darum ging es im Landtag. Über die große Aussprache.
Über dem Landeshaus wehte die ukrainische Flagge als weithin sichtbares Zeichen der Trauer und der Solidarität mit den Menschen in dem überfallenen Land, als gestern die Landtagsabgeordneten über die „Auswirkungen von Putins Krieg auf Schleswig-Holstein“ debattierten.
Wobei: Es war weniger eine Debatte, sondern vielmehr eine von großer Würde und Konsens geprägte Landtagssitzung. Ministerpräsident Daniel Günther fasste es in seiner Regierungserklärung so zusammen: „Ein Krieg in Europa war bis vor wenigen Wochen undenkbar. Unsere Gedanken und Gebete sind bei den Menschen in dem Land. Schleswig-Holstein steht solidarisch an der Seite der Ukraine“, sagte der CDU-Politiker.
Landtag: Günther lobt Zusammenhalt im Norden
Laut Günther sind die Folgen von Putins Krieg unmittelbar in Schleswig-Holstein zu spüren: Geflüchtete seien unterzubringen, deren Kinder in Schulen und Kitas zu integrieren, Spediteuren fehlten zudem in Folge des Krieges Fahrer, Landwirten Arbeitskräfte (und Dünger), die Preise für Heizöl und Benzin seien deutlich gestiegen, so Günther.
Der Ministerpräsident dankte allen Schleswig-Holsteinern, die sich engagierten: „Sie räumen Gästezimmer frei und nehmen Menschen bei sich auf, Sie organisieren Hilfstransporte, Sie helfen in Erstaufnahmen. Ich bin stolz, wie Schleswig-Holstein zusammenhält. Dafür sage ich: Dankeschön!“
„Wir müssen wissen, wer sich hier aufhält“
Laut Günther fehle wegen der 90-tägigen Freizügigkeit für die Geflüchteten der genaue Überblick, wie viele Menschen im Land Zuflucht gesucht hätten. „Aber wir müssen wissen, wer sich hier aufhält“, forderte Günther. Für ihn ist die Unterbringung der Flüchtlinge die größte Herausforderung für das Land. Ursprünglich sei man von 400.000 Flüchtlingen deutschlandweit ausgegangen, jetzt kalkuliere man auf jeden Fall mit einer Million. „Jeder Wohnraum ist deswegen willkommen“, so Günther.
Der Regierungschef und seine Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack sagten, dass sich Schleswig-Holstein auf Hackerangriffe auf die kritische Infrastruktur vorbereite, auch wenn eine „akute Gefährdung nicht erkennbar“ sei. „Wir bauen die Cybersicherheit weiter aus.“
Abhängigkeit von russischem Gas verringern
Laut Günther könnte Schleswig-Holstein von der 100-Milliarden-Euro-Aufrüstung der Bundeswehr profitieren. „Die Investition kann auch eine Chance für die Werften im Norden sein“, so Günther. Er versicherte der Bundesregierung die „volle Rückendeckung aus Schleswig-Holstein“ bei der besseren Ausstattung der Bundeswehr. Denn: „Putin zeigt, dass die Bundeswehr das Land und die Bevölkerung wirksam schützen können muss.“
Die Abhängigkeit von russischem Gas und Öl müsse verringert werden. „Wenn die Mobilitätswende jetzt beschleunigt wird, ist das gut fürs Klima und schlecht für die Kriegskasse des Despoten“, so Günther, der die Bundesregierung aufforderte, die Bürger schnell von den hohen Energie- und Kraftstoffpreisen zu entlasten.“
Auch Midyatli bedankte sich bei Schleswig-Holsteinern
SPD-Fraktions- und Landeschefin Serpil Midyatli sprach von einer unfassbaren Brutalität von Putins Armee. „Die Menschen in der Ukraine verteidigen auch unseren gemeinsamen Werte“, sagte Midyatli. Sie sprach von einem „Lichtblick“ und meinte damit die Einigkeit Europas. Die SPD-Chefin warb für einen schnelleren Ausbau der erneuerbaren Energien, um die Abhängigkeit von Russland zu reduzieren. Wie Günther dankte sie den Schleswig-Holsteinern für deren „großartiges ehrenamtliches Engagement“.
CDU-Fraktionschef Tobias Koch dankte Initiativen, Spendern und ehrenamtlichen Helfern: hunderttausende private Unterkünfte seien gemeldet, Hilfsgüter und Spenden gesammelt worden. Koch plädierte dafür, kurzfristig auf Kohle und Öl aus Russland zu verzichten. Hier gebe es andere Bezugsquellen. Eine Laufzeitverlängerung für die noch betriebenen Atomkraftwerke dürfe kein Tabu sein.
Putin ein „Kriegsverbrecher“
Grünen-Fraktionschefin Kalben widersprach mit Hinweis auf die Skepsis der Betreiber. Zudem komme das benötigte Uran auch aus Russland. Sie nannte Putin einen „Kriegsverbrecher“ und sprach von einem Dilemma: Forderungen nach schärferen Sanktionen seien sehr verständlich, aber „wir sind immer noch abhängig von den Energielieferungen“. Die Erneuerbaren seien hier nicht hinreichend ausgebaut worden.
Ähnlich argumentierte FDP-Fraktionschef Christopher Grimm: „Sanktionen muss man selbst durchhalten können“, sagt er. Russland habe sich mit dem „schrecklichen Angriffskrieg isoliert“, sagte Vogt und sprach von einem KGB- und Mafiastaat“, dem gegenüber Deutschland viel zu lange gutgläubig gewesen sei.
Landtag: Nobis fordert Steuersenkungen
Lars Harms vom SSW bedankte sich bei „Zivilgesellschaft und Verwaltung für deren tolles Engagement. Das ist schon klasse“. Er befürwortete weitere Waffenlieferungen an die Ukraine. Jörg Nobis von der AfD nannte die Energiepreise unerträglich hoch. Zur Entlastung forderte er Steuersenkungen.