Dahme. Axel Kramer ist Experte für die Suche nach den wertvollen Steinen. Er hat praktische Tipps für alle Schatzsucher an der Küste.
Wenn Axel Kramer am Strand vor seiner Haustür in Dahme an der Ostsee entlanggeht, schlendert er meist mit gesenktem Kopf über den Sand. Nicht etwa, weil er traurig ist. Ganz im Gegenteil. Axel Kramer ist dann in seinem Element und sucht Bernsteine. Seit mehr als 50 Jahren schon ist das seine Leidenschaft. „Bernsteinsuche, das ist Emotion, also ganz viel Gefühl und ein besonderes Naturerlebnis“, sagt er. Das Abendblatt war mit ihm unterwegs. Für alle anderen bietet er auch Touren an.
„Ein Verdachtsfall!“, ruft Axel Kramer und bleibt stehen. Die Aufmerksamkeit der Abendblatt-Reporterin ist sofort bei ihm, der Blick fällt suchend nach unten. Dieses Aufspüren macht überraschenderweise Spaß. Da zwischen Tang, Kies, Muscheln und Treibholz am Spülsaum könnte ein Bernstein liegen. Und tatsächlich. Da glänzt etwas Gelbes. Ein Bernstein?
Ostsee: Wie man erkennt, ob man einen Bernstein gefunden hat
Um festzustellen, ob es sich wirklich um Bernstein handelt, soll man den Fund gegen den Zahn klopfen. Beim Bernstein fällt das Klopfen viel weicher aus als bei einem Steinchen. Und lässt man ein Steinchen auf die Handfläche fallen, fällt dieses plump herunter. Ein Bernstein aber ist viel leichter, das merkt man sofort. Der ultimative Echtheitstest aber ist die Salzwasserprobe. In einem Gefäß hat Kramer Wasser mit einem Drittel Salzgehalt. Legt man einen Stein hinein, sinkt dieser sofort auf den Grund. Bernstein aber ist so leicht, der schwimmt oben. Wir haben an diesem Tag viele Erfolgserlebnisse!
Angst vor Phosphor, sagt Axel Kramer, müsse man nicht haben. In den vergangenen 50 Jahren ist er lediglich einmal auf Phosphor gestoßen. Phosphor kann sich bei Temperaturen ab 20 Grad entzünden. Wer ganz sicher sein möchte, trägt seine Fundstücke in einer Blechdose statt in der Hosentasche.
Bernstein: Schon das erste Fundstück entfacht den Goldrausch
Die Freude über die Fundstücke ist groß, größer als erwartet, und der Goldrausch entfacht. Wie schnell man doch angefixt sein kann! Ein Verdachtsfall folgt dem anderen. Manchmal ist es doch nur ein Stein, aber in den meisten Fällen hat Axel Kramer das richtige Gespür. Bereits nach einer Viertelstunde findet die Reporterin ohne Hilfe einen Bernstein und noch einen und noch einen, eine Handvoll.
Das überrascht selbst den Experten, der hier am Strand hinter dem Deich aufgewachsen ist und genau weiß, wann und wo Bernsteine zu finden sind. „Dass wir so viele an einer Stelle finden, das habe ich noch nicht erlebt“, sagt er. Innerhalb einer halben Stunde sind es mehr etwa 20 kleine Bernsteinstücke, rot, gelb, golden, karamellfarben.
Bernsteinsuche an der Ostsee: eine Sache des Instinkts
Wie macht er das bloß, diese winzigen Steinchen aus fossilem Harz zu finden? „Das ist Erfahrung, ich weiß eben, wo sie liegen. Mein Hirn ist auf Bernsteine, Donnerkeile, Lochsteine und Seeigel programmiert“, sagt der 62-Jährige und lacht. Früher hat er als Werber im Messebau gearbeitet, heute vermietet er Ferienwohnungen und liebt sein Leben am Meer und in der Natur. Bernsteinsuche, das sei Instinkt, Feingefühl und Erfahrung. Kinder hätten schnell einen Blick dafür. Ansonsten gilt: „Man muss mit dem Herzen dabei sein und einen Blick dafür entwickeln.“
Die Suche nach Strandschätzen, ob Bernstein oder Steine mit Löchern, hat etwas Meditatives. Da sind das Meer, die Kormorane und Möwen und sonst nichts. Die Welt drum herum ist schnell vergessen. „Bei der Bernsteinsuche ist man ganz bei sich“, sagt Axel Kramer. Sein Tipp: „Kurz nach einem Sturm und bei Ostwind stehen die Chancen besonders gut, fündig zu werden.“
Wann die Chancen auf einen Bernstein an der Ostsee besonders groß sind
An den Linien aus Tang, Treibholz und Muscheln liegt der leichte Bernstein oft oben drauf. Im Herbst und Winter nach stürmischen Nächten bei auflandigem Wind stehen die Chancen, das Gold des Meeres zu finden, besonders gut. Das fossile Harz treibt vor allem bei kaltem salzigem Meerwasser nach oben. Baltischer Bernstein, der an die Strände von Nord- und Ostsee gespült wird, entstand vor 40 bis 50 Millionen Jahren aus dem Harz subtropischer Nadelwälder. Bereits vor 10.000 Jahren stellten die Menschen Schmuck aus dem fossilen Harz her.
An seinen ersten Bernsteinfund kann sich Axel Kramer noch gut erinnern. Er war sieben Jahre alt. „Der Stein war etwas ganz Besonderes, ich habe ihn meiner Oma geschenkt.“ Heute weiß er, dass ganz besondere Funde, also besonders große oder vermutlich alte Bernsteine, ins Museum gehören.
Weißer Bernstein ist besonders wertvoll, sagt der Experte
Einige seiner Fundstücke hat er dem Haus der Natur im nahen Cismar gegeben. Zum Beispiel diesen einen Bernstein mit einer Kugel. Dieser musste den Wikingern früher als Teil eines Spiels gedient haben, vermutet Kramer. Es gibt roten, weißen und gelben Bernstein. Weißer Bernstein sei besonders wertvoll, ein Gramm koste 1500 Euro. „Die Scheichs machen daraus ihre Gebetsketten“, erzählt Kramer.
Außergewöhnliche Funde trägt er in einem kleinen Stoffbeutel bei sich. Alle zehn Jahre stößt er auf einen herausragenden Bernstein. So wie diesen großen gelben Bernstein. Solche Bernsteine sind etwas trübe, lassen sich aber umso besser polieren.
"Nicht ich finde den Bernstein, sondern der Bernstein findet mich"
Wer nicht so viel Glück bei der Bernsteinsuche hat, hat nichts falsch gemacht. So sieht es jedenfalls Axel Kramer. Er sagt: „Nicht ich finde den Bernstein, sondern der Bernstein findet mich.“
Beim NATURtainment der Lübecker Bucht geht es vom 11. bis 24. Oktober mit Naturführern wie Axel Kramer auf Erkundungen. Auf dem Programm stehen unter anderem eine Kräuterwanderung oder eine Waldreise, eine Künstlerin lädt zum Treibgutschmuck-Workshop und eine Lama-Herde zum Strandspaziergang ein. Bei Strandwanderungen wird Axel Kramer nach Bernstein und Steinen suchen, die dann bestimmt werden. Alle Infos unter www.naturtainment.de