Kiel/Hamburg. Wolfgang Kubicki und die FDP hadern mit ihrem Absturz auf unter sieben Prozent – und hoffen auf die Fortsetzung von Jamaika.

Das hatten sich die Liberalen anders vorgestellt: Als die Prognose am Sonntagabend im schicken Bootshaus 1862 um 18 Uhr über die Bildschirme lief, reagierten die Anwesenden mit Verwunderung und Ernüchterung. Weniger als sieben Prozent können in der FDP-Hochburg im Norden nur als Enttäuschung gelten, zumal 2017 mit 11,5 Prozent das Ergebnis noch deutlich besser ausgefallen war. Allerdings sehen die Demoskopen die Liberalen derzeit bundesweit eher im Rückwärtsgang.

„Wir können mit dem Ergebnis nicht zufrieden sein“, sagte Wirtschaftsminister Bernd Buchholz, der als Spitzenkandidat in die Wahl gezogen war. „Der Ministerpräsident hat als liberaler Politiker viele Stimmen in der Mitte gewonnen.“ Der FDP sei es nicht gelungen , die erfolgreiche Arbeit in der Koalition in eigene Stimmen umzumünzen. „Wir müssen an unserer Bekanntheit und unserem Profil arbeiten“, sagte er dem Abendblatt.

Landtagswahl Schleswig-Holstein: Fehlte der Kubicki-Effekt?

Vielleicht fehlte auch der Wolfgang-Kubicki-Effekt – der 70-Jährige hatte die FDP im Norden siebenmal in die Landtagswahl geführt und 2009 fast 15 Prozent gewonnen. 2017 wechselte er nach Berlin. Der stellvertretender FDP-Bundesvorsitzende und langjährige Fraktionschef an der Förde zeigte sich vom Abschneiden enttäuscht. „Es hat angesichts der Umfragen keiner erwartet, dass das Ergebnis so ausfällt“, sagte er dem Abendblatt. „Es zeigt aber, wie volatil die Stimmungen geworden sind.“

Kubicki und Buchholz sprachen sich für eine Koalition mit der CDU aus. „Es gibt eine deutliche Mehrheit für Schwarz-Gelb – allein das zählt für mich. Wir schauen mal, was passiert. Die Union muss sich entscheiden, ob sie eine Verhinderungskoalition möchte oder ein Bündnis, das Schleswig-Holstein wirtschaftlich voranbringt“, sagte Kubicki. Buchholz verwies darauf, dass in diesen schwierigen Zeiten ein stabiles Bündnis besonders wichtig sei: „Wir haben mehr gemeinsame Schnittmengen mit der CDU als die Grünen“, sagt er.

Schleswig-Holsteiner favorisieren Jamaika-Bündnis

Die Grünen begannen gleich am Abend ihrerseits, eindringlich für eine Fortsetzung der Zusammenarbeit mit der CDU zu werben. Die nächsten Wochen dürften spannend werden. Nachwahlbefragungen zeigen, dass Unions-Wähler eine Bündnis mit der FDP nur knapp einer schwarz-grünen Koalition vorziehen. Insgesamt favorisieren die Menschen im Norden Jamaika, was aber angesichts des Ergebnisses unwahrscheinlich scheint. Auch Buchholz hält eine Fortführung des Dreierbündnisses für unwahrscheinlich.

Die Hoffnungen der Liberalen flogen deutlich höher – fast durchgängig hatte man nicht nur auf ein zweistelliges Ergebnis gehofft, manche hatten es fest erwartet. Zwischenzeitlich hatte Spitzenkandidat Buchholz sogar 15 Prozent angepeilt.

Schließlich schneiden die Liberalen im hohen Norden meist besser ab als im Bund. Und mit ihren Ministern Heiner Garg (Soziales und Gesundheit) sowie Buchholz (Wirtschaft und Verkehr) hatten die Liberalen Aktivposten. In der Corona-Politik galt Schleswig-Holstein nicht nur als Taktgeber der Liberalisierungen, sondern kam auch im Ländervergleich am besten durch die Pandemie.

Zahl der Corona-Toten im Norden geringer als anderswo

Bei den Impfungen und den Öffnungen lagen die Norddeutschen vorn, die Zahl der Toten und die Letalitätsrate war hingegen deutlich niedriger als anderswo. Zugleich versuchte der Norden früh, mit dem Virus zu leben – und Fremdenverkehr unter Corona zu ermöglichen.

Und obwohl der Norden traditionell strukturschwach ist, konnte Buchholz mit neuen Energien, dem nun beschleunigten Bau von LNG-Terminals und der Ansiedlung der Batteriefabrik von Northvolt in Heide punkten. Letztere soll immerhin 3000 neue Arbeitsplätze schaffen. Mit 69 Prozent der Bürger ist die Zufriedenheit mit der wirtschaftlichen Lage außergewöhnlich hoch. „Vielleicht hätten wir auch mehr verdient gehabt, nach den Jahren, die wir hier anständig mitregiert haben“, sagte Buchholz auf der Wahlparty.

Landtagswahl Schleswig-Holstein: Daniel Günther saugte Stimmen ab

Ihr Bundestagswahlergebnis von 12,5 Prozent in Schleswig-Holstein haben die Liberalen fast halbiert. Allerdings war diese Flut der Zweitstimmen im September weniger der eigenen Stärke geschuldet als viel mehr der Schwäche der Union mit ihrem Spitzenkandidaten Armin Laschet.

Er kam zwischen Flensburg und Lauenburg damals nur auf 22 Prozent der Zweitstimmen. Bei der Landtagswahl musste kein christdemokratischer Wähler fremd gehen: Daniel Günther saugte als beliebter Landesvater die Stimmen geradezu ab.

Erschwerend kam für die FDP hinzu, dass die Wahl im Norden in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit und der Medien oft als Dreikampf dargestellt wurde – und sich drei Spitzenkandidaten zum Triell treffen durften: Die Grünen und die SPD mit ihren Umfragewerten von unter 20 Prozent waren dabei, die FDP mit prognostizierten neun Prozent blieb außen vor. Immerhin ein Trost bleibt der FDP: Bei jungen Wählern unter 30 und bei Erstwählern landeten die Liberalen locker im zweistelligen Bereich.