Helgoland. In der Metropolregion gibt es viele Möglichkeiten für erholsame Tage. Heute: Pinnebergs Außenposten in der Nordsee.

Kühle Luft, in der ein leicht modriger Geruch liegt, kommt dem Besucher beim Hinabsteigen entgegen. Es sind nur wenige Stufen, die in eine von außen verborgene Welt führen. Ein unterirdisches Konstrukt aus vergangenen Tagen, das für ein paar Wochen zum Schauplatz urbaner Kunst wird.

Auf 130 Meter Länge erstreckt sich der Bunkertunnel, der mit einer leichten Steigung tief in den Helgoländer Felsen hineinführt. Ein ungewöhnlicher Ort für eine Ausstellung und geradezu gemacht für die Kunst, die hier noch bis zum 2. August gezeigt wird. Unter dem Titel „Anna’s Art Affair“ präsentiert die Hamburger Galerie popstreet.shop in Kooperation mit dem Hotel Rickmers Insulaner eine Kunstausstellung zwischen nasskalten Betonwänden unter der Helgoländer Erde.

„Die Location passt so gut zu unserer Kunstrichtung“, schwärmt Michael Habel, einer der beiden Kuratoren. „Die maroden, alten, grauen, feuchten Bunkerwände kombiniert mit den meist farbstarken Bildern geben einen tollen Kontrast ab.“ Die nur spärliche Beleuchtung tut ihr Übriges und verleiht dem Ort etwas Mystisches. Am Eingang werden Besucher mit Taschenlampen ausgestattet, um die Werke individuell ausleuchten zu können. Dann beginnt der unterirdische Rundgang. Insgesamt werden rund 70 Gemälde, Fotografien, Spraymalereien, Skulpturen und Werke unterschiedlichster Techniken von 20 Künstlern aus sechs Nationen gezeigt. Die vorherrschenden Stilrichtungen: Pop Art, Street Art und Urban Art. Die drei Kunstformen, auf die sich die Hamburger Galerie von Beginn an spezialisiert hat.

Die Hälfte der gezeigten Werke hat einen Helgoland-Bezug

Wo die Unterschiede zwischen Street- und Urban Art liegen? „Street Art ist das, was draußen zu sehen ist. Kommt diese Kunst in eine Galerie, wird sie als Urban Art bezeichnet“, sagt Stephan Krüll, der zusammen mit Michael Habel 2016 die popstreet.shop-Galerie gegründet und „Anna’s Art Affair“ kuratiert hat. Rund die Hälfte der gezeigten Werke wurden extra für die Ausstellung produziert. So reisten einige ausgewählte Künstler bereits Anfang des Jahres auf die Insel, um sich von der Landschaft, der Architektur und der Atmosphäre inspirieren zu lassen und Arbeiten zum Thema Helgoland zu erstellen.

Der Blick vom Helgoländer Oberland auf die bunten Hummerbuden.
Der Blick vom Helgoländer Oberland auf die bunten Hummerbuden. © Unbekannt | Joana Ekrutt

Unter ihnen sind zum Beispiel Ole Ohlendorff aus Winsen, der für seine Porträtreihen von toten und lebenden Rocklegenden bekannt ist. Für die Ausstellung porträtierte er den Helgoländer Musiker Paul Botter, Gründer der Rock-Band Elephant. Graffiti-Künstler Leon GSK aus Zagreb hat sich mit den bunten Hummerbuden eines Helgoländer Wahrzeichens angenommen und sie mit seiner ganz eigenen Spray- und Schablonentechnik in bunten Farben kontrastreich vor eine grau-weiß-blaue Umgebung in Szene gesetzt.

Hamburger Künstlerin Jas ließ sich von Helgoland inspirieren

Auch die Hamburger Künstlerin Jas reiste im Februar nach Helgoland, um sich inspirieren zu lassen. Neben einem Werk zum Thema Helgoland stellt sie noch weitere Arbeiten aus. Allen gemein ist ein besonderes Verfahren: „Ich verwende Materialien, die man auch essen kann wie Reis, Salz, Mungobohnen oder Glasnudeln“, sagt die Künstlerin. So entstehen in ihren knalligen, kollagenartigen Bildern, in denen sie stets auch Nachtleuchtfarbe verwendet, zusätzliche Strukturen, die einen 3D-Effekt erzielen. Ein besonderes Verfahren, hinter dem ein alter Glaube steckt.

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„Der philippinische Mandaya-Stamm, dem meine Vorfahren angehörten, ist sehr spirituell. Die Menschen dort glauben daran, dass es Glück bringt, wenn man Dinge, die man auch essen kann, für etwas verwendet, das man nicht verspeist.“ Im Wohnraum aufbewahrt, sollen auf diese Weise böse Geister vertrieben werden. „Ich finde den Gedanken schön, dass jemand, der meine Kunst kauft, nicht nur ein Bild, sondern auch einen Glücksbringer für zu Hause hat.“

Bilder sind in Plastikfolie verpackt

Damit die ausgestellten Bilder durch die im Tunnel herrschende Feuchtigkeit keinen Schaden nehmen, sind sie wasserabweisend in Plastikfolie verpackt. Ein Novum, auch für die beiden Galeristen, doch der besondere Ausstellungsort sei jede zusätzliche Mühe wert. „Es hat Charme, was wir hier veranstalten“, sagt Michael Habel, der unter dem Namen MicArt63 selbst als Airbrush-Künstler aktiv ist und das Bild zur Ausstellung „popstreet goes Helgoland“ in Anlehnung an die großen Popartisten Andy Warhol und Roy Lichtenstein gestaltete. Von der unkonventionellen Ausstellungsfläche sind nicht nur die Künstler und Kuratoren begeistert. Am Tag der Vernissage wechseln sich die „Ahhs“, „Ohhs“, „Wow-“ und „Krass“-Rufe der Besucher beim Betreten des Tunnels ab.

Detlev Rickmers mit den Galeristen Michael Habel und Stephan Krüll.
Detlev Rickmers mit den Galeristen Michael Habel und Stephan Krüll. © Unbekannt | Joana Ekrutt

Der Eingang zum Bunker liegt im Garten des zentral gelegenen Hotels Rickmers Insulaner. „Wir wollen das kulturelle Leben und die Malerei auf Helgoland aktuell halten“, sagt Hotelchef und Insel-Urgestein Detlev Rickmers, der für die Kooperation mit der Hamburger Galerie verantwortlich zeichnet. „Es ist eine in dieser Form einmalige Ausstellung.“ Am Eröffnungsabend muss auch er sich künstlerisch betätigen und an der Spraydose ausprobieren. Mit „Anna’s Art Affair“ sollen alle Altersklassen angesprochen und soll ein kultureller Reiz, die Insel zu besuchen, geschaffen werden. Der Ausstellungstitel ist dabei eine Anspielung auf Helgolands bekanntes Naturdenkmal, die Lange Anna, ein roter Brandungsfelsen, der im Nordwesten der Insel aus dem Meer ragt.

Viele der Künstler waren zuvor noch nicht auf der Insel

Genauso wie die Kuratoren vor der Planung der Ausstellung noch nie auf Helgoland waren, reisten auch viele der Künstler für die Fertigung ihrer Arbeiten erstmalig an. Allen gemein ist die bleibende Begeisterung für Deutschlands einzige Hochseeinsel.

Tipps für die Umgebung:

  • Baden und Seehunde gucken: Die Düne, Helgolands einzige Nebeninsel, ist ein kleines Inselparadies. Traumhaft weiße Sandstrände und Seehunde, die sich ohne Scheu an eben diesen tummeln, machen einen Ausflug dorthin zu einem unvergesslichen Erlebnis. Boote fahren täglich zwischen den einst verbundenen Inselteilen hin und her.
  • Spazieren gehen: Der rund drei Kilometer lange Klippenweg im Oberland der Insel bietet an jeder Stelle ein traumhaftes Panorama und führt sowohl am Lummenfelsen, dem Brutplatz zahlreicher Vogelarten, und der Langen Anna vorbei.
  • Kaffee trinken: Der Garten des Hotel Rickmers Insulaner bietet viele lauschige Ecken mit einer tollen Aussicht.

Doch nicht nur kulturell hat Helgoland derzeit einiges zu bieten. Wer in Zeiten von Corona einen Urlaubsort sucht, an dem genügend Abstand gehalten werden kann, dem sei Helgoland ebenfalls besonders ans Herz gelegt, denn aufgrund der aktuellen Verordnungen dürfen die Schiffe, die die Insel ansteuern, momentan nur die Hälfte der möglichen Passagiere transportieren. Genügend Platz also, um ungestört die einzigartige Natur zu bewundern, am Strand zu liegen, ohne sich zwischen bereits ausgebreitete Handtücher zu quetschen, oder ohne Schlange zu stehen ein Fischbrötchen im Hafen zu genießen.

Überfahrt selbst kann bereits zum Abenteuer werden

Per Schiff wird Helgoland im Sommer von Büsum, Bremerhaven und Cuxhaven angelaufen. Für eine Express-Überfahrt sorgen die Katamarane „Halunder Jet“ und „San Gwann“, die Hamburg und Cuxhaven mit der Buntsandsteinfelsen-Insel verbinden. Auch Tagestouren werden angeboten. Ein bisschen mehr Zeit lohnt sich jedoch, um alle Besonderheiten Helgolands kennenzulernen.

Und auch die Überfahrt selbst kann bereits zum Abenteuer werden. So lassen sich in den gemütlichen Sitzen des „Halunder Jet“ durch die großen Fenster imposante Containerschiffe und vorbeiziehende Landschaften betrachten. Dabei kommt es natürlich auf die eigene Seetauglichkeit und die Witterungsverhältnisse an. Ein Insider-Tipp von Katamaran-erprobten Urlaubern lautet: Wenn keine Spucktüten auf den Tischen ausliegen, wird die Fahrt ruhig.

Anreise und Kontakt:

  • Anreise: Ab Hamburg fährt der „Halunder Jet“ bis zum 1. November täglich um 9 Uhr von den St. Pauli Landungsbrücken. Die Fahrtzeit beträgt rund vier Stunden.
  • Kosten: Eine einfache Überfahrt kostet Erwachsene je nach Reisezeit zwischen 62,20 Euro und 77,60 Euro. Plätze in gehobeneren Sitzklassen gibt es für einen Aufpreis von 10 bzw. 19 Euro. Der Eintritt zur Ausstellung ist frei.
  • Kontakt: Hotel Rickmers Insulaner, Am Südstrand 2 auf Helgoland, Telefon: 04725/814 10, E-Mail: info@rickmers-insulaner.de

Nächste Folge: Am Donnerstag, 16. Juli, sind wir auf dem Hof Tütsberg in Schneverdingen.