Kiel. Welche Umweltgefahren gehen von der Weltkriegsmunition im Meer aus? Dies wollen Wissenschaftler mit Hilfe von Muscheln herausfinden.


Wissenschaftler begleiten die geplante Entsorgung von Munition aus dem Meer mit Untersuchungen zu Umweltfolgen. Das im März gestartete Projekt stellten Schleswig-Holsteins Umweltminister Robert Habeck (Grüne) und Wirtschaftsminister Reinhard Meyer (SPD) am Dienstag mit Direktor Peter Herzig vom Meeresforschungsinstitut Geomar vor. Der Bund fördert es mit 1,6 Millionen Euro. Das Programm ergänzt das Vorhaben, mit einem Roboter vor sich hin rottende Munition zu bergen, unschädlich zu machen und umweltgerecht zu entsorgen. An dem Prototyp wird derzeit gearbeitet.

Das Gesamtproblem ist gigantisch und wurde jahrzehntelang von der Politik ignoriert - wohl auch, weil seine Lösung sehr teuer ist. Mindestens 1,6 Millionen Tonnen Munition aus beiden Weltkriegen liegen allein in den deutschen Küstengewässern von Nord- und Ostsee. Für den Abtransport würde rechnerisch ein 3000 Kilometer langer Güterzug benötigt, sagte Habeck. In ganz Europa könnte es Experten zufolge um die zehnfache Menge gehen. „Das ist ein weltweites Problem“, sagte Habeck.

Muscheln sollen als Sensoren dienen

„Das gefährliche Erbe der beiden Weltkriege rostet auch 70 Jahre nach Ende des letzten Krieges vor sich hin, führt immer wieder zu Unfällen und behindert den Ausbau erneuerbarer Energien“, sagte Habeck mit Hinweis auf Offshore-Windparks. Das Problem sei viel zu lange geduldet worden; es sei sehr mühsam gewesen, das Thema auf die politische Agenda zu bringen.

Mit Hilfe von Sensoren sollen jetzt munitionsbelastete Meeresgebiete überwacht werden - generell, aber auch gezielt vor und während einer Kampfmittelbeseitigung. Dazu wurden jetzt erste Käfige mit Muscheln als natürlichen Sensoren im Munitionsversenkungsgebiet Kolberger Heide nordöstlich von Laboe ausgesetzt, wie Geomar-Direktor Herzig berichtete. Nach dem Start in der Ostsee werde die Nordsee folgen. Das Monitoring soll wichtige Erkenntnisse dazu liefern, welche Gefahren zum Beispiel von Schwermetallen aus der Munition ausgehen. Geplant ist auch, den Meeresboden zu kartieren.

Sprengstoff soll verbrannt werden

Dieses Vorhaben ist im Verbund mit dem Roboterprojekt zu sehen, das der Bund mit 3,6 Millionen Euro fördert und ebenfalls auf drei Jahre angelegt ist. Den Prototyp des Bergungsfahrzeugs hatte die an der Entwicklung maßgeblich beteiligte Firma im vergangenen Oktober für 2017 angekündigt. Das Konzept sieht vor, nach der Bergung etwa einer Mine durch den Roboter den Sprengstoff zu verflüssigen und auf einer schwimmenden Plattform zu verbrennen. Von der Munition bliebe nur Schrott übrig. Gefährliche Tauchereinsätze und Sprengungen würden vermieden. So würden auch Schweinswale und andere Meeresbewohner geschont, die unter von Sprengungen verursachten Schallwellen leiden.

Wann das Ganze praxiswirksam wird und in welchem Umfang, ist offen. Das hängt davon ab, welche Priorität der Bund der Beseitigung der Altlasten im Meer gibt und wie viel Geld er dafür bereitstellen wird. Die Beteiligten in Schleswig-Holstein wollen das System aus vollautomatischer Munitionsentsorgung und begleitender Umweltforschung möglichst auf die internationale Ebene hieven. „Wir müssen das europäisch angehen“, sagte Geomar-Direktor Herzig. Wirtschaftsminister Meyer äußerte die Hoffnung auf einen Exportschlager für das Land.