Schleswig-Holstein. Wind und Wellen setzen Sylt zu – besonders die Südspitze ist gefährdet. Der Küstenschutz wirkt dem mit einer neuen Strategie entgegen.

Die Bewohner von Hörnum auf Sylt müssen sich keine großen Sorgen machen, wenn der nächste Sturm über ihre Häuser hinwegfegt. Denn auch in diesem Jahr wurde wieder jede Menge Sand aufgespült, um die Küste zu schützen. „Die Siedlung ist geschützt, das ist unser gesetzlicher Auftrag“, sagt Thomas Hirschhäuser vom Landesbetrieb für Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz Schleswig-Holstein (LKN.SH).

Hirschhäuser leitet den Geschäftsbereich 2 Gewässerkunde, Vorarbeiten Küstenschutz und weiß genauestens darüber Bescheid, was in dieser Saison geleistet wurde, um das südliche Ende der Insel Sylt, wo in Hörnum etwa 900 Menschen leben, aber auch die ganze Westküste dauerhaft vor dem Untergang zu retten. In diesem Jahr wurden 2,43 Millionen Tonen Sand aufgespült, davon allein in Hörnum 1,5 Millionen Kubikmeter. Die Haltbarkeit der Strandaufspülungen ist dort im Verhältnis zu den übrigen Bereichen gering.

Sylt: Hörnum Odde wird von der Nordsee weggespült

Seit 2012 wurden auf der gesamten Insel für insgesamt 73 Millionen Euro 14,7 Millionen Kubikmeter Sand aufgespült. Viel Geld, aber die auf Sylt erzielten Steuereinnahmen seien zigfach höher als die Kosten der Aufspülungen, rechnet das Landesamt vor. Nun blickt man nicht nur auf Sylt, sondern auch in der Küstenschutz-Behörde in Husum gespannt auf die kommenden Monate. Herbststürme ließen sich ja nicht so genau planen, sagt Hirschhäuser, „aber wir sorgen mit den Aufspülungen dafür, dass es einen gewissen Puffer gibt.“

Thomas Hirschhäuser leitet im Landesbetrieb für Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz Schleswig-Holstein (LKN.SH) den Geschäftsbereich 2 Gewässerkunde, Vorarbeiten Küstenschutz.
Sorgt auf Sylt für Küstenschutz: Thomas Hirschhäuser leitet im Landesbetrieb für Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz Schleswig-Holstein (LKN.SH) den Geschäftsbereich 2 Gewässerkunde, Vorarbeiten Küstenschutz. © LKN.SH | Unbekannt

Wer regelmäßig auf Sylt ist und am südlichen Inselende, an der Hörnum Odde, der Dünen- und Heidelandschaft, spazieren geht, stellt fest, dass die Odde über die Jahre immer kleiner geworden ist. Ende der 1960er-Jahre war am Südende ein sogenanntes Tetrapoden-Querbauwerk errichtet worden. Dadurch sei zwar die Düne vor Hörnum stabilisiert worden, aber dafür der südlich gelegene Bereich stärker erodiert, sagt Thomas Hirschhäuser.

Sylt wird seit fast 50 Jahren durch Sandaufspülungen geschützt

Deshalb habe man 2012 ein sogenanntes Längsbauwerk errichtet und dieses 2014 verlängert. Seinen Angaben zufolge verlagert sich die Odde im Südbereich um etwa 40 Meter pro Jahr. „Es findet eine Sedimentation im Osten statt, die gesamte Fläche wird allerdings geringer.“ Man begleite diese Entwicklung mit einem umfangreichen morphologischen Monitoring, so der Experte: „Wir schicken da Vermesser regelmäßig hin, vermessen auch aus der Luft und halten den Stand der Weiterentwicklung fest.“

Seit 1972, also seit fast 50 Jahren, wird Sylt durch Sandaufspülungen und -vorspülungen geschützt: Aufspülung bedeutet, dass Sand auf den trockenen Sand aufgebracht wird. Seit einigen Jahren wird laut Hirschhäuser auch Sand vorgespült: Dabei wird Sand im Wasserbereich eingebracht, um dort den Seegang zu reduzieren und damit die Erosion an den Dünen zu reduzieren. „Je flacher das Wasser umso niedriger sind die Wellen. Dieser Sand trägt dazu bei, dass die Wellen niedriger werden“, so Hirschhäuser. In diesem Jahr drei Kernbereiche bei den Sandaufspülungen: Hörnum, List und Westerland/Wenningstedt. Die größten Mengen wurden im Hörnumer Bereich auf- und vorgespült.

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6000 Tetrapoden im Süden von Sylt verbaut

Zusätzlich zum Sand wirkt sich nach Angaben von Hirschhäuser das Längsbauwerk aus Tetrapoden positiv für den Küstenschutz aus: „Seitdem wächst in diesem Bereich die Hörnum Odde auch wieder.“ Damit werde die Siedlung Hörnum geschützt. Vom Querbauwerk, das zurückgebaut wurde, sei nur noch ein kleiner Stummel da, der aber bleiben soll. Insgesamt sind laut Hirschhäuser 6000 Tetrapoden im Süden verbaut.

Ohne diese Küstenschutzmaßnahmen würde sich Sylt immer weiter nach Osten verlagern – im Westen würde die Küste im Mittel um einen Meter pro Jahr auf der ganzen Länge zurückgehen, im Bereich der Hörnum Odde sogar um drei, vier Meter, sagt der Bauingenieur. „Die Dünen würden sonst abbrechen. Die Steilküste würde immer weiter angenagt, irgendwann würden auch die Siedlungen, die teils recht nah an der Steilküste stehen, betroffen sein. Durch die Aufspülungen gelingt es, die Küstenlinie zu halten.“

Sylt wird kleiner: Die Strategie zum Sandaufschütten

Zu Beginn der Sandaufspülungen hatten die Küstenschützer noch eine andere Strategie. „Man hat sehr große Mengen eingebracht in größeren Abständen. Mittlerweile haben wir die Strategie so verändert, dass wir das jedes Jahr machen und dafür passgenauer. Wir kontrollieren jedes Jahr am Ende des Winters, wie die Situation aussieht, an welchen Stellen besonders viel Sand benötigt wird. Danach bestimmt sich, an welchen Stellen Sand gebraucht wird“, sagt Hirschhäuser.

Die neuralgischen Punkte auf Sylt sind das Süd- und das Nordende. „Spült man Sand in der Mitte im Bereich Westerland auf, wird dieser, sobald Wellen schräg auflaufen, entweder Richtung Süden oder Norden verlagert. Der Sand wird entlang der Insel transportiert und endet an den Inselenden. Da kommt von Norden oder Süden nichts mehr nach, deshalb sind die Inselenden am stärksten von der Erosion betroffen und daher spülen wir in Hörnum und List am meisten auf“, sagt Hirschhäuser.

Jede Sandinsel wird von Westen her „angeknabbert“

Vor Hörnum sorge zudem das Hörnum-Tief, der 30 Meter tiefe Priel zwischen Sylt und Amrum, mit seiner Strömung zu einem größeren Seegang. „Trischen verlagert sich so, wie sich auch Sylt verlagern würde, wenn man nichts machen würde. Da sieht man über die Jahrzehnte, dass die Enden kürzer werden und Nehrungshaken entstehen. So wäre auch die natürliche Entwicklung von Sylt.“

Im Vergleich: Die Hörnum Odde auf Sylt 1999 und 2015. Die Insel ist deutlich schmaler geworden.
Im Vergleich: Die Hörnum Odde auf Sylt 1999. © LKN.SH | Unbekannt
Und die Hörnum Odde 2015. Sylt ist deutlich schmaler geworden.
Und die Hörnum Odde 2015. Sylt ist deutlich schmaler geworden. © LKN.SH | Unbekannt

Ein modernes Phänomen sei das nicht, sagt der Experte: „Das gibt es seit Jahrhunderten, das ist eine natürliche Entwicklung, die jede Sandinsel im Wattenmeer hätte. Der Wind und damit die Wellen kommen vornehmlich aus westlicher Richtung und das führt dazu, dass immer an der westlichen Stelle der Sand angeknabbert wird.“ Man habe festgestellt, dass die effektivste Methode des Küstenschutzes das Aufspülen sei.

Das Wattenmeer vor Sylt hat Küstenschutzfunktion

„Selbst wenn Sand immer weiter nach Hörnum transportiert wird, wird er in das Wattenmeer, also das Hörnumbecken zwischen Sylt und Festland, transportiert und auch da können wir ihn gut gebrauchen, denn mit steigendem Meerespiegel wollen wir ja auch das Wattenmeer erhalten. Wir gehen von einem Meeresspiegelanstieg bis Ende des Jahrhunderts von 84 Zentimetern aus, da kann es natürlich gut sein, dass das Wattenmeer im wahrsten Sinne des Wortes ,ertrinkt, wenn kein Sediment nachkommt“, so Hirschhäuser.

„Wenn man, was niemand machen würde, die Küstenlinie auf Sylt beispielsweise mit konstruktiven Bauwerken schützen würde, dann käme kein Sand mehr nach.“ Das wäre fatal, denn das Wattenmeer erfülle eine hohe ökologische, aber auch eine Küstenschutzfunktion: je flacher das Wasser, umso niedriger die Wellen, das sei für die Deiche am Festland gut.

Dass die Hörnum Odde weiter angeknabbert wird, lässt sich laut Hirschhäuser kaum verhindern. „Die Odde schützen wir nicht extra, das ist nicht unser Auftrag, aber wir werden die Situation im Auge behalten.“ Auf die Frage, ob Hörnum irgendwann nicht mehr zu schützen sei, sagt er: „Wir gehen davon aus, dass dieser Zeitpunkt nie kommen wird. Mit steigendem Meeresspiegel kann es gut sein, dass auch die Sandaufspülmengen langfristig steigen werden. Dann wird der Seegang an der Küste stärker werden und es wird zu stärkerer Erosion kommen.“