Deutschlands Krimistädte profitieren vom Erfolg der Sendung und locken mit speziellen Touren zu den verschiedenen Drehorten
Sonntagabend ist „Tatort“-Zeit in Deutschland. Seit 1970 flimmert die Krimireihe in wechselnden Besetzungen über die Bildschirme, am Sonntag, 13. November, zum 1000. Mal. Der „Tatort“ ist aber nicht nur eine feste Institution im deutschen Fernsehen mit rund zehn Millionen Zuschauern pro Folge, sondern hat auch viel zur Bekanntheit seiner Drehorte beigetragen – vor allem, wenn die Kommissare Sympathieträger sind. Eine Tatsache, die sich die Tourismusorganisationen einiger Städte zunutze machen und ihren Gästen spezielle „Tatort“-Führungen und -Pakete anbieten.
Besonders aktiv ist Duisburg, die Heimat von Kult-Kommissar Horst Schimanski alias Götz George, der mit seinem Kollegen Christian Thanner alias Eberhard Feik von 1981 bis 1991 insgesamt 29 Fälle im Ruhrgebiet auf seine ganz besondere Art löste und immer noch das Ranking der Einschaltquoten anführt. Noch heute profitiert die Stadt von der besonderen Aura des Ermittlers und vermarktet ihn als Touristenattraktion mit einer nach ihm benannten Gasse und speziellen Führungen. „Mehr als 7000 Besucher haben seit 2012 daran teilgenommen“, berichtet Dagmar Dahmen vom Veranstalter DU Tours.
Zuschauer fragen nach der Sendung nach Info-Material
So erfahren sie beispielsweise, wo Schimmi seine erste Currywurst aß, besuchen seine Lieblingskneipe „Zum Anker“ und die Horst-Schimanski-Gasse und genießen Anekdoten von Statisten und Bürgern. Am 7. März 2017 eröffnet DU Tours im Hafenstadtteil Ruhrort, wenige Meter von der Gasse entfernt, zum fünfjährigen Jubiläum der „Schimmi-Tour“ den Laden DU Tours im Hafen als Start und Ziel der Rundgänge, mit Souvenirshop und kleinem Café, in dem auch Krimilesungen stattfinden sollen.
Auf Schimmis Spuren, zumindest was die Einschaltquoten betrifft, wandelt auch das Ermittlerduo Frank Thiel (Axel Prahl) und Professor Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers) aus Münster. „Nach jeder Sendung laufen unsere Telefone heiß und wir haben eine Menge Anfragen nach Buchungen und Info-Material“, berichtet Petra Panske von Münster Marketing. Besonders beliebt seien die Previews vor der offiziellen Ausstrahlung der Münster-Folgen, die je nach Jahreszeit im Kino oder im Schlosspark in Anwesenheit der Schauspieler stattfinden. Die Stadt hat einen Krimiführer herausgegeben, in dem die Schauplätze des heimischen „Tatorts“ enthalten sind. Außerdem haben die Veranstalter Stadtlupe, Stattreisen und k3 spezielle „Tatort“-Führungen aufgelegt, die laut Panske „sehr, sehr gut nachgefragt sind“.
Auch in anderen Städten können Besucher die Wirkungsstätten der Kommissare erkunden und zahlreiche Originalschauplätze und Drehorte besichtigen. Die Tour „Tatort – das Original“ vom Anbieter Unser Hamburg führt zu den wichtigsten Filmschauplätzen aus den bisher 70 Fällen der Hamburger Ermittler. Sie startet am Hauptbahnhof und stoppt am Rathaus, in St. Pauli und im berühmten Rotlichtviertel.
Im „Tatort Berlin“ besuchen die Teilnehmer die Einsatzgebiete der ehemaligen Kommissare Till Ritter (Dominic Raacke) und Felix Stark (Boris Aljinovic). Drehorte aus den Folgen der vergangenen Jahre und reale Schauplätze stehen im Mittelpunkt des Stadtspaziergangs. Daneben gibt es weitere Events für Krimifreunde wie eine Stadtrundfahrt zu Orten des Verbrechens mit Abschluss im Leichenschauhaus. „Den touristischen Einfluss des „Tatorts“ auf die Stadt können wir leider nicht herausfiltern“, erklärt Christian Tänzler, Pressesprecher von Berlin Tourismus. Berlin sei generell eine bekannte Filmkulisse und werde auch gern für internationale Produktionen genutzt. Die Erfahrung zeige aber, dass „Menschen, die die Stadt im Film gesehen haben, sie auch besuchen wollen“, weiß er. Zumal der „Tatort“ immer ein aktuelles Bild von Berlin wiedergebe. Kiel würdigt seinen Kommissar Klaus Borowski (Axel Milberg) mit einem Radtour-Guide, der einige Drehorte einbezieht. Die Tour startet am Hauptbahnhof, einer der Schauplätze in der Folge „Väter“. Dort können die Krimifans Fahrräder leihen und erhalten das Gratisfaltblatt mit Filmstationen, wie dem Schiller Café, in dem Borowski seine Blind Dates traf, dem Gelände des Internats „Louisenlund“ und dem Hafen.
Vom „Tatort“ zur Edelhure Rosemarie Nitribitt
Die Beliebtheit des „Tatorts“ hat sich auch Wiesbaden touristisch zunutze gemacht. „Die Stadt gewinnt durch den Film an zusätzlicher Wahrnehmung“, berichtet Martin Michel, Geschäftsführer von Wiesbaden Marketing. Seit der Ausstrahlung der jüngsten Folge, die in der Kurstadt gedreht wurde, hat das Unternehmen die „Filmstadt“ als touristisches Thema aufgebaut und eine Broschüre dazu aufgelegt.
Nicht alle „Tatort“-Städte verlassen sich auf die Anziehungskraft der Krimireihe. „Die Sendung hat keinen Einfluss auf den Tourismus in Bremen“, bestätigt Maike Lucas, von der Bremer Touristik Zentrale. Dennoch schließt sie nicht aus, dass es in Zukunft spezielle Touren geben könnte. Bisher arbeiten etliche Tourismusbüros, wie auch die Bremer, zwar mit dem Schlagwort „Tatort“ als Titel für ihre Rundgänge. Diese beschäftigen sich aber vor allem mit echten Kriminalfällen aus der Stadthistorie. So auch in München, Frankfurt und Köln. In der Bayernmetropole etwa können die Besucher realen Verbrechen wie den Mordfällen Walter Sedlmayr und Rudolf Moshammer nachspüren. Und bei einem Krimirundgang in Frankfurt erfahren die Teilnehmer Details über den ungeklärten Mord an der Edelhure Rosemarie Nitribitt aus dem Jahre 1957. Auch in Köln sucht man Krimitouren auf den Spuren der beliebten Kommissare Freddie Schenk und Max Ballauf (Dietmar Bär und Klaus J. Behrendt) vergeblich. Beliebt ist ein Besuch der „Wurstbraterei“, an der sich die beiden immer treffen, ihr echter Standort ist der Rheinauhafen. Dazu gibt es Filmführungen ohne Krimibezug.
Weniger aktive Fans, die sich auf das reine Zusehen des Kultkrimis beschränken möchten, können jeden Sonntag in mehr als 100 Städten gemütlich gemeinsam vor dem Bildschirm in den Mordfällen mitermitteln. Rund 300 Kneipen in ganz Deutschland sowie in Zürich und Wien bieten „Public Viewing“ an. Zu den Pionieren gehört die Berliner Volksbar gegenüber der Volksbühne. In Hamburg treffen sich die Zuschauer etwa im Laundrette in Ottensen, einer Mischung aus Café, Bar und Waschsalon. Und der Salon Fink, mitten im Kiezherzen von Dortmund, serviert zum Mordfall Blumenkohlauflauf.