Im Ushuaïa Beach Hotel feiern jeden Tag 5000 Menschen zu House- und Technomusik. Die besten Zimmer sind Teil der Tanzfläche – zum Ausruhen kommen die Gäste ohnehin nicht hierher
Wenn man schon im Landeanflug das Hotel sieht, ist das für die Unterkunft normalerweise kein gutes Zeichen. Beim Ushuaïa Beach Hotel ist das anders. Aber mit einem normalen Hotel hat die Anlage auf Ibiza ohnehin wenig zu tun.
Wer hier Urlaub macht, sucht keine Ruhe und kein Runterkommen. Wer Ushuaïa bucht, will durchdrehen, Party, Eskalation. Jeden Tag um Punkt 16 Uhr werden in dem Hotel an der Playa d’en Bossa die Boxen aufgedreht. Aber richtig. Der Bass ist der Herzschlag des Hotels, der Wecker, der auch die letzte Champagnerleiche aus den Laken reißt. Die Flugzeuge, die im Zehnminutentakt über den nagelneuen Hoteltower donnern, sind jetzt nicht mehr zu hören.
Rund 5000 Menschen sind es täglich, die auf dem Hotelgelände zu Elektro-, Techno- und House-Beats abfeiern. Externe zahlen je nach Event zwischen 35 und 75 Euro Eintritt. Hotelgäste haben Party inklusive. Die Balkone einiger Zimmer sind zur Tanzfläche und Showbühne gerichtet. Sie zählen zu den beliebtesten Zimmern des Hauses, weil man auf dem Balkon mitfeiern kann, wenn Top DJs wie David Guetta und Luciano die Menge durchdrehen lassen. Dazu gibt’s Entertainment durch Go-go-Girls und spektakuläre Lichtshows. Lauter, doller, teurer, Ushuaïa. Der Name hat sich auf Ibiza längst zu einer Marke etabliert, die für Superlative und Lifestyle steht. „The-daytime-party-hotel“ ist nur einer der vielen Werbesprüche, an denen kein Inselbesucher vorbeikommt. Das ist nicht jedermanns Sache – aber für jedermann ist das Hotel auch nicht gedacht.
Auch Leonardo DiCaprio sollhier abgestiegen sein
Wer zur Beautyful-People-Gesellschaft im Ushuaïa-Land gehören will, sollte nicht auf jeden Euro schauen müssen. Daraus wird hier kein Geheimnis gemacht. Im Gegenteil. Der Trend geht zu gut sichtbaren Statusbelegen wie Uhren, Silikonbrüsten, Austern und Champagner. Und weil die Marketing-Chefs des Hotels nur zu gut wissen, dass ihre Gäste wohl kaum mit einem Standard-Zimmer vorliebnehmen würden, haben sie die günstigste Kategorie einfach Superior genannt. Die kostet pro Nacht 195 Euro. Ohne Probleme kann man deutlich mehr ausgeben. In der „I’m Top of the World“-Suite zum Beispiel, die kostet ab 5000 Euro pro Nacht. Dass Leonardo DiCaprio hier kürzlich zum Partymachen abgestiegen sein soll, ist die wohl meisterzählte Geschichte im Ushuaïa-Hotel.
Wenn das Feiern etwas exklusiver sein soll, kann man eine sogenannte Partybox mieten, einen separaten Bereich im Erdgeschoss mit eigenem Zugang zum Dancefloor. Die Partyboxen, die rund 3000 Euro die Nacht kosten, sind fast täglich ausgebucht. VIP-Bereiche sind ohnehin so gefragt, dass es davon fast mehr gibt als normale Bereiche.
Auch ohne Partybox kann man auf einer Ushuaïa-Party viel Geld loswerden. Cuba Libre und Gin Tonic kosten je rund 15 Euro. Wer Champagner bestellt, spricht nicht über den Preis. Gegen den Durst einen Schluck Leitungswasser auf der Toilette zu trinken fällt übrigens aus: Dort gibt’s nur Salzwasser.
Wenn einem etwas aus der Hand fällt, ist das Personal stets schneller, es aufzuheben. Kein Wunder – laut einem Hotelmitarbeiter gibt es ungefähr doppelt so viel Personal wie Gäste. Von Letzteren ist bis in die Mittagsstunden jedoch nichts zu sehen. Weil die meisten nach der Hotelparty, die um 24 Uhr endet, noch weiterziehen, beginnt für sie der Tag etwas später. Erst ab dem frühen Nachmittag rekeln sie sich auf den Liegen am Pool wach, während am Beckenrand Ushuaïa-Mitarbeiter im Meerjungfrauenkostüm posieren. Der Weg zum Pool ist Laufsteg, der Bereich um den Pool die Bühne – nur den Pool selbst bräuchte eigentlich niemand. Bahnenschwimmen scheint jedenfalls nicht angesagt.
Würde sich der Erfinder Ushuaïas unter die Gäste mischen, fiele er auf. Yann Pissenem, ein schlaksiger Typ, trägt Jeans und T-Shirt. Alkohol trinkt der 39-Jährige seit Jahren nicht mehr. Mit seinem Konzept, das er als Disneyland für Erwachsene bezeichnet, ist er reich geworden. Angefangen hat alles vor sechs Jahren, als der Franzose eine kleine Beach Bar an der Playa d’en Bossa eröffnete. Party-Urlauber mochten die Mischung aus stylisher Bar und hippen Elektrosounds. Bald kamen bekannte DJs, um im Ushuaïa aufzulegen. Und DJs sind die wichtigste Währung, wenn man es auf Ibiza zu etwas bringen will. Pissenems Erfolg rief Investoren auf den Plan und die Palladium-Hotel-Gruppe, zu der der Ushuaïa heute gehört. Vor zwei Jahren eröffnete das Hotel, in diesem Frühjahr wurde mit dem Ushuaïa-Tower die Erweiterung gefeiert. Und das soll es längst nicht gewesen sein: Pissenem denkt über Dubai und Kiew als weitere Standorte nach. Vielleicht auch Russland – von dort kommen seine besten Kunden. Auch Australier checken gern im Ushuaïa ein, Amerikaner, Schweizer und Deutsche.
Zum Konzept gehört auch ein 24-Stunden-Service. Um 3.30 Uhr für die zweite Partyrunde das Make-up auffrischen lassen? Eine neue Frisur? Kein Problem. Nur einen Babysitter-Service gibt es nicht. Im Disneyland für Erwachsene haben Kinder keinen Zutritt.