Günstige Seereisen ab Florida locken viele deutsche Urlauber. Doch wer sich nicht auskennt, bekommt Dauerparty statt Erholung.
Die Polonaise ist der Gipfel des kollektiven Partyrauschs: vier hübsche Tänzerinnen voraus, die schon reichlich angesäuselte Masse hinterher. Das halb leere Pina-Colada-Glas kommt mit auf den Schunkelmarsch rund um den Pool des Kreuzfahrtschiffs. Nur die sieben Studenten, jeder mit einer Dose Budweiser-Bier in der Hand, bleiben faul im Whirlpool sitzen.
Wer den Reiseprospekt der Kreuzfahrtgesellschaft gelesen hat, reibt sich spätestens jetzt verwundert die Augen: Eigentlich ist da die Rede von einem "mondänen und doch entspannten Ambiente", von Kreuzfahrten "für anspruchsvolle Trendsetter mit eleganten Restaurants für Feinschmecker".
Eigentlich. Denn auf Kurzkreuzfahrten vom südlichen Florida in die Karibik oder zu den Bahamas ist vieles anders. Da wird die gediegene Kreuzfahrt eines Edelschiffs schon mal zur fröhlichen Party, und in den noblen Läden an Bord gibt es Schlussverkauf mit Shopping-Animateuren.
Deutsche Florida-Urlauber buchen diese Vier- oder Fünf-Tage-Kreuzfahrten ab Miami oder Fort Lauderdale gern - meist ohne vorher zu wissen, worauf sie sich einlassen. Bei einem Urlaub in Südflorida drängt es sich geradezu auf, für wenig Geld eine Kreuzfahrt auszuprobieren. Schnupper-Kreuzfahrt nennen Reisebüros das. Miami-Cozumel-Miami in vier Tagen kostet ab 200 Euro pro Person - weniger als ein vergleichbares Hotel an Land.
Doch wer zum ersten Mal eine Seereise bucht, der bekommt auf so einer Kurzkreuzfahrt einen verzerrten Eindruck. Je kürzer und billiger, desto weniger Kreuzfahrterlebnis ist zu erwarten. Profis buchen bei kurzen Trips ab Miami oder Fort Lauderdale daher mindestens eine Kategorie höher als gewöhnlich. Statt Mittelklasse bietet sich ein Schiff der gehobenen Mittel- oder der unteren Premiumklasse an. Wenn im Prospekt die Rede von Partystimmung ist, dann ist die sicher besonders ausgeprägt. Preist der Prospekt ein elegantes und gediegenes Ambiente an, fällt die Poolparty gemäßigter aus.
Erfahrene Kreuzfahrer suchen sich ihre Lieblingsschiffe aus, machen eine Kreuzfahrt zum günstigen Preis oder gönnen sich den Luxus einer Suite. Denn Essen und Service an Bord sind bei den großen Reedereien flottenweit immer gleich gut. Und auch auf voll besetzten Party-Kreuzfahrtschiffen finden sich ruhige Ecken mit traumhaftem Meerblick, weitab des Trubels. Dort trifft man dann auch den einen oder anderen Partyflüchtling.
Die "Majesty of the Seas", ein Klassiker von Royal Caribbean, fährt eine vergleichsweise attraktive Route von Miami aus nach Key West, Nassau (Bahamas) und zur Privatinsel Coco Cay; sie bietet für ruheliebende Passagiere viele Rückzugsbereiche. Auf abseits gelegenen Sonnendecks herrscht ebenso Ruhe wie in der Viking Crown Lounge - einer Bar am obersten Deck. Auch das Mittagessen im "Compass Deli"-Restaurant auf Deck 12 ist ein Geheimtipp. Vor allem in den ersten Tagen findet man dort nur ein paar Schiffsoffiziere, die sich eine kleine Pause gönnen.
Insgesamt vier amerikanische Gesellschaften bieten Karibik-Kurzkreuzfahrten an: Royal Caribbean mit je einem Schiff von Miami, Fort Lauderdale, Port Canaveral (Orlando) und Tampa aus, Carnival mit derzeit acht Schiffen in zahlreichen Häfen Floridas, Alabamas und Texas', Norwegian Cruise Line mit der "Norwegian Sky" und Celebrity Cruises mit der "Celebrity Century" ab Miami. Letztere dürfte Kreuzfahrtgästen vertraut sein - ein baugleiches Schiff fährt bei TUI Cruises unter dem Namen "Mein Schiff 1". Die "Celebrity Century" ist derzeit auch das Schiff mit dem höchsten Niveau unter den Kurzkreuzfahrern.