Die Hauptstadt des Libanon meldet sich wieder auf der Weltbühne zurück - als angesagte Partymetropole.

Nix Bürgerkrieg - das ganz normale Leben: Sonnabendmorgen im Souk al-Tayeb, auf dem Biomarkt von Beirut im Saifi Village, steht Chérine mit sexy schwarzen Leggings, die Sonnenbrille cool ins rote Haar gezogen, zwischen aufgetürmten Tomatenbergen und einer Frau mit bunten Tuch um den Kopf. Die wendet gerade einen Teigfladen auf dem heißen Blech. Der aufsteigende Rauch duftet etwas angebrannt. Die "libanesische Pizza" ist fertig, eine Kreuzung zwischen Ost und West - und so köstlich, dass die Marktbesucher vor der mobilen Bäckerei Schlange stehen.

Schon seit acht Uhr steht auch Chérine unter dem weißen Schirm auf dem Marktplatz, und auch sie bietet "heiße Ware" an: Ihr Kochbuch über die libanesische Küche. Very hip! Die Beiruter Journalistin, während des Bürgerkriegs ins Pariser Exil geflohen, ist wieder zurückgekehrt in das Land ihrer Jugend, zusammen mit französischem Ehemann und ihren beiden Kindern. "Was soll ich denn jetzt noch in Paris? Hier tobt das Leben!" Und sie zeigt mit der Hand Richtung Meer zum Stadtteil Gemmayze.

Ein Tanz auf dem Vulkan. Der beginnt mit einem Autokorso, der sich Abend für Abend die Rue Gouraud entlangzieht. Auf dem Bürgersteig: ein Schaulauf der Schicken und Schönen. Restaurants, vor denen Gäste Schlange stehen. Pubs, aus denen Livemusik auf die Straße dringt. Bars, aus denen Partygänger quellen. Das Viertel Gemmayze ist schwer angesagt, seitdem die Hisbollah eine Bombe hochgehen ließ in dem ehemaligen Szenequartier Mono, im Süden der Stadt.

Der Fahrstuhl öffnet sich, und man steht im Dunkeln. Im "Noir", einem schwarz schimmernden Klub, tanzen leicht bekleidete Mädels zu schweren Beats. Der Türsteher hat peinlich genau darauf geachtet, wen er da reinlässt. Es sind vornehmlich Gäste, die nach Geld riechen. Und davon gibt es reichlich in town: Kaum eine andere Stadt dieser Welt, in der mehr Maseratis, Ferraris und Porsches die Straßen verstopfen.

"In Beirut können die schwerreichen Saudis die 'Sau rauslassen'", weiß ein geübter Beiruter Partygänger. "Islamische Tradition und Moral streifen sie an der Landesgrenze wie einen zu engen Mantel ab." Islamische Homosexuelle? Hier kann man sie feiern sehen! Libanesen stört das wenig. Bei 17 verschiedenen Religionen auf engem Raum ist Toleranz angesagt. Und seitdem CNN Beirut zur "besten Partystadt der Welt" ernannte, hat sich die sinnesfreudige Feierlaune auch in der christlichen Welt herumgesprochen: Ganz Europa, Amerika, sogar Australien tanzt hier durch die Nacht. Zwei Millionen Touristen wurden in der einst vom Bürgerkrieg verwüsteten Metropole im vergangenen Jahr gezählt!

Die hellwache, bildhübsche Concierge im neu eröffneten "Four Seasons Hotel", direkt an der Corniche, gegenüber dem noblen Yachthafen Saint George, öffnet dazu jede Tür. Sie schwärmt vom "White", dem Nachtklub, der auf dem Dach eines Zeitungsverlages schwebt, vom unterirdisch gelegenen "B 018", dessen Dach sich öffnet, wenn der "Kessel" darunter brodelt. Früher saßen hier bis zu 20 000 Flüchtlinge aus dem ganzen Mittleren Osten in Quarantäne. Heute ist aus der Location ein Vorzeigestück in Sachen moderne Architektur und Design geworden. Das kommt gut an beim jungen, internationalen Publikum, das das Mobiliar witzig findet, obwohl (oder weil?) es an aufgeklappte Särge erinnert. Dabei verübten genau an diesem Ort christliche Milizen während des Bürgerkrieges ein Massaker an palästinensischen Zivilisten.

Die Concierge des Nobelhotels schickt ihre Gäste in die "Bar Louie", wo Nacht für Nacht Livemusik den Raum zum Beben bringt oder ins "Casino", wo vornehmlich Araber auf den Tischen tanzen. Im nächsten Sommer wird sie ihnen einfach den Weg nach oben weisen: Im 26. Stockwerk, hoch über der Stadt, tanzt dann das kosmopolitische Beirut in der Rooftop Pool Bar "Club 26"- wenn nicht wieder Raketen oder Bomben den Traum zerstören.

Im Le Gray, der neuesten Bühne des britischen Hoteliers Gordon Champell Gray - ein schickes Designhotel am Platz der Märtyrer, dort, wo früher das Hauptquartier der Hisbollah lag -, reibt sich am späten Vormittag das Partyvolk den Schlaf aus den Augen. Die Dachterrasse mit gläsernem Pool, auf dem das späte Frühstück serviert wird, legt den Gästen die Stadt zu Füßen. Man sieht das Mittelmeer im Sonnenlicht schimmern, die nahen Berge unter Schnee weiß funkeln und rundherum die Baulust Beiruts. Eine Stadt zwischen Asche und Aufstieg.

Vornehmlich die Saudis stecken viel Geld in den Neuaufbau der durch den Bürgerkrieg zerstörten Viertel; Baukräne strecken sich zur Sonne. Neben Schutthaufen und Lücken im Häusermeer, ausgebrannten Hochhaustürmen und schwarz verkohlten Eingängen wachsen supermoderne Apartment- und Büroanlagen in den Himmel. Quadratmeterpreise ab 10 000 Dollar! Und auch die alten Souks haben Platz gemacht - für eine edle Shoppingmall. Chanel und Louis Vuitton neben italienischen Straßencafés und libanesischen Spezialitäten-Restaurants - rund um den Place de l'Étoile ist Downtown Beirut originalgetreu aus Ruinen auferstanden. Das ehemalige "Paris des Orients" will an die alten, glamourreichen Zeiten anknüpfen. Und das gelingt! Die Zwei-Millionen-Metropole ist schon längst wieder der "Place to be". Und schriller denn je zuvor!