Fahrräder mit Hilfsmotor sind groß im Kommen - denn damit kommen Urlauber auch bergauf nicht aus der Puste
Es klingt wie Zauberei: Der Wind kommt von vorn, die Steigung ist kräftig, und das Treten trotzdem nicht schweißtreibend. Doch es ist nur Technik, und zwar eine, die immer mehr Verbreitung findet: Radurlauber zwischen Ostsee und Alpen setzen zunehmend auf die unauffällige Hilfe von Elektromotoren. E-Bikes heißen die Räder, die "Rückenwind aus der Steckdose" versprechen. Verleihstationen gibt es bereits in vielen Regionen - praktisch überall dort, wo Radfahren angesagt ist.
Die deutsche Fahrradbranche erhofft sich von den E-Bikes viel, der Boom lässt die Umsätze wachsen. 150 000 Räder wurden 2009 verkauft, ein Plus von 36 Prozent, auch wenn der Marktanteil noch einstellig ist. Gerade da, wohin es Radler in den Urlaub zieht, sind die E-Bikes oft zu sehen. Im Allgäu zum Beispiel, wo die nahen Alpen manche Steigung unumgänglich machen, gibt es ein ausgebautes Netz mit Leihfahrrädern: Fast 200 E-Bikes stehen nach Angaben von Bayern Tourismus zwischen Bodensee, Füssen, Oberstdorf und Bad Wörishofen zur Verfügung. Auch in Oberbayern, im Berchtesgadener Land und im Starnberger Fünf-Seen-Land sind sie problemlos im Verleih zu haben, ebenso jenseits der Grenze in der Region Kitzbüheler Alpen.
Andere Tourismusregionen wie Franken bauen derzeit ein Netz an Verleihstationen auf. Die Vorteile der Räder, bei denen sich mit einem Griff an den Lenker der Elektromotor zuschalten lässt, liegen auf der Hand: "Wir haben bei uns einige Mittelgebirgslandschaften. Da machen E-Bikes das Fahren schon einfacher", sagt Nathalie Hartenstein von Rheinland-Pfalz Tourismus in Koblenz. Leihen können sich Urlauber die Räder mit Motor zum Beispiel bei regionalen Tourismusverbänden, Hotels oder bei Fahrradhändlern. "Man kann damit deutlich mehr an Weg schaffen", sagt Hartenstein. Und es ermöglicht auch denjenigen, die gern mit einer Gruppe radeln würden, sich das mit einem klassischen Rad aber nicht zutrauen, in den Sattel zu steigen. Das gebe es oft bei Paaren, sagt Hartenstein: Beide würden gerne Radurlaub machen, der eine ist aber nicht sicher, ob das für ihn nicht zu anstrengend wird. Dann kann das E-Bike die Lösung sein. Besonders einleuchtend ist das dort, wo die Steigungen etwas heftiger sind - in der Eifel zum Beispiel. Sebastian Lindt von der Rursee Touristik in Simmerath hat ein E-Bike-Konzept für die Eifelregion angestoßen. Rund 25 Stationen zum Ausleihen und/oder Akku-Aufladen gibt es inzwischen, rund 150 Räder stehen zur Verfügung. Allesamt sind es "Pedelecs", wie die Abkürzung für "Pedal Electric Cycle" lautet. Bei diesen E-Bikes strampelt der Radler selbst und bekommt vom Motor nur Unterstützung - wie viel, das kann eingestellt werden. "Bei flacher Strecke reichen zusätzliche 50 Prozent der eigenen Trittkraft." Vor allem ältere Radfans und Familien gehören zur Zielgruppe. Die Räder haben sich im Design aber so verändert, dass auch Jüngere nicht gleich abwinken: "Es gibt Touren- und Mountainbikes, bei denen man gar nicht sieht, dass die eine Batterie haben", sagt Lindt. Oft leihen sich Wanderurlauber die "Pedelecs" für einen Tag - und kommen auf den Geschmack.
Aber es gibt auch Probleme: "Die Hersteller haben verschiedene Akkus, die nicht an allen Stationen aufgeladen werden können", sagt Hartenstein. Für die Tourenplanung heißt das: Immer erst gucken, wo der Akku Saft bekommt.
Radfahren mit zusätzlichem Anschwung ist auch in Thüringen möglich. Verleihstationen gibt es zum Beispiel am Imradwanderweg, am Geratalradweg und am Saale-Radwanderweg. "Die Region ist ja recht bergig", erklärt Anja Neumann von Thüringen Tourismus in Erfurt. Zwölf Verleihstationen gibt es rund um die Saaletalsperren, an denen auch leere Akku gegen volle getauscht werden können.
In Norddeutschland sind die Räder mit Hilfsmotor ebenfalls angekommen - von Schleswig-Holstein bis Mecklenburg-Vorpommern. Auf Rügen gibt es ein flächendeckendes Netz an Verleih- und Akkuwechselstationen der Firma Movelo. Das Unternehmen in Bad Reichenhall organisiert für Tourismusregionen den Verleih von rund 2500 Elektrofahrrädern. Betrieben werden rund 400 Verleihstationen in Deutschland, Österreich, Italien und Spanien.
Selbst im Flachland sind Räder mit Hilfsmotor gefragt - im Ammerland zum Beispiel. In der Region in Nordwest-Niedersachsen sind zwar kaum Steigungen zu befürchten. "Aber bei uns weht schon mal eine steife Brise", erklärt Frank Bullerdiek von Ammerland Touristik. "Die ersten E-Bikes hatten wir 2009 im Verleih."
Die Leihgebühren liegen zwischen 50 und 72 Euro pro Woche beziehungsweise 12 bis 18 Euro pro Tag. "Gerade bei der ,Generation 60+' ist das E-Bike ein Thema", sagt Bullerdiek. "Die Tour von Westerstede nach Dangast und zurück zum Beispiel ist 70 Kilometer lang. Für manche Ältere ist das zu viel." Mit dem E-Bike seien auch größere Touren wieder möglich. Ammerland Tourismus plant, noch in diesem Jahr 20 neue Radrouten auszuschildern Dass die Zahl der E-Biker steigt, ist für Bullerdiek so gut wie sicher.