Durch Regenwald und Mondlandschaften führen die Routen auf Afrikas höchsten Berg. Hochalpine Kletterpraxis ist nicht nötig, um ihn zu besteigen.
Moshi. Majestätisch erhebt sich der Kilimandscharo über die Savanne Tansanias. Durch Regenwald und Mondlandschaften führen Trekkingrouten auf Afrikas höchsten Berg. Hochalpine Kletterpraxis ist nicht nötig, um ihn zu besteigen, und deshalb kraxeln rund 30.000 Touristen jährlich auf ihm herum. Doch nicht alle erreichen das Ziel. Im „Springland Hotel“ in Moshi, am Fuße des Kilimandscharos, merkt man schnell, wer es nicht geschafft hat, wer oben war und wer noch hoch will. Im Innenhof sitzen die Gäste und trinken Bier. Die einen erzählen mit einem Lächeln vom sechstägigen Kampf gegen Hitze, Kälte und vor allem den inneren Schweinehund. „Trotz der Strapazen hat es sich gelohnt“, sagt der Brite Ian Richardson. Gehen kann er kaum noch. Andere erzählen von Blasen und Kopfschmerzen – sie haben es meist nicht geschafft. Der Rest, der noch nach oben möchte, hört den Anderen mit einer Mischung aus Bewunderung, Sorge und Aufregung zu. Am Morgen darauf schlägt die Aufregung rasch in Selbstzweifel um. „Da soll ich hoch?“, fragt sich Emanuel Heitz.
Der 20-Jährige aus Basel hat sich lange auf die Tour vorbereitet, aber jetzt kommen auch ihm Bedenken. Mit 5895 Metern über dem Meeresspiegel gehört der Kilimandscharo zwar nicht zu den höchsten Bergen der Welt. Vom Bus aus wirkt er aber wie zwei Mount Everests übereinander. Der im Südwesten des Berges beginnende Machame-Trail gehört zu den schönsten Aufstiegen. Die sechstägige Route ist jedoch steiler und damit anstrengender als die populäre Marangu-Route, die einzige Strecke mit festen Unterkünften und Softdrink-Verkauf, weshalb sie auch „Coca-Cola-Route“ genannt wird. Eine noch anspruchsvollere Route ist die Umbwe Route und eine besonders reizvolle der Lemosho-Trail: Er beginnt in einem Wald mit Elefanten und Büffeln, weshalb die Wanderer am ersten Tag von einem bewaffneten Ranger begleitet werden.
Auf dem Machame-Trail geht es zunächst stundenlang über matschige Regenwaldpfade. Nur die schwer bepackten Träger kommen noch voller Energie am 3000 Meter hoch gelegenen „Machame Camp“ an. Als die Jungs aus Moshi neben Zelten und Nahrungsmitteln auch die Rucksäcke der Touristen auf ihre Rücken luden, fühlten sich alle ein wenig schlecht. Nun sind die Trekker in grenzenlose Dankbarkeit verfallen. Am Morgen setzt die aufgehende Sonne den Kibo-Gipfel in Szene: Die Lust, dort oben anzukommen, treibt die Gruppe an. Langsam macht der Regenwald einer Heide- und Mooslandschaft Platz, der Trail wird immer steiniger. Die Nacht im 3800 Meter hohen „Shira Camp“ verlangt bereits ihre ersten Opfer: Ein Pärchen aus den USA macht kehrt. Rund ein Drittel aller „Kili“-Wanderer verzichtet nach ein paar Tagen auf den Gipfelsturm. Vom Rest schaffen es rund 80 Prozent ganz nach oben.
An den Aufstiegstagen drei und vier geht es über das „Barranco Camp“ zum „Karanga Camp“. Der Tag darauf wird hart. „Heute ist wirklich „pole, pole“ angesagt. Sonst schaffen wir es nicht“, warnt Bergführer Ambrose. „Pole, Pole“ heißt „langsam, langsam“ und ist in Tansania nicht nur das Lebensmotto, sondern auch das Erfolgsrezept für die Besteigung. Steil und kräfteraubend ist der Pfad zum 4600 Meter hohen „Barafu-Camp“. Malte Zapel und Susanne Alisch setzen langsam einen Fuß vor den anderen. Die Lehrer aus Kiel sind die Lemosho-Route gegangen, die hier mit dem Machame-Trail zusammenläuft. „Der bisherige Weg war wunderschön, aber auch anstrengend. Außerdem hätte ich niemals gedacht, dass man so am Äquator frieren kann“, sagt Malte. Er ist einer der wenigen, die Luft zum Reden haben. Außer dem Wind und dem fast schon erniedrigend fröhlichen „Jambo“ („Hallo“) der vorbeitänzelnden Träger ist nichts zu hören. In der letzten Nacht vor dem Gipfel weckt Ambrose die Gruppe um
23.30 Uhr mit heißem Tee. Man geht so früh los, um den Sonnenaufgang von Afrikas höchstem Punkt zu sehen. Doch der Zeitpunkt ist auch psychologisch wichtig, weil die Wanderer so den steilen Hang kaum sehen und nicht entmutigt werden. Die Füße fühlen sich an wie aus Blei. Ab 3 Uhr ist die Kälte mit minus 25 Grad fast unerträglich. Immer mehr Wanderer geben auf oder fallen zurück. Alle fragen sich nun, warum sie diesen Stress auf sich genommen haben, und obwohl nicht ganz klar ist, was genau der Name Kilimandscharo auf Suaheli bedeutet, neigen sie nun zur Übersetzung „Berg des bösen Geistes“. Mittlerweile führt der dunkle Weg durch spitz gezackte Eisfelder. Mit den letzten Kräften erreicht die Gruppe den höchsten Punkt des Vulkankraters, den Uhuru Peak. Die ersten Menschen, die hier ankamen, waren 1889 der Forscher Hans Meyer aus Leipzig und der Bergführer Ludwig Purtscheller aus Österreich. Damals hieß Tansania noch Deutsch-Ostafrika, der „Kili“ gehörte damit zum Deutschen Reich. So tauften sie den Uhuru Peak ganz ungeniert „Kaiser-Wilhelm-Spitze“.
Erschöpft fallen sich Malte und Susanne in die Arme. Sie gehören zu den Ersten, die an diesem Morgen die Sonne in Afrika sehen. Ein Meer aus Wolken liegt unter ihnen. Es ist kaum zu glauben, dass sich darunter die Savanne mit Elefanten, Löwen und Giraffen ausbreitet. Und am Abend darauf sitzen die Gipfelstürmer nach der ersten Dusche dann alle im „Springland Hotel“ und erzählen stolz von ihren Abenteuern, während die Neuankömmlinge sie mit besorgten Gesichtern bewundern. Doch die einzigen wirklichen Helden waren die Träger!
Informationen: Botschaft von Tansania, Eschenallee 11, 14050 Berlin, Tel. 030/303 08 00, Internet: www.tanzania-gov.de