Wie jeder aus leidvoller Erfahrung weiß, haben Flugreisen scheinbar ihre eigenen Gesetze. Dazu gehört das Massenphänomen der Tomatensafttrinker. Zu den ungeschriebenen Gesetzen der Luftfahrt gehört aber auch, dass einem bei der Sitzplatzlotterie am Check-in Glücksgöttin Fortuna nur höchst selten richtig gut gesonnen ist. Wie sonst ließe sich erklären, dass einem bei dem zwölfstündigen Langstreckenflug wahlweise ein übel nach Schweiß duftender Nebenmann oder eine Labertasche, die zwölf Stunden am Stück redet, zugelost wird?
Ein ebenso ungeschriebenes Gesetz ist, dass der Passagier an Bord auf keinen Fall zu viele Entfaltungsmöglichkeiten genießen darf. Daher ist der Flieger so eng bestuhlt, dass noch nicht einmal ein Zwergkaninchen genügend Beinfreiheit hätte. Während die Airlines schon aus Profitgründen gar nicht erst daran denken, den Sitzabstand zu vergrößern, bemüht sich KLM nun zumindest, das Problem mit dem unliebsamen Sitznachbarn anzugehen. Unter dem Namen "Meet & Seat" bietet die Fluggesellschaft in ihren Langstreckenfliegern nun einen neuen Service an, bei dem Reisende über ihr Facebook-Profil ihre Vorlieben und Abneigungen angeben und sich so einen passenden Sitznachbarn aus der gleichen Neigungsgruppe wählen können. 90 Tage bis 48 Stunden vor Abflug steht den Fluggästen die Möglichkeit des sogenannten Social Seatings zur Verfügung.
Diese Revolution am Himmel könnte jedoch auch dazu führen, dass Flieger künftig sitzplatztechnisch komplett neu sortiert abheben. Ruhesuchende werden sich zusammen mit anderen potenziellen Schnarchnasen in den hinteren Bereich des Flugzeugs zurückziehen. Direkt davor konzentrieren sich die Leseratten auf ein paar Reihen. In unmittelbarer Nachbarschaft versammelt sich die Hoch-die-Tassen-Fraktion. Scherzbolde und Spaßmacher treffen sich zum kollektiven Schenkelklopfen in den Reihen 22 bis 27, während sich die Stammtischphilosophen in den Reihen 32 bis 38 über Politik, Fußball und das Leben im Allgemeinen austauschen. Zum Ball der einsamen Herzen avancieren dann die Sitzplätze am Gang in den Reihen 11 bis 19. Dort können Flugreisende sich in zwangloser Atmosphäre kennenlernen und ähnlich wie beim Speed-Dating immer dann, wenn der nächste Breiten- oder Längengrad überflogen ist, den Sitzplatz mit einem anderen Liebeshungrigen teilen.
Übrigens, einen ganz anderen Weg schlagen die KLM-Konkurrenten Air New Zealand und Billigflieger AirAsia X ein. Dort kann man den Nachbarverzicht buchen. Gegen eine Gebühr von maximal 60 US-Dollar bleibt der Sitzplatz nebenan frei. Allerdings ohne Garantie. Falls der Flieger doch ausgebucht ist und man einen mehr oder weniger grausamen Nachbarn zugewiesen bekommt, wird der Betrag zurückerstattet.