Ist Urlaub in Griechenland derzeit eine gute Idee? Und ob - jetzt erst recht! Denn in diesem Jahr ist es billiger, nicht so voll, und der Service ist besser denn je.
Heraklion. „Special offer“ – das Schild hängt in Chersonissos auf Kreta überall. Am Hotel, dem Autoverleih, dem Souvenirshop, an der Speisekarte des Restaurants. Zimmer, Mietwagen, Schiffsausflüge, eine Runde Wasserski, Luftmatratzen, Strandliegen, Ledertaschen, Calamaris, Bier, eine Flasche Ouzo oder Olivenöl, alles wird zum Sonderpreis geboten. Das zeigt: In Griechenland ist Schnäppchensaison. Nicht nur die Reiseveranstalter haben die Preise gesenkt. Auch Händler und Hoteliers geben Rabatte. Und sie bemühen sich mehr denn je um das Wohl der Urlauber.
Denn sie wissen, dass die Bilder von Protesten aus Athen viele abgeschreckt haben. Und dass sie einiges tun müssen, um den ramponierten Ruf des Urlaubslandes wieder aufzupolieren. Wer sich von den Nachrichten über die Eurokrise von einer Reise dorthin abhalten lässt, ist daher schön dumm. Denn er verpasst etwas: Es ist billiger, weniger voll, und der Service ist besser denn je.
„Die geben sich jetzt noch mehr Mühe“, sagt Andrea Lentge aus Hamburg, die gerade ihren letzten Urlaubstag am Pool vom „Creta Maris“ in Chersonissos verbringt. Sie hat sich fast ein wenig gewundert über die Behandlung im Hotel. „Wir haben erst drei Wochen vorher gebucht und noch einen Frühbucherrabatt bekommen. Und dann haben die sich heute Morgen an der Rezeption sogar nochmal ganz herzlich bei uns bedankt, dass wir diese Saison gekommen sind.“
Dabei ist es kein Wunder, dass die Griechen eine Charme-Offensive gestartet haben: Denn die deutschen Urlauber bleiben momentan aus - die Buchungen sind deutlich eingebrochen. Das merken auch die Gäste auf Kreta: „Wir hatten das Gefühl, dass wir die einzigen Deutschen im Hotel sind“, erzählt Andrea Hielscher aus Offenburg. Hoteliers wie Nikos Vlassiadis haben darauf reagiert. „Wir wissen, dass Griechenland durch die Proteste ein schlechtes Image bekommen hat. Und wir tun alles, um dieses Image wieder zu verbessern.“
Als die ersten Urlauber Anfang April vor dem Hotel aus dem Bus stiegen, wurden sie von einem Empfangskomitee mit Tänzern, Musikern und Animateuren begrüßt. Zu Ostern wurden abends zehn Lämmer am Spieß gegrillt. Alles, um den Gästen etwas Besonderes zu bieten. Und natürlich bieten auch sie täglich Sonderrabatte – ein Standardzimmer in dem Vier-Sterne-Hotel zum Beispiel für 119 statt 188 Euro, das sind fast 37 Prozent weniger. Und seit diesem Jahr sind alle Preise „all inclusive“.
Der Erfolg solcher Aktionen lässt aber noch auf sich warten. Denn eines fällt sofort auf, wenn man sich auf Kreta umschaut: Es ist insgesamt wenig los. Für Touristen hat das aber auch eine gute Seite: Sie werden zum Beispiel im Restaurant flott bedient. Etwa im „Acropolis“, das der 70 Jahre alte Wirt Marinos betreibt. Alle zehn Minuten fragt ein Kellner, ob alles in Ordnung ist, und ein kleiner Wink genügt, um das nächste Getränk zu ordern. Das ist keine große Kunst – schließlich ist es nicht mal zu einem Drittel voll.
Und natürlich gibt es auch hier ein Sonderangebot, für das Marinos Rabattcoupons verteilt: Wer einen davon mitbringt, bekommt eine Flasche Wein gratis zum Essen. Die Coupons hat Marinos extra auf Deutsch drucken lassen. Das ist gut gemeint, wirkt aber schon fast kurios – ebenso wie das Zimmermädchen im Ferienappartement, das nicht nur die Betten macht, sondern auch das schmutzige Geschirr abwäscht und ein achtlos liegengelassenes T-Shirt zur Muschel faltet.
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Das Beste aber ist: Es gibt keine überfüllten Strände. Malia etwa, ein paar Buchten weiter von Chersonissos aus, ist normalerweise ein gut besuchter Urlaubsort. Jetzt reihen sich auf dem feinen Sand gelbe, grüne und blaue Liegen und Schirme fein säuberlich aneinander, die meisten davon sind an diesem Tag reine Dekoration. Ein Traum, dürften sich Urlauber sagen, die nicht unbedingt auf Rummel stehen: So viel Platz hatten sie hier lange nicht.
Gut, wer wegen der Bars und Clubs gekommen ist, die sich an den Strandpromenaden von Orten wie Chersonissos und Malia entlangziehen, wird vielleicht enttäuscht sein. Im Strandclub „Pleasure Beach“ etwa hatte man offenbar mehr Leute erwartet. „Every day it’s a party“ verheißt ein Plakat. Danach sieht es hier heute nicht aus. Wie zum Trotz lässt der DJ laute Beats über die leere Tanzfläche wummern. Um sie herum stehen Dutzende von Tische, fast alle unbesetzt.
Ein Stück entfernt steht Manos Prinaris vor den Tretbooten, die er verleiht. Er ist sofort zur Stelle, sobald sich jemand seinem Stand nähert, und nimmt sich Zeit für einen kleinen Plausch. „Es ist ja eh nicht viel los“, sagt er und deutet um sich. In den Hotels in der Bucht seien normalerweise viele Deutsche. In diesem Jahr hätten viele erst später als sonst eröffnen können, weil die Gäste nicht kamen. „Die haben alle Angst, wegen der schlechten Nachrichten von hier, ist doch klar.“ Dabei hätten Urlauber hier nichts zu befürchten. „Wir sind ganz freundlich, wirklich.“
Eine Bucht weiter sitzt Kapitän Angelos Kypreos vor seinem Ausflugsboot im Hafen. Geduldig zeigt er einigen Urlaubern, was es auf der Insel so alles zu sehen gibt. Er hat auch viel Zeit. „Diese Saison ist schlecht, keiner kommt“, sagt der 60-Jährige. „Manche denken, hier sei Krieg oder sowas.“ Was macht er also? Sonderangebote. Normalerweise kostet ein Tagestrip bei ihm 20 Euro, jetzt ist der Preis Verhandlungssache. Und er versichert: „Ihr seid alle willkommen, wir lieben Touristen.“
Beide wissen: Viele Deutsche haben immer noch die Bilder aus Athen von Protesten gegen die Sparauflagen der EU im Kopf. Diese Einsparungen hatte auch die deutsche Politik vehement eingefordert. Das führte dazu, dass in Athen deutsche Fahnen verbrannt wurden. Einige dürften sich daher fragen: Kann man als Deutscher jetzt noch bedenkenlos Urlaub machen in Griechenland? „Auf jeden Fall“, sagt Andrea Lentge. Wird man da denn als Deutscher nicht schief angesehen? „Überhaupt nicht“, ergänzt ihre Tochter Denise.
Einigen haben die Nachrichten über die anstehenden Neuwahlen und die drohende Staatspleite aber zu denken gegeben, zum Beispiel Matthias Knopf aus Offenburg. „Als ich gehört hab, dass die jetzt anfangen, haufenweise Euros abzuheben, hab ich schon gedacht: Na, das kann ja heiter werden.“ Und im Juni, nach den Neuwahlen, würde er keinen Urlaub mehr hier machen wollen. Dann sei es ihm zu riskant, dass die Griechen ihm den Urlaub vermiesen, indem sie wieder anfangen zu protestieren oder zu streiken.
Dabei gab es größere Streiks eher im vergangenen Jahr – damals ließen sich die deutschen Urlauber davon aber nicht abschrecken. Es kamen sogar mehr von ihnen. Warum haben sie jetzt auf einmal Angst vor so etwas? „Wir bezahlen jetzt dafür, was im vergangenen Jahr an Imageschaden angerichtet wurde“, sagt Hotelmanager Nikos Vlassiadis.
Außerhalb der Hotels ist die Krise aber auch auf einer Ferieninsel wie Kreta zu sehen. Es ist wiederum ein gelbes Schild, das auf sie hindeutet: „Zu vermieten“ steht darauf. In Heraklion hängt es inzwischen in den Schaufenstern vieler Geschäfte. Dahinter sind entweder heruntergelassene Rollläden oder leere Räume zu sehen. „Die kleinen Unternehmer sind alle fertig“, sagt Ladeninhaber Nikos Gonianakis. „In Heraklion ist es am schlimmsten, da hat jedes zweite Geschäft zugemacht.“ Damit dürfte er wohl etwas übertreiben. Dennoch stimmt es: Die Krise macht auch vor den Ferieninseln nicht halt. Wer auf Kreta shoppen geht, sieht ihre Spuren. Die Wut der Griechen über sie bekommen die Urlauber aber nicht ab.
Oder? Auf einmal passiert es dann offenbar doch. „Das ist Krieg!“, ruft ein Grieche und fuchtelt mit den Händen in der Luft. Er muss gehört haben, dass es um die Deutschen und den Euro ging. „Die Deutschen wollen Krieg“, sagt er mit wildem Blick. „Und wenn ihr Krieg haben wollt, könnt ihr ihn haben!“ Was meint er bloß? Mehr will er nicht sagen. Ist sie das jetzt etwa tatsächlich, die neue Deutschenfeindlichkeit? Nein, beruhigt Ines Schröder, die die Insel und die Leute hier seit 20 Jahren kennt. „Das ist nur ein Verrückter. So etwas gibt es doch überall.“
Den meisten Urlaubern bleiben solche Szenen ohnehin erspart. Das gilt gerade für die Pauschalurlauber, die einen Großteil ihrer Zeit in ihrer Anlage verbringen. Sie bekommen von den negativen Folgen der Krise kaum etwas mit. „In unserem Hotel ist alles super, ich hab’ gar nichts gemerkt“, sagt Nicole aus Ingolstadt. Auch Andrea Lentge will sich von der Eurokrise nicht abschrecken lassen. „Wir kommen nächstes Jahr wieder“, sagt sie. „Egal, ob wir dann in Drachmen oder in Euro zahlen.“
Buchungen sind eingebrochen
Streiks und Proteste, drohende Staatspleite und Neuwahlen – all das hat Urlauber offenbar abgeschreckt. Vor allem die deutschen Gäste bleiben aus. Anfang des Jahres hatten Veranstalter wie die TUI ein Minus von 30 Prozent bei den Buchungen verzeichnet, derzeit liegen sie dem griechischen Fremdenverkehrsamt zufolge immer noch 15 bis 20 Prozent unter dem Vorjahr. Es gebe Regionen, wo die Buchungen um 40 Prozent zurückgegangen seien, erklärte der Verband der griechischen Touristikunternehmen. Dabei hatte Griechenland 2011 noch Rekordzahlen bei den Urlaubern verbucht. Von den Deutschen kamen sogar rund 13 Prozent mehr – rund 2,5 Millionen Besucher.
Veranstalter und Hoteliers locken mit Rabatten
Für Griechenland gibt es derzeit günstige Pauschalangebote: Die Veranstalter haben durch die Bank die Preise gesenkt, erklärt Torsten Schäfer vom Deutschen Reiseverband. Bis zu 20 Prozent Rabatt verspricht etwa Thomas Cook, Alltours hatte Ende April sogar bis zu 30 Prozent angekündigt. Auch viele griechische Hoteliers versuchten, Urlauber mit Schnäppchen zu locken, ergänzt Panagiotis Skordas vom griechischen Fremdenverkehrsamt. So seien die Zimmer derzeit bis zu 30 Prozent billiger als sonst, etwa auf der Insel Skopelos. Auch viele Geschäfte hätten die Preise gesenkt.