Hoisdorf. Die 24-Jährige arbeitet auf dem Hof von Ants Bredemeier in Hoisdorf und startet für den RFV Bargteheide bis zur Klasse S***
Pünktlich und gut gelaunt erscheint Sarah Wilke zum vereinbarten Treffen. Die 24 Jahre alte Bereiterin lässt sich nicht anmerken, dass Stunden intensiver Arbeit auf dem Hof Hoisdorf bereits hinter ihr liegen und – direkt nach dem Pressetermin – weitere Aufgaben auf dem landwirtschaftlichen Betrieb der Familie mit eigener Pferdehaltung in Labenz an der Grenze zu Stormarn auf sie warten.
Wilke hört aufmerksam zu. Einige Fragen, die ihre eigene Laufbahn betreffen, beantwortet sie mit einem Hauch von Demut. „Ich bin unglaublich glücklich darüber, meinen Traumberuf ausüben zu dürfen, bin mir aber auch bewusst, dass es nicht selbstverständlich ist“, sagt die gelernte Pferdewirtin. Drei Jahre spezialisierte sie sich auf die Fachrichtungen Haltung und Service. Für das herausragende Ergebnis ihrer Abschlussprüfung wurde Wilke von der Deutschen Reiterlichen Vereinigung mit der Graf-von-Lehndorf-Plakette ausgezeichnet. Direkt im Anschluss absolvierte sie noch eine einjährige klassische Reitausbildung.
Die Reiterin war schon 20 Mal in der S-Klasse platziert
Gelernt hat Wilke fast alles von Ants Bredemeier. Mit dem selbstständigen Berufsreiter und dessen Frau Beata arbeitet die 24-Jährige seit sieben Jahren zusammen. Auf dem Hof Hoisdorf ist sie für Bredemeier nach der Ausbildung nun seit knapp vier Jahren halbtags als Bereiterin tätig. „Ants habe ich so gut wie alles zu verdanken“, sagt Wilke. „Er hat mich praktisch zu der Reiterin geformt, die ich heute bin.“
Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Wilke, die für den RFV Bargteheide startet, zählt in Stormarn zu dem erlesenen Kreis der Dressurreiter, die Prüfungen auf S***-Niveau bestreiten. Achtmal trat sie mit dem Hannoveraner Wallach Scholar seit Jahresbeginn bei einer Drei-Sterne-Aufgabe an, dreimal erzielte sie mit dem neun Jahre alten Pferd eine Platzierung.
Beim Norddeutschen Berufsreiterchampionat erreichte sie das Finale mit Pferdewechsel
Neben 20 Platzierungen bei S-Dressurprüfungen war vergangenes Jahr der Einzug in das Finale der U25-Landesmeisterschaften in Bad Segeberg sportlich einer der Höhepunkte für die Berufsreiterin. Wilkes Augen glänzen, als sie sagt: „Unvergessen bleibt auch das Norddeutsche Berufsreiterchampionat in Schenefeld, bei dem ich gemeinsam mit Ants neben einer weiteren Teilnehmerin das S**-Finale mit Pferdewechsel bestritten habe.“ Noch endete der interne Vergleich wie erwartet: Bredemeier holte den Titel, Wilke wurde Dritte, hatte aber gleich doppelt Grund zur Freude: „Beim Berufsreiterchampionat wurde Scholar als bestes Pferd ausgezeichnet, das hat mich schon sehr berührt.“
Im Jahr 2018 stand die junge Berufsreiterin aber nicht nur auf der Sonnenseite des Lebens. Im Juli verstarb Vater Hermann Wilke nach kurzer, schwerer Krankheit. „Obwohl mein Vater vom Dressursport nicht viel Ahnung hatte, war er unglaublich stolz auf mich. Ohne seine Unterstützung und die meiner Mutter Dörte wäre ich im Pferdesport niemals so weit gekommen“, sagt die 24-Jährige. Den Gedanken, mit der Reiterei kürzer zu treten und in den verbleibenden Wochen so viel Zeit wie möglich mit ihrem Vater zu verbringen, unterband dieser kompromisslos. „Ich musste ihm sogar hoch und heilig versprechen, so intensiv wie bisher weiterzumachen. Jede Schleife, die ich in der Folge bekam, machte meinen Vater noch ein Stück glücklicher. Im Rollstuhl begleitete er mich sogar noch zu meinem Auftritt beim Hamburger Derby.“
Nach ihrem ersten Sieg war Wilke die Gedanken bei ihrem Vater
Zwei Tage nach der Beerdigung des Vaters holte Wilke mit Scholar bei einem Dressurturnier in Schmilau den ersten Sieg bei einer S-Dressurprüfung. „Bei der Siegerehrung durchlebte ich einen unglaublich emotionalen Moment“, sagt Wilke. „In Gedanken war ich bei meinem Vater, der immer an mich geglaubt hatte. Ich wusste, dass er da oben im Himmel sehr stolz auf mich sein würde.“
Die Familie ist eine wichtige Konstante im Leben der 24-Jährigen. Lebenspartner Jan Witting hält ihr in vielen Bereichen den Rücken frei, Onkel Heinrich Baar steht bei Turnieren mit Rat und Tat zur Seite.
Dank der reiterlichen Fähigkeiten feiert Wilke auf dem Hof Hoisdorf auch mit anderen Pferden Erfolge: Brooklyn Rave, ein Oldenburger Wallach der Familie Kraupner, führte sie in diesem Jahr fünfmal in einer S-Dressur vor - und erzielte drei Platzierungen. Zwei M**-Prüfungen beendeten Ross und Reiterin siegreich. Wilke schmunzelt, als sie sagt: „Brooklyn verhält sich während einer Prüfung einfach wie ein guter Kumpel, der einen nicht hängen lassen will.“ Nach kurzer Gedankenpause fügt sie hinzu: „Die Wertschätzung, die mir auf dem Hof Hoisdorf entgegengebracht wird, motiviert ungemein, noch mehr in den Pferdesport zu investieren.“
Schon als Kind war Wilke pferdeverrückt. Wenn sich die Klassenkameraden auf den Weg in den Urlaub machten, verbrachte sie jede freie Minute im Stall, um in Spitzenzeiten sechs bis acht Pferde am Tag zu bewegen.
Zusammenhalt sei einer der Werte, die ihr wichtig im Leben seien, sagt Wilke. Das gilt auch abseits der Reiterei: Als Mitglied des Vorstandes engagiert sie sich seit knapp vier Jahren für die Landjugend Sandesneben. Jährlicher Höhepunkt ist die Organisation des Scheunenefestes in Steinhorst mit mehr als 4000 Besuchern. Wilke: „Wie auf dem Hof Hoisdorf gibt es auch bei der Landjugend ein mit- und kein gegeneinander. Anders funktioniert es eben nicht.“