Bad Oldesloe. Thorsten Niemann arbeitet im Labor eines Universitätsklinikums. Ausgleich findet der 50-Jährige beim leistungsorientierten Minigolf – und wird dafür oft belächelt

Die Bahn Nummer drei auf der Minigolf-Anlage in Bad Oldesloe sieht eigentlich ganz leicht aus. Den Ball mittig platzieren und geradeaus ins Loch schlagen, so denkt sich das der Hobbyspieler. Der Experte macht es anders. Thorsten Niemann, 50 Jahre alt, holt den passenden Ball aus seiner Tasche, nachdem er mit einem kleinen Besen die Bahn vom Herbstlaub befreit hat. Kleine Ausholbewegung, der Ball rollt an die Außenbande und von dort wie an der Schnur gezogen ins Loch. „Die Bahn ist nicht ganz eben“, erklärt Niemann seine Herangehensweise – und freut sich über die Verwunderung des Amateurs.

Wenn er mit seinem speziellen Schläger, den verschiedenen Bällen und dem Besen anrückt, werde er von vielen Hobbyspielern belächelt, erzählt der Mann mit dem Schnauzbart. „Millionen spielen Minigolf. Aber kaum jemand sieht es als Leistungssport an.“ Dabei geht es auch in dieser Nischensportart, wo die Spieler fast alle Kosten selbst tragen und kein Preisgeld gewinnen können, extrem professionell zu. Als Niemann zuletzt bei den Deutschen Meisterschaften in Traben-Trarbach (Rheinland-Pfalz) antrat, reiste er ganze zehn Tage im Voraus an, um an den Bahnen zu trainieren. Es hat sich gelohnt. Der Scharbeutzer, der für den Miniaturgolfclub Bad Oldesloe antritt, holte in seiner Altersklasse Senioren 1 den Titel. Er erzielte das beste Ergebnis aller 123 Teilnehmer, wäre somit auch bei den Herren Deutscher Meister geworden. Nun winkt ihm sogar erstmals die Nominierung für den Bundeskader und eine mögliche Teilnahme an Europameisterschaften.

In Bad Oldesloe darf er sich eine neue Bahn wünschen

Wer mit Niemann eine Runde spielt, erlebt fast an jeder Bahn eine Überraschung. Die von vielen Hobbyspielern gefürchtete Rampe bewältigt er locker mit einer Hand. An Bahn 14 verleiht er dem Ball Effet und locht über mehrere Banden ein. Geradezu verblüffend aber sind die Details, die er aus seinem Minigolfer-Alltag berichtet. Zu den Deutschen Meisterschaften reiste er mit 350 Bällen im Gepäck an – was bereits eine Vorauswahl war. Insgesamt besitzt Niemann 650 verschiedene Bälle, jeder von ihnen kostete zwischen 15 und 17 Euro. Dazu kommen die Anfahrtskosten zu Turnieren und Punktspielen mit dem Verein in der Schleswig-Holstein-Liga. „Diese Kosten schrecken leider auch viele ab“, sagt er. Sein Club leidet unter Nachwuchsproblemen. Als Niemann vor 25 Jahren beim MGC Bad Oldesloe begann, waren 30 Spieler aktiv, heute sind es nur noch 13.

Auf einem Parcours mit den üblichen 18 Bahnen nutzt Niemann in der Regel um die 16 verschiedene Bälle. „Es gibt Tausende von Bällen, die sich in Nuancen unterscheiden“, sagt er. Entscheidend ist auch die Temperatur des Spielgeräts. Einige wenige Minigolfer reisen zu Turnieren extra mit Boxen an, die die Bälle bei 20 Grad halten. Niemann beschränkt sich darauf, einige in seiner Hosentasche anzuwärmen, investiert aber viel Zeit in die Vorbereitung. „Man braucht viel Wissen über das Material. Ich habe riesigen Spaß daran, herumzutüfteln.“ Schon mehrfach hat er auf seinem Heimatparcours die perfekte Runde gespielt, also jede Bahn mit nur einem Schlag bewältigt.

Dass Menschen, die in ihrer Freizeit gern Serien schauen oder Joggen gehen, Niemann für sein großes Hobby belächeln, ist ihm egal. Im Minigolf hat er seinen Ausgleich zum beruflichen Alltag gefunden. Auf der Bahn zu stehen sei für ihn reiner Urlaub, erzielt Niemann, der als medizinisch-technischer Assistent im Labor des Universitätsklinikums in Lübeck arbeitet. „Ich kann dabei völlig abschalten.“ Und im Verein, den Niemann „eine kleine Familie“ nennt, ist man stolz auf sein sportliches Aushängeschild. „Thorsten konnte schon früher gute Ergebnisse bei den Deutschen Meisterschaften verzeichnen. Für unseren Verein ist das natürlich eine tolle Sache“, sagt Wolfgang Burmester, Erster Vorsitzender des MGC Bad Oldesloe

Es sind die letzten Tage der Saison. Zwischen Oktober und März legt Thorsten Niemann den Schläger und seine 650 Bälle beiseite und widmet sich dafür seinem zweiten Hobby: Bowling. Die Bahn Nummer drei in Bad Oldesloe, an der er so verlässlich über die Bande einlocht, wird es übrigens nicht mehr lange geben. Durch seinen Titel bei den Deutschen Meisterschaften hat Niemann eine Wette gegen den Vorsitzenden Burmester gewonnen – und darf sich eine neue Bahn für die Anlage wünschen. Geplant ist die Version „Gentleman“, die eigentlich aus dem Filzgolf bekannt ist. Dann hat der MGC Bad Oldesloe nicht nur einen Deutschen Meister – sondern auf seinem Parcours auch eine echte Rarität.