Tangstedt. Dirk Ehling startet am Sonntag bei der Fernfahrt Paris-Brest-Paris. Der 44-Jährige wird rund 60 Stunden lang in die Pedale treten.
264 Kilometer auf dem Rennrad fahren, dabei gut 4000 Höhenmeter überwinden – schon für trainierte Sportler ist das eine Herausforderung. Für Dirk Ehling aus Tangstedt war der Radmarathon Sauerland eXtreme allerdings nur zum Einrollen. Der 44-Jährige startet an diesem Sonntag bei der Radfernfahrt Paris-Brest-Paris. Dort werden nonstop sogar 1200 Kilometer gefahren. Ehling ist bereits zum dritten Mal dabei. Bei seiner ersten Teilnahme vor acht Jahren hat er gut 69 Stunden benötigt. Bei der letzten Auflage der Extremtour im Jahr 2011 war er schon nach 57:01,20 Stunden im Ziel. „Diesmal hoffe ich wieder auf eine Zeit um die 60 Stunden“, sagt Ehling.
Genaue Vorhersagen sind bei so einer Distanz kaum möglich. Dafür gibt es zu viele Unwägbarkeiten. Spielt beispielsweise das Wetter mit? Hält das Material? Bleibt man trotz Dunkelheit und schlechter Straßen sturzfrei, auch wenn einen nach 40 Stunden im Sattel die Erschöpfung übermannt?
„Bei meiner Premiere im Jahr 2007 hat es so stark geregnet, dass viele Fahrer das Rennen abgebrochen haben. Ansonsten habe ich bisher ziemliches Glück gehabt“, erinnert sich der Tangstedter. Vor vier Jahren hatte sich bei seiner Schaltung eine kleine Schraube gelöst. Ehling: „Ich habe es noch rechtzeitig gemerkt. Wenn sie aber irgendwo auf einer Landstraße in der Bretagne verloren gegangen wäre, hätte das schlimme Folgen haben können.“
Bei der Auswahl seines Equipments ist für Ehling deshalb in erster Linie Haltbarkeit ausschlaggebend, das Gewicht ist zweitrangig. „Ich fahre kein Highend-Rad aus Carbon, so wie die Profis, sondern einen bewährten Alu-Rahmen.“ Vorne am Lenker hängt eine kleine Tasche für die Verpflegung, unter dem Sattel eine weitere für Werk- und Flickzeug, Geld und gegebenenfalls eine Regenjacke.“ Grundsätzlich sei es zwar nicht verboten, Material unterwegs aufzunehmen. „Unter den Fahrern ist das aber verpönt“, sagt Ehling. Nicht umsonst nennen sich die Langstreckenfahrer Randonneure („Ritter der Landstraße“).
Paris-Brest-Paris ist die älteste Radfernfahrt, die es gibt – und eine der populärsten. Diesmal fahren mehr als 6000 Teilnehmer aus aller Herren Länder mit. Es ist kein Rennen im klassischen Sinne. Zwar gibt es eine Zeitnahme, man fährt aber nicht um Sieg oder Platzierungen. Ehling: „Für die meisten geht es nur darum, innerhalb der vorgeschriebenen 90 Stunden ins Ziel zu kommen.“
Das Besondere an dem Rennen sei die einzigartige Atmosphäre: „Vor allem in den kleineren Ortschaften stehen viele Bewohner an den Straßen, applaudieren oder bieten Getränke an. Viel Trinken ist das A und O, sagt Ehling. Seine Faustregel lautet: Jede halbe Stunde einen halben Liter, wobei die genaue Menge auch von den Temperaturen abhängig ist. Ehling: „Vor allem Anfänger begehen oft den Fehler, zu wenig, zu spät oder das Verkehrte zu trinken.“
Irgendwann möchte er über seine Erlebnisse ein Buch schreiben
Der Tangstedter zählt sich schon zu den alten Hasen, deshalb bietet er in jedem Jahr auch Workshops an, in denen er sein Wissen weitergibt und über die Strapazen berichtet, die dieses Rennen mit sich bringt – von körperlichen Hochs und Tiefs bis hin zu Wechselbädern zwischen Euphorie und mentalem Einbruch. Ehling: „Man wird in jeder Beziehung an seine Grenzen gebracht.“ Irgendwann, sagt der Ausdauersportler, möchte er seine Erlebnisse einmal zu Papier bringen und als Buch veröffentlichen. Ehling: „Der Titel steht schon: ,Schlaflos im Sattel’“.
Auch einem „Profi“ wie ihm passieren noch Missgeschicke – wie vor vier Jahren, als er an alles gedacht hatte, nur nicht daran, eine Radhose einzupacken. „Ich hab es erst drei Stunden vor dem Start gemerkt. Glücklicherweise hat mir ein Mitstreiter seine Ersatzhose überlassen, ein ganz billiges Exemplar, das jedoch gut gehalten hat.“
Diesmal hat sich Ehling extra eine Checkliste angefertigt und penibel alles abgehakt, was er einpackt hat.“ Auch einen groben Zeitplan hat er ausgetüftelt: Der sieht vor, dass er erst in der zweiten Nacht, wenn er sich bereits wieder auf der Rückkehr von der Atlantikküste Richtung Paris befindet, eine kurze, maximal dreistündige Schlafpause einlegt. Ganz ohne geht es nicht. Ehling: „Man muss da schon auf seinen Körper hören.“
Vor einigen Jahren bei einem Rennen über 1000 Kilometer bei Leipzig hat er mal erlebt, was passiert, wenn man diese Signale ignoriert: „Es war Mitten in der zweiten Nacht, ich war schon ziemlich fertig. Immer wenn mir auf der Gegenfahrbahn ein Auto entgegenkam, wollte ich eigentlich instinktiv etwas nach rechts ausweichen. Aber das ging ja nicht, weil ich die anderen Fahrer ja nicht abdrängen wollte. Irgendwann habe ich dann gemerkt, dass ich mir die anderen nur eingebildet habe und mutterseelenallein unterwegs bin. Da war es höchste Zeit für eine Pause.“
Hat er noch einen sportlichen Traum, den er sich erfüllen möchte? „Ja, schon seit mehreren Jahren denke ich über einen Start beim Race across America nach.“ Dabei werden die USA von West nach Ost durchquert, insgesamt 4800 Kilometer absolviert. Ehling: „Bislang ist die Teilnahme aber an den enormen Kosten gescheitert.“
Direkt nach dem Rennen geht es für ihn mit Ehefrau Tanja und Sohn Finn in den Urlaub nach Winterberg – sein Rad ist natürlich auch dabei. Ehling: „Ich habe mich schon für zwei Marathons in der Nähe angemeldet.“