Steinburg. Die Stormarner betrieben begeisterten mit schnellem Umschaltspiel – doch Trainer Oliver Zapel sprach von einem „Ausrutscher“.

Es hätte ein Kantersieg werden müssen und ein Drama werden können: Mit einem viel zu knappen 3:2 (1:0) sind die Fußballer des SV Eichede in die Schleswig-Holstein-Liga-Saison gestartet. Gegen einen schwachen PSV Neumünster zeigten die Stormarner dabei ein mitreißendes Umschaltspiel und trafen kurz vor Schluss zum hochverdienten Sieg.

Vor dem Saisonauftakt hatte Oliver Zapel betont, sein Team nicht als Titelkandidaten anzusehen. Die ersten 50 Minuten der Saison, die dann doch dem Auftritt eines absoluten Spitzenteams glichen, ordnete der Coach einerseits in die Kategorie „Außergewöhnlich“, zugleich aber als „Ausrutscher nach oben“ ein. „Sonst hätte ich ja keine Ahnung von Fußball oder beim Saisonziel tiefgestapelt“, sagte er. „Es wird diese Saison immer Ausrutscher nach oben oder unten geben. Das hat man schon in diesem einen Spiel gesehen.“

Freistoßtor Torge Maltzahn, nächster Doppelpack von Claus

Die als Ausrutscher nach unten zu bezeichnende Phase der Steinburger dauerte zwar nur etwa zehn Minuten, hätte aber fast alles zerstört. Plötzlich stand es nach 2:0-Führung 2:2 und keiner wusste, warum – die Neumünsteraner wohl am wenigsten (Spielverlauf am Ende des Textes). Zwei von drei Torchancen hatte der Polizei-Sportverein am Ende genutzt und damit eine Effizienz an den Tag gelegt, von der der SV Eichede derzeit nur träumen kann. Würde Ian Prescott Claus seinen immer wieder überragenden Leistungen eine Prise mehr Geradlinigkeit verleihen, könnte Arnold Lechler nur ansatzweise seine Treffsicherheit von einst abrufen, oder würden beide Spieler sich wenigstens manchmal mit ihren Pässen von der Grundlinie finden – der SVE hätte einen Kantersieg eingefahren und die Frage aufgeworfen, welche Defensive dieses Team stoppen soll. An der Seitenlinie tobte der einstige Goalgetter Zapel angesichts der, wie er sagte, „atemberaubenden Chancenverwertung“ – im negativen Sinne.

So blieb es bei einem herrlichen Freistoßtor durch Torge Maltzahn und dem dritten Doppelpack von Claus im dritten Pflichtspiel nach den beiden Siegen im Pokalwettbewerb. Zum Siegtor des Angreifers in der 86. Minute sagte Zapel: „Es zeichnet ihn aus, dass er dann die schwierigste Chance nutzt. Andererseits hatte er etwas gutzumachen.“ Claus hatte herrlich ins lange Eck gelupft und dafür sogar Applaus von einem Fotografen erhalten.

Eicheder Torjubel nach dem Treffer zum 3:2 durch Ian Prescott Claus
Eicheder Torjubel nach dem Treffer zum 3:2 durch Ian Prescott Claus © HA | Henrik Bagdassarian

Kapitän Nico Fischer gab zu: „Wir waren selbst überrascht, dass wir so stark gespielt haben. In den ersten 50 Minuten hätten wir sechs oder sieben Tore schießen müssen.“ Wobei sich die Neumünsteraner auch besonders stümperhaft anstellten. Unverständlich, dass die Gastgeber nicht spätestens nach zehn Minuten taktisch reagierten. Die viel zu hoch stehende Abwehrkette wurde immer wieder mit nur einem langen Pass – meist von Neu-Innenverteidiger Maltzahn, Fischer oder Marco Schubring – ausgehebelt. Kaum einmal schaffte es der PSV, Eichedes Angreifer ins Abseits zu stellen. Die schnellen Lechler und Claus liefen dann bereits allein auf das Tor zu oder düpierten noch den letzten Verteidiger mühelos.

In der Schlussphase gaben die Eicheder dann völlig überraschend und unnötig durch zwei Fehler die Partie aus der Hand, als der eingewechselte Warren Tambaleque doppelt traf. „Da war es alles andere als ein normales Spiel“, sagte Fischer.

Im Pokal-Halbfinale müssen die Steinburger gegen Flensburg ran

In all dem Trubel ging das Pflichtspieldebüt des 18-jährigen Ridel Monteiro etwas unter. Im defensiven Mittelfeld zeigte sich der erst vor einer Woche vom Regionalligaclub Lüneburger SK zum SVE gewechselte Bruder von Eudel Monteiro lauffreudig und abgeklärt. „Abgesehen von den letzten zehn Minuten war er einer der besten“, lobte Zapel. Noch Anlaufzeit benötigt dagegen offenbar Johann Buttler, der von den A-Junioren des HSV kam.

Wie in jedem Jahr startet die Saison mit zwei Englischen Wochen. Bereits am kommenden Mittwoch ist Aufsteiger Oldenburger SV zu Gast im Ernst-Wagener-Stadion (19 Uhr, Matthias-Claudius-Straße). „Uns stehen Veränderungen bevor“, sagte Zapel. Für Jonathan Marschner war das Spiel in Neumünster das letzte des Jahres. Der robuste Innenverteidiger wird ein halbes Jahr durch Australien reisen und im Winter zurückerwartet. Jan Plate aus der zweiten Mannschaft könnte die Lücke gegen Oldenburg füllen. Neuzugang Leonardo Evora ist noch nicht fit.

In der Halbzeit des Saisoneröffnungsspiels zwischen Oldenburg und Eutin 08 (0:2 vor 1600 Zuschauern) wurden die Halbfinal-Paarungen des Landespokalwettbewerbs ausgelost. Eichede trifft auf den Sieger der Partie TSB Flensburg gegen Weiche Flensburg. Das Stadtderby wird erst am 26. August ausgetragen. Im anderen Halbfinale spielt der VfB Lübeck gegen Flensburg 08 oder Holstein Kiel.

SV Eichede: Berndt – Marschner, Maltzahn, Krajinovic – Fischer, Bojarinow, R. Monteiro, E. Monteiro – Claus, Lechler (68. Löw), M. Schubring (76. Buttler).Der Spielverlauf 1. Minute: Eichede startet rasant. Nach einem langen Pass von Nico Fischer schießt Ian Prescott Claus erstmals auf das Tor – leichte Beute für Keeper Philipp Reinhold.
8. Minute:
Nach einer kurz ausgeführten Ecke schießt Claus drüber.
16. Minute: Die erste ganz dicke Chance: Arnold Lechler ist durch, trift aber den Ball nicht richtig. Im Nachsetzen scheitert auch Marco Schubring.
26. Minute: Gerade scheint sich die Partie etwas beruhigt zu haben, da schlagen die Gäste zu: Nach einem Angriff über Lechler und Schubring trifft Claus mit links zum 1:0.
27. Minute: Sekunden später läuft Claus allein auf den Neumünsteraner Kasten zu. Der Torschützenkönig der vergangenen Saison scheitert fahrlässig an Reinhold.
29. Minute: Mustergültige Vorarbeit von Claus, Lechler zieht aus zehn Metern direkt ab – Latte.
34. Minute: Torge Maltzahn schickt Lechler, der freistehend die nächste Großchance vergibt.
44. Minute: Fast der Ausgleich. Kurz vor der Pause schießt Neumünster erstmals auf Tor. Der Schuss von Marc Barck geht ganz knapp vorbei.
47. Minute: Der SVE stürmt unbeirrt weiter: Pass Maltzahn, Schuss Claus – vorbei.
50. Minute: Freistoß für Eichede. Maltzahn legt sich den Ball zurecht und schlenzt fast aus dem Stand unhaltbar zum 2:0 in den Winkel.
76. Minute: Eichede kontert weiter gefährlich, hat scheinbar alles im Griff. Dann patzt Torwart Fynn Berndt nach einer Ecke und der eingewechselte Warren Tambalque staubt ab – nur noch 2:1.
80. Minute: Michael Löw verpasst die Entscheidung. Neumünsters Keeper ist schon geschlagen, doch Löw schießt Verteidiger Christoph Maliszewski an.
84. Minute: Überschwänglicher Jubel beim PSV, Fassungslosigkeit bei den Gästen: Nach einem Fehler von Jonathan Marschner hat Tambalque den Ausgleich erzielt.
86. Minute: Claus nimmt einen Pass von Löw technisch perfekt an, zieht an seinem Gegenspieler vorbei und lupft den Ball aus halblinker Position über Reinhold hinweg ins Eck. Ein Traumtor – und der hochverdiente Siegtreffer.