Reinbek. Matthias Bohl lädt zum Festgottesdienst am 26. Februar ein. Es gibt bereits zwei mögliche Nachfolger.
Die Zeichen stehen auf Abschied: Erste Kartons im Pastorat an der Bogenstraße sind gepackt, die Einladungen für die Abschiedsfeier sind raus. Ende Februar, genauer am Sonntag, 26. Februar, verabschiedet sich Propst Matthias Bohl mit einem Gottesdienst um 14 Uhr in der Nathan-Söderblom-Kirche in den Ruhestand. Festlich wird es werden – Bischöfin Kirsten Fehrs wird den Gottesdienst leiten – und emotional: „Ich werde ihn vermissen“, sagt Bente Küster, Pastorin der Kirchgemeinde Reinbek-West. Vier Jahre war Bohl ihr Vorgesetzter: „Ein guter, ein besonnener Chef“, sagt die 36-jährige Pastorin der Kirchengemeinde Reinbek-West.
Die meisten ihrer Kollegen in der Propstei Wandsbek-Billetal im Kirchenkreis Hamburg-Ost hat der 65-Jährige viel länger begleitet. 24 Jahre war er einer von sieben Pröpsten im Kirchenkreis und Chef von zuletzt 25 Pastorinnen und Pastoren in 16 Kirchgemeinden mit 20 Kirchgebäuden und rund 46.000 Gemeindegliedern. Die Gemeinden in Glinde und Reinbek gehören dazu.
Trotz Stellenabbau Gemeindeleben lebendig halten
„Als Propst ist man erster Ansprechpartner für die Pastoren“, sagt Matthias Bohl. Und als solcher hat er sich auch immer verstanden. „Ich kenne die Nöte der Pastoren“, sagt der Reinbeker. Nicht nur aus Gesprächen, auch aus seiner Zeit, als er selbst als Pastor der St.-Johannis-Gemeinde Kinder getauft, Paare getraut, Verstorbene beerdigt und Angehörige getröstet hat. Glinde war die erste Pfarrstelle des gebürtigen Niendorfers, an der er 13 Jahre lang gewirkt und seine Spuren hinterlassen hat.
„Die evangelische Kita Wilde Wiese in Glinde ist mein Baby“, sagt Bohl, selbst Vater von drei erwachsenen Söhnen. Er freut sich, dass Kinder in der Kita seit 23 Jahren von klein an mit dem Glauben aufwachsen. Keine Selbstverständlichkeit mehr in Zeiten gesellschaftlicher Umbrüche, in denen Menschen nach wie vor nach Halt suchen, ihn aber nicht immer im Glauben finden. Diese Veränderungen machen auch vor der Kirche nicht Halt: Die Zahl der Mitglieder sinkt, die Kirchensteuereinnahmen gehen zurück.
Künftig wird sich nicht mehr jede Gemeinde einen Pastor leisten können
Die Antworten der Kirche darauf heißen Fusion und Stellenabbau. Langfristig wird sich nicht mehr jede Gemeinde einen Kantor, einen Diakon oder ein Pastor leisten können. „Die Herausforderung ist, Gemeindeleben trotzdem lebendig zu halten“, sagt Bohl. Ein langwieriger, ein schwieriger Prozess, den er mit angeschoben und begleitet hat und den sein Nachfolger nun fortsetzen muss.
Eigentlich sollte der schon lange feststehen, doch die Wahl im September scheiterte, weil keiner der damaligen beiden Bewerber die nötige Mehrheit erhielt. Jetzt soll sie am 1. März wiederholt werden. Wieder gehen zwei Bewerber ins Rennen: Pastor Holger Beermann (49) und Pastor Georg Knauer. Beide sind gebürtige Hamburger. Holger Beermann ist aktuell Pastor in Hamburg-Horn. Sein Mitbewerber Georg Knauer ist derzeit Pastor in Hamburg-Eppendorf. Einige Leser mögen ihn bereits kennen: Drei Jahre war er in Lauenburg tätig, bevor der damals dort beliebte Pastor wegen Unstimmigkeiten und Kompetenzgerangel die Gemeinde wieder verließ.
Kirche geht der Nachwuchs aus
Wer möchte, kann die beiden Bewerber vor der Wahl kennenlernen: Georg Knauer stellt sich am Sonntag, 12. Februar, und Pastor Holger Beermann am Sonntag, 19. Februar, jeweils um 11 Uhr im Gottesdienst in der Nathan-Söderblom-Kirche vor. Außerdem halten Pastor Georg Knauer am Mittwoch, 15. Februar, und Pastor Holger Beermann am Mittwoch, 22. Februar, jeweils einen Online-Vortrag zu einem selbst gewählten Thema. Die Vorträge beginnen jeweils um 18 Uhr und finden per Zoom statt. Der entsprechende Link kann bei Achim Lippke unter a.lippke@kirche-hamburg-ost.de eingeholt werden.
Zwei weitere große Baustellen übergibt Matthias Bohl seinem Nachfolger. Die eine ist wörtlich zu nehmen und meint die dringend notwendige und kostenintensive Sanierung der Kirchengebäude. Nicht nur energetisch eine Riesenherausforderung, die zwangsläufig dazu führen wird, dass einige Standorte nicht erhalten bleiben können. Die andere Baustelle ist die Nachwuchsfrage. Der Kirche gehen die Pastoren aus.
Matthias Bohl entschied sich damals für das Studium Theologie statt Chemie
Ganz verstehen kann Matthias Bohl das nicht, für den auch am Ende seiner beruflichen Laufbahn Pastor immer noch „einer der schönsten Berufe der Welt“ ist: „herausfordernd, ja, aber spannend, vielfältig wie das Leben, bereichernd und im Übrigen sehr sicher“, sagt er. Seine Entscheidung, Theologie statt Chemie – sein Zweitwunsch – zu studieren, hat er nie bereut und wusste spätestens, als er seine Frau Barbara Schöneberg-Bohl im Studium kennenlernte, warum es so sein sollte. Barbara Schöneberg-Bohl war mehr als 20 Jahre Pastorin in der Kirchgemeinde Reinbek-West und sehr beliebt. Sie wechselte 2019 als Krankenhausseelsorgerin in der Schön-Klinik in Hamburg Eilbek.
Architekturfan freut sich auf Neuanfang mit seiner Frau in Bergedorf
Als Pastor versteht sich Propst Bohl als jemand, der persönliche und gesellschaftliche Entwicklungen in Gang setzt. Ihm selbst war der Dialog zwischen den Kirchen wichtig. Das Ökumenische Forum in der HafenCity, ein Ort für 35 verschiedene Kirchen, hat er mitaufgebaut. Soziales Engagement, in welcher Form auch immer, ist ihm eine Herzensangelegenheit. Als Jurymitglied des Bergedorfer Bürgerpreises kürt er jedes Jahr den Sieger mit. Der Jury will Bohl auch im Ruhestand treu bleiben.
Doch zuvor folgt er der räumliche Umzug ins benachbarte Bergedorf. Auf den Neuanfang in einem modernen Viertel freut sich der Architekturfan schon. Bohl ist ein großer Fan der Moderne und gerät während der Fotoaufnahmen in der Nathan-Söderblom-Kirche, seine Predigerstätte, ins Schwärmen. „Hier stimmen einfach alle Dimensionen“, sagt er mit Blick auf Säulen und die markant in roter Farbe gestrichenen Orgel. „Die Betonkirchenarchitektur der 60er-Jahre ist hier am ausgeprägtesten und sehr modern umgesetzt“, sagt er. Diese Kirche wird in jedem Fall bleiben. „Zumal die Akustik auch noch einmalig gut ist“, fügt er hinzu. Er hat sich von Kantor Jörg Müller Orgel- und Trompetenmusik zu seinem Abschied gewünscht und freut sich am 26. Februar auf volle Kirchenreihen und viele Gäste.