Reinbek/Wentorf. Bislang endet Carsharing an der Hamburger Stadtgrenze. Ein Carsharing Modell von Bürgern für Bürger soll das ändern: der Dorfstromer.

Die Mobilitätswende in Wentorf und Reinbek voranbringen – das ist das Ziel der Initiative Carsharing Wentorf/Reinbek, die sich im Juni mit sechs Mitgliedern gegründet hat. Initiator ist der Wentorfer Rainer Freund. Der 65-Jährige ärgert sich schon länger darüber, dass in Bergedorf kurz vor der Landesgrenze die Geschäftsgebiete kommerzieller Anbieter enden.

Der Dorfstromer: Carsharing von Bürgern für Bürger

Wentorf, Reinbek, Glinde und Oststeinbek hatten zwar bereits einen gemeinsamen Versuch gestartet, die Anbieter in die dicht besiedelte Region zu holen. Doch der scheiterte. „Damit wollte ich mich nicht zufriedengeben“, sagt der passionierte Radfahrer Freund. Er suchte nach Alternativen und fand sie im „Dorfstromer. Dahinter verbirgt sich ein gemeinnütziger Verein mit Sitz in Hollern-Twielenfleth in Niedersachsen, der 2018 gegründet wurde, um ein alternatives Mobilitätsangebot in Horneburg und dem Alten Land zu schaffen. Dessen Konzept „Carsharing von Bürgern zu Bürgern“ ist sehr erfolgreich, sind aktuell 20 E-Dorfstromer in unterschiedlichen Gemeinden – auch in anderen Hamburger Randgemeinden wie in Finkenwerder – unterwegs.

„In Finkenwerder gab es das gleiche Problem wie in Reinbek und Wentorf, da war das Gebiet für die kommerziellen Anbieter nicht attraktiv genug“, sagt Edgar Schmidt, Vereinsvorsitzender von Dorfstromer. Seit Januar ist dort jetzt ein Dorfstromer unterwegs und so stark nachgefragt, „dass wir glatt einen zweiten in Finkenwerder gebrauchen könnten“, sagt Schmidt. Das würde der Verein auch sofort machen, wäre da nicht das Problem der langen Lieferzeiten von bis zu einem Jahr für neue E-Autos.

Ein ähnlich großes Potenzial für E-Carsharing sieht der Verein auch in Reinbek und Wentorf. Das ist das Ergebnis einer Analyse. „Hier leben viele Menschen auf engem Raum. Das wird funktionieren“, ist Schmidt überzeugt. Im September waren der Vereinsvorsitzende und Vereinsmitglied Margaret Schindler mit einem Peugeot e-208 auf dem Wochenmarkt in Reinbek und Wentorf. „Zuerst waren die Bürger etwas zurückhaltend, doch dann sehr interessiert“, lautet Schmidts Fazit. Er rechnet damit, dass die ersten Fahrzeuge im Herbst kommenden Jahres auf Wentorfs und Reinbeks Straße unterwegs sind. Es handelt sich dabei um kleinere Fahrzeugmodelle.

Vereinsmitgliedschaft kostet 5 Euro pro Monat

„Nach einer kurzen Anlaufzeit von drei Monaten wird sich rumgesprochen haben, wie praktisch Carsharing ist. Dann wird es genügend Nutzer geben, und die ersten werden ihr Zweitauto abschaffen“, weiß Schmidt aus Erfahrung.

Wer mitmachen will, muss Vereinsmitglied werden. Die Mitgliedschaft kostet 5 Euro im Monat, für Familien 8 Euro. Auch Firmen können sich beteiligen. Die Autos werden per App gebucht. Die Nutzung kostet 5 Euro pro Stunde, inklusive 250 gefahrener Kilometer. Damit sich ein Dorfstromer-Mobil rechnet, müssten es etwa 20 Nutzer regelmäßig bewegen. Die monatlichen Kosten pro Fahrzeug betragen etwa 500 Euro für Versicherung und Leasingrate.

Der Wentorfer Reiner Freund hat die Carsharing-Initiative Wentorf/ Reinbek ins Leben gerufen. Der 65-Jährige ist selbst passionierter Radfahrer und würde am liebsten sein Auto abschaffen.
Der Wentorfer Reiner Freund hat die Carsharing-Initiative Wentorf/ Reinbek ins Leben gerufen. Der 65-Jährige ist selbst passionierter Radfahrer und würde am liebsten sein Auto abschaffen. © Undine Gerullis

Platz vor dem Wentorfer Rathaus und das Quartier Danziger Straße als Standort

Doch bevor tatsächlich die ersten E-Autos bestellt werden können, müssen noch einige Hürden überwunden werden: „Wir sind gerade dabei, Politik, Verwaltung und Stiftungen von dem Projekt zu überzeugen und Geld einzuwerben“, sagt Freund. Die Dorfstromer-Fahrzeuge sind standortgebunden und brauchen eigene Säulen. Die Kosten für eine Säule liegen bei 5000 Euro. Als Standorte eignen sich laut Freund der Platz vor dem Wentorfer Rathaus und das Quartier Danziger Straße.

„In Reinbek mit seinen verschiedenen Stadtteilen ist das nicht ganz so einfach“, sagt Steffen Steinecke von der Klimaschutzinitiative Sachsenwald. Die hat sich bereits vor drei Jahren um Carsharing in Reinbek bemüht, wollte das Dörpsmobil, eine ähnliche Projektinitiative für Elektromobilität in Schleswig-Holstein, nach Reinbek holen. „Wir waren schon sehr weit, doch dann hat Corona alles ausgebremst“, sagt der 59-jährige Reinbeker. Nun ist er zuversichtlich, dass es im zweiten Anlauf klappt. Als Standort für das erste E-Carsharing-Fahrzeug würde für die Initiative die Ladenzeile Auf dem großen Ruhm in Frage kommen. „Da leben viele Menschen drum herum. Die können dann schnell mal mit dem Dorfstromer kleine Besorgungen innerhalb der Stadt erledigen“, sagt Steinecke.