Reinbek. Dank eines digitalen Pilotprojekts sollen zusätzliche Behandlungen im Reinbeker Krankenhaus vermieden werden. Wie das funktioniert.
Wie die Teile eines Puzzles greifen sie bestenfalls ineinander: die Einrichtungen, die dafür sorgen, dass Patienten, wenn sie das Krankenhaus verlassen nicht allein gelassen, sondern weiter gut versorgt sind. Rund 60 Prozent der jährlich etwa 35.000 Patientinnen und Patienten des Krankenhauses Reinbek St.-Adolf-Stift müssen nach dem Aufenthalt nachversorgt werden. Dank des dreijährigen Pilotprojekts SekMa (Sektorenübergreifendes Entlassmanagement) hat die Klinik ihr Entlassmanagement jetzt verbessern können.
Das Land Schleswig-Holstein hat das Projekt mit 490.000 Euro gefördert. Mithilfe des Digitalisierungsprojektes wurde eine engere Vernetzung des Krankenhauses mit den Nachversorgern wie niedergelassenen Ärzten, ambulanten wie stationären Pflegediensten sowie Senioreneinrichtungen und Hospizen ermöglicht.
Brücken über die „zum Teil sehr tiefen Gräben der Sektorengrenzen der Medizin“ bauen
Um den Abschluss des im Adolf-Stift entwickelten Projektes SekMa zu feiern, kamen Vertreter aller Nachversorger sowie Gesundheitssekretär Oliver Grundei nach Reinbek. Der ärztliche Direktor Stefan Jäckle begrüßt sie: „Wir hoffen, dass dieses Projekt sich fortpflanzen wird.“ Er setzt darauf, dass es Brücken über die „zum Teil sehr tiefen Gräben der Sektorengrenzen der Medizin“ baut, um die Genesung der Patienten zu verbessern.
Der Gesetzgeber hat 2021 mit der Telematikinfrastruktur eine durchgängige elektronische Kommunikationen zwischen den unterschiedlichen Akteuren im Gesundheitswesen über Systemgrenzen hinweg etabliert. Laut Projektleiterin Laila Wahle hat sich dies aber erst während der Laufzeit des Projektes konkretisiert.
Viele Vorteile für den Patienten durch das gebündelte Instrumentarium des Projektes
„Wir haben flexibel reagiert und die neu programmierten, frei zugänglichen Lösungen der Telematik genutzt“, berichtet sie. Immer wieder habe sie die Beteiligten mit ins Boot geholt, denn: „Wir Sektoren im Gesundheitswesen sind wie ein Öko-System. Das heißt, wir können es nur gemeinsam schaffen.“ Das gebündelte Instrumentarium des Projektes, darunter verschlüsselte, datenschutzkonforme Mail- und Messenger-Systeme, bietet den Patienten viele Vorteile.
Ein Anzeichen für ein gutes Entlassmanagement eines Krankenhauses kann die niedrige Zahl der etwas flapsig als „Drehtür-Effekt“ beschriebenen Wiederaufnahmen in einem Krankenhaus sein. „Für eine gelingende Nachsorge spielt die reibungslose Zusammenarbeit der beteiligten Sektoren aber eine entscheidende Rolle“, sagt Oliver Grundei und lobt: „Das ist der zentrale Ansatz des Projekts SekMa.“
Wie die Rückkehr einer 83-Jährigen ins Krankenhaus verhindert werden konnte
Denn besonders unter älteren Patienten kommt es nach einem Klinikaufenthalt häufig dazu, dass sie bald wieder in der Klinik behandelt werden müssen. Das hänge damit zusammen, dass sich zu Beginn der 90er-Jahre die Aufenthaltsdauer in den Krankenhäusern im Schnitt halbiert habe, nachdem die Honorierung nach Fallpauschalen eingeführt worden sei.
In einem Fall einer 83 Jahre alten Diabetikerin drohte der Frau ebenfalls die Rückkehr in die Klinik. Ihre chronische Wunde am Bein ist im Adolf-Stift professionell gereinigt, das Blutgefäß zur besseren Durchblutung aufgedehnt worden. Danach wird sie mit einem Therapiekonzept nach Hause entlassen: Dort pflegt sie die SVS Stormarn, ihre Hausärztin betreut sie ambulant. Doch dann heilt die Wunde nicht richtig. Bislang hätte die Hausärztin die 83-Jährige wieder ins St.-Adolf-Stift eingewiesen, ein Rettungswagen hätte sie „durch die Drehtür“ zurückgebracht.
Den Patienten bleiben weitere Krankenhausaufenthalte erspart
Dank SekMa aber kann sich Dr. Annette Sommerfeld, Ärztin der Reinbeker Klinik, mit ihrer Patientin und deren Wundexpertin zu einer elektronischen Visite verabreden, die alte Dame kann zu Hause bleiben. „Da ich die Patientin und ihre Befunde kenne, kann ich ihre Wunden sehr gut in einer Videokonferenz beurteilen“, erläutert die Ärztin.
SekMa ermöglicht es der Medizinerin, datenschutzkonform konkrete Fragen über das Tablet der Wundexpertin zu stellen. Und über die Kamera des Computers kann sie sich ein aktuelles Bild der Wunde machen. Bestenfalls gelingt so die Heilung zu Hause: Der Seniorin bleiben weitere Krankenhausaufenthalte erspart.