Reinbek. Statt ehemals 3000 kamen nur rund 600 Menschen auf die Viva Seniores. Dabei gehen die Themen alle an – selbst Jüngere profitierten.
Fröhliches Kinderlachen im Schlossinnenhof: Die beiden Geschwister Leon (5) und Lina (3) aus Reinbek fanden das fesche rote Elektromobil richtig gut. Das zwei Meter lange Gefährt mit dem Gepäckkorb hinten ist ein richtiger Hingucker. „Und der Mercedes unter den E-Mobilen“, sagt Thorsten Steigskal vom Sanitätshaus Rosenau. Das Interesse an seinen Mobilen mit Maximalgeschwindigkeit von 15 km/h auf der „Viva Seniores“ in Reinbek war dennoch eher verhalten, sagt der Verkäufer.
Das zweite Jahr in Folge blieb die Zahl der Besucher unter den Erwartungen der Veranstalter weit zurück. Kamen vor Pandemiebeginn bis zu 3000 Besucher an beiden Messetagen, waren es in diesem Jahr nur 600, schätzt Kurt Martens, einer der Organisatoren und Sprecher des Seniorenbeirats. Über die Gründe, kann der 77-jährige Reinbeker nur mutmaßen: „Womöglich ist das Vertrauen in Messen und Veranstaltungen noch nicht zurück.“
Informationsbedarf in Reinbek laut Seniorenbeirat hoch
Der Informationsbedarf in einer alternden Stadt aber ist enorm hoch, ist sich Michael Hölzel, stellvertretender Vorsitzender des Seniorenbeirats, sicher. Schließlich sind in wenigen Jahren mehr als die Hälfte der Reinbeker über 60 Jahre alt.
„Eines der Hauptthemen der Senioren ist nach wie vor die Pflege von Angehörigen“, sagt der 69-Jährige. Der Seniorenbeirat kritisiert seit Jahren, dass es Angehörigen zu schwer gemacht wird, sich die Informationen einzuholen. Sie kämpfen dafür, dass Mitarbeiter des Pflegestützpunkt des Kreises mit Sitz in Bad Oldesloe auch regelmäßig eine Sprechstunde in Reinbek abhalten. Ihr Einsatz zeigt erfolgt: Nachdem die Stadtvertreter einem entsprechendem Antrag zugestimmt haben, geht der Antrag nun in den Kreistag. „Wir sind sehr zuversichtlich“, sagt Dr. Heinz-Dieter Weigert, Vorsitzender des Seniorenbeirats.
Älterwerden betrifft auch Jüngere
Wer sich mit dem Thema Pflege beschäftigt, kommt um die Vollmacht und Patientenverfügung nicht vorbei. „Liegt bei uns leider noch nicht in der Schublade“, sagt Ulla Schneider. Die 77-jährige Reinbekerin ist zum ersten Mal auf der Messe und wollte eigentlich nicht hin: „Beim Thema Senioren fühle ich mich nicht angesprochen“, sagt sie mit einem Augenzwinkern.
Ab wann ist man alt? „Diese Frage ist schwer zu beantworten“, sagt Michael Hölzel. „Fest aber steht, dass die Themen des Älterwerdens auch schon Jüngere betreffen.“ Auch gehe es nicht darum, alt zu sein, sondern gut und zufrieden durchs Alter zu kommen. Deshalb heißt die „Viva Seniores“, wie der Werbefachmann die Messe vor acht Jahren getauft hat, auch den Zweitnamen „Messe für lebensfrohe Menschen“. „Familien sind ausdrücklich erwünscht, meine fünf Enkel waren schon alle einmal hier“, sagt Hölzel.
E-Bike-Kursus bietet Training und mentale Unterstützung
Lebensfroh, das ist Ilse Karoline Gierhake in jedem Fall. Die 85-jährige Reinbekerin in rosafarbenem Mantel, passendem Hut und Schal hält mit vielen Besuchern und Ausstellern einen Plausch. „Ich habe bislang noch keine der acht Messen ausgelassen, finde es sehr wichtig, sich mit dem Älterwerden zu beschäftigen. Ob Patientenverfügung oder Grabstelle – ich habe schon fast alles geregelt. Sterben und Tod machen mir keine Angst“, sagt die Reinbekerin.
Nur dass sie im Alter nach einem Sturz kein Rad mehr fahren kann, das bedaure sie sehr und habe sie Elvira Gruber bereits gesagt. Die 55-jährige aus Aumühle ist das erste Mal mit einem Stand auf der Messe vertreten und stellt ihre erst vor vier Monaten gegründete Fahrradschule Sachsenwald vor. „In unseren Kursen lernt man nicht das Radfahren, sondern den sicheren Umgang mit einem E-Bike“, sagt Gruber.
Kurse für mehr Sicherheit auf dem E-Bike
Dass die Unsicherheit nicht von ungefähr kommt, zeigt die Unfallstatistik: „Mehr als die Hälfte der Unfälle mit Pedelecs passieren in der Altersklasse der Ü-65-Jährigen“, sagt die passionierte Radfahrerin, Triathletin und Trainerin mit C-Lizenz für Rennradsport. „Mit dem Alter gehen die Fahrfähigkeiten verloren, lässt die Balance und die Motorik nach“, weiß sie. Deswegen aber das teuer angeschaffte E-Bike im Keller stehen zu lassen, sei ihrer Meinung nach keine Option. Stattdessen plädiere sie für ein Training.
In ihrem vierstündigen Basiskurs lernen die Teilnehmer ihr Rad richtig kennen, dann geht es ans Fahren durch Kurven und über Hindernisse. Bei wem die Angst zu groß ist, dem kann ihr Mann als Ergotherapeut mit Schwerpunkt Psychotherapie mentale Unterstützung anbieten.