Reinbek/Wentorf. Organisation Eurist holt zehn Jungen und Mädchen ans Reinbeker Gymnasium. Woran sie dort intensiv arbeiten werden.

In zwei kleinen Gruppen stehen die Jugendlichen unter den Kastanien vor der Reinbeker Sachsenwaldschule. Sie unterhalten sich angeregt auf Englisch, kichern und stecken die Köpfe zusammen – an sich nichts Besonderes, auch internationale Gäste sind nicht zum ersten Mal am Gymnasium. Doch: Der Besuch aus Uganda ist eine Premiere.

Zehn Schülerinnen und Schüler sowie zwei Lehrer haben sich durch das Virus Covid-19 nicht abschrecken lassen und sind – geimpft und getestet – nach Reinbek gekommen, um gemeinsam mit mit zehn Jugendlichen des zehnten Jahrgangs bei einem Austauschprogramm von Eurist mitzumachen. Zwei weitere Schüler sind am Gymnasium Wentorf zu Gast und sind ebenfalls im Programm. Das Projekt der Organisation Eurist, des Europäischen Institutes für nachhaltigen Transport aus Bergedorf, wird mit Bundesmitteln gefördert.

Das Projekt geht auf die Idee einer Schülerin zurück

„Wir haben ein sehr umfangreiches Programm vor uns“, berichtet Lehrer Gerd Krohn. „Wir erarbeiten uns unter dem Stichwort Nachhaltigkeit das Thema lebenswerte Stadt und werden Vorträge hören, das Modell einer idealen Stadt bauen, Münster besuchen, die Hamburger Hafencity und uns mit dem Öffentlichen Personennahverkehr in Hamburg beschäftigen.“ 16 Tage bleiben die Ugander in der Stadt. Heute und morgen wollen Jürgen Perschon, Geograf und Gründer von Eurist, und Rumbi Ebbefeld, Projektkoordinatorin bei Eurist, sie zuerst mit ihren Vorträgen in das Thema einführen.

Die Nicht-Regierungs-Organisation Eurist setzt sich für eine Politik ein, die die Umwelt verbessert, ebenso wie die soziale und ökonomisch Nachhaltigkeit von Transport und Mobilität auf der gesamten Welt. Das Augenmerk der Organisation liegt auf dem Verhältnis von Transport und der Reduzierung von Kohlendioxid-Emissionen. Außerdem kämpf sie für die Umsetzung der Millennium-Entwicklungsziele Armutsbekämpfung, Umweltschutz, Verkehrs- und Frachtsicherheit. Die Arbeit der Organisation basiert auf einem umfassenden Netzwerk nationaler und internationaler Partner.

Gäste kommen aus viertgrößter Stadt Ugandas

Das Austauschprojekt war die Idee einer Schülerin Gerd Krohns, der Tochter des Wohltorfer Jürgen Perschon. „Sie hatten damals den Bürgermeister Jinjas zu Besuch, und wir haben ihn mit einer Schulklasse getroffen mit ihm gesprochen“, sagt Gerd Krohn. Daraus entstand die Idee, einen zielgerichteten Austausch mit einer afrikanischen Stadt zu installieren. Die Sachsenwaldschule selbst organisiert bisher nur Austauschprojekte mit Schulen im französischen Mulhouse und im schwedisch-finnischen Åland.

Die Voraussetzungen, von denen die Jugendlichen ausgehen, sind sehr unterschiedlich. Die Gäste, die Jugendlichen sind zwischen 15 und 17 Jahren alt, kommen aus der Jinja. Eine „upcoming city“, wie ihr Lehrer Edward Masaazi sie beschreibt, eine „aufstrebende Stadt“. Die Stadt im Südosten Ugandas hat etwa 76.000 Einwohner. Sie ist die viertgrößte Stadt Ugandas und Hauptstadt des gleichnamigen Distriktes und liegt am Viktoriasee nahe der Nil-Mündung.

„In Reinbek gibt es so viele Ampeln“

„Die Schülerinnen und Schüler wurden nach ihren besonderen Fähigkeiten ausgewählt“, sagt ihr Lehrer. Mit dabei ist auch Robinah Ritah Nakalema, eine Vertreterin der First African Bicycle Information Organisation (FABIO), die versucht, Fahrräder in Afrika verstärkt als Verkehrsmittel zu etablieren. Zu den Schülern zählt Maria. Die 15-Jährige ist wie ihre Mitschülerinnen und Mitschüler zum ersten Mal in Europa. „In Reinbek gibt es so viele Ampeln“, hat die Jugendliche beobachtet. „Die haben wir in Jinja nicht.“ Wenn Sie aufzählt, was sie sich für eine ideale Stadt wünscht, wird schnell deutlich, woran es dort mangelt: „Es sollte einige Ampeln geben, ausreichend Rettungsdienste und Radwege!“

Ihre Reinbeker Freundin Pauline (16) hat diese Wünsche gleich in ihre Vorstellungen integriert, obwohl sie selbst noch nicht in Uganda war: „Ich würde mir für meine ideale Stadt ganz viel Elektromobilität wünschen, viele E-Autos“, sagt die Gymnasiastin. „Der Verkehr sollte schon geregelt werden, damit nicht alle kreuz und quer fahren. Also es sollten schon einige Ampeln den Verkehr lenken. Außerdem müssen die Rettungsdienste ausreichende Kapazitäten haben.“ Überhaupt sei Sicherheit ein wichtiger Faktor. Wir können bei uns beispielsweise abends nicht allein hinausgehen“, berichtet Maria. „Denn dann könnten wir in eine Schlägerei geraten.“ Ihre Freundin Pauline hat erfahren: „Die Kriminalitätsrate in Jinja ist sehr hoch. Also, ein freundliches Miteinander wäre in einer Modellstadt auch ein wichtiges Kriterium.“

Erstaunt über die norddeutsche Distanziertheit

Das sei wohl auch eine Frage des Temperaments. „Wir sind von unseren Gastfamilien sehr herzlich aufgenommen worden“, erzählt Edward Masaazi und stellt verwundert fest: „Aber bei uns wären Reisende von einem anderen Kontinent von der gesamten Bevölkerung willkommen geheißen worden.“ Die kühlen Nordeuropäer scheinen ihm etwas distanziert.

Britney (17) findet in Reinbek „alles schön, eigentlich perfekt!“ Nur die Temperaturen sind ihr viel zu kalt. Schlotternd teilt sie sich mit ihrer Reinbeker Freundin einen Schal. Die Reinbeker Frühjahrsluft fühlt sich für sie an wie tiefster Winter. Denn in Jinja fällt die Temperatur nicht unter 14 Grad. Für das nächste Jahr planen die Reinbeker Jugendlichen ebenfalls eine Woche vor den Osterferien ihren Gegenbesuch.

Für Freitag ist ein Kochabend geplant: Die Uganderinnen und Ugander kochen etwas für ihre Gastgeber. Welche Gerichte es geben soll, ob Reis mit Huhn oder mit Fleisch oder Posho and Beans, diskutieren die jungen Leute allerdings noch. „Das Gericht, das am meisten in Uganda gegessen wird, ist Posho and beans, Maisfladen und Bohnen“, verrät Robinah Ritah Nakalema. „Das heißt aber nicht, dass es das Lieblingsgericht in Uganda ist.“ Die Jugendlichen aus Reinbek und Wentorf lassen sich überraschen – Alle sind mittendrin an der Arbeit an einem freundlicheren Miteinander.