Reinbek. Moritz Manthey, Einkäufer beim Energieversorger E-Werk, erklärt, wie er zu hohen Preisen vorbeugen will.

Er ist der Energie-Einkäufer von Reinbek, und in den vergangenen zehn Jahren hat Moritz Manthey (41), Vertriebsleiter im E-Werk Sachsenwald, dabei mit seiner Kollegin Lina-Marie von Hacht immer gute Ergebnisse erzielt. „Das soll auch so bleiben“, sagt Manthey. Doch seitdem Russland die Ukraine angegriffen hat, ist alles anders.

Russland liefert mehr als 50 Prozent des in Deutschland verbrauchten Erdgases, für Süddeutschland sogar fast 100 Prozent. „Sollten diese Lieferungen kurzfristig ausfallen, ist das eine große Herausforderung“, sagt Manthey. „Auch das E-Werk blickt bestürzt und mit großer Sorge auf die Lage in der Ukraine. Leidtragende dieses Krieges ist in erster Linie die ukrainische Bevölkerung. Die Folgen sind zurzeit weder geopolitisch noch energiepolitisch und -wirtschaftlich absehbar.“

Warum die Preise schon seit Mitte 2021 steigen

Schon seit Mitte 2021 sind die Preise für Strom und Gas an den Großhandelsmärkten auf einem historischen Höchststand. „Für diese Preisentwicklung gibt es viele Gründe“, sagt der 41-Jährige. Er nennt beispielhaft die weltweit anziehende Wirtschaft, die Speicherstände und die klimapolitischen Zielsetzungen. „Und natürlich auch die Ukraine-Krise.“ Ob das aktuelle Preisniveau sich langfristig verfestigen werde, könne jetzt nicht sicher prognostiziert werden.

„Die Gas- und die Strompreise werden für die Bestandskunden nach aktuellem Stand dieses Jahr nicht mehr erhöht“, sagt er. Ob beim Strom wegen der aktuellen Debatte um die EEG-Umlage sogar ein Senkungspotenzial besteht, kann er noch nicht sagen. Das E-Werk beliefert 8300 Haushalte in Reinbek, Wentorf, Glinde, Barsbüttel, Oststeinbek, Aumühle und Wohltorf mit Gas und 25.000 Haushalte mit Strom. Auch das E-Werk musste Anfang des Jahres seine Preise wegen der CO2-Abgabe um zehn Prozent anheben. Für Gas liegen sie bei 5,8 Cent pro Kilowattstunde (Grundpreis: 14,28 Euro pro Monat).

Herkunft des Gases war bislang nie von Interesse

Das E-Werk verfolgt bei der Energiebeschaffung gewöhnlich einen langfristigen Ansatz, macht also Termingeschäfte, um sowohl den günstigsten Preis zu erzielen als auch die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Woher das eingekaufte Gas stamme, sei im Einzelnen nicht nachvollziehbar. Denn auch das E-Werk kauft seine Energie über Vorlieferanten an der Energiebörse. Bisher war dies auch nicht von Interesse. Die Politik hatte in den vergangenen 20 Jahren für die nötigen Importbedingungen gesorgt, weil Russland als verlässlich galt. Das ist nun Geschichte.

Für 2024 kauft das E-Werk das Gas bereits jetzt ein, eigentlich hätte man schon mit den Käufen für 2025 beginnen müssen. „Doch jetzt warten wir lieber zwei bis drei Monate und machen Teileinkäufe“, erläutert Manthey.

Risikoarmer Einkauf schützt vor Ausreißern am Großmarkt

Das sei vergleichbar mit dem Auto, dessen Tank man nicht ganz fülle in der Hoffnung, dass die Benzinpreise wieder sinken. Manthey und seine Kollegin versuchen daher durch bestmögliche Teilkäufe, das Risiko eines zu hohen Preises zu minimieren. „So erreichen wir einen Preis hoffentlich unter dem Durchschnitt“, sagt er. „Unser Job ist es, jeden Tag auf dem Laufenden zu bleiben.“ Dabei müsse er die Nachrichten nicht 24 Stunden im Blick behalten. „Das machen die großen Energiehändler für uns, wir beobachten sie zu unseren Geschäftszeiten“, sagt er. „Wir treffen keine 15-Minuten-Entscheidungen, Hektik ist im Energie- und Gas-Geschäft nie ein guter Ratgeber.“ Mit Beginn des Lieferjahres habe sich das E-Werk daher bereits mit den nötigen Mengen eingedeckt. Diese risikoarme Beschaffung führe nicht zu den billigsten Angeboten, schütze aber vor den Ausreißern am Großmarkt.

Welche Bedeutung Flüssiggas haben wird

Die gemeinsamen Anstrengungen der EU, der Bundesrepublik aber auch der Energiewirtschaft zeigen erste positive Ergebnisse. So war der Anteil russischen Gases am deutschen Gasmix in den vergangenen Monaten bereits rückläufig. Schon seit Dezember, als die Preise anzogen, gab es mehr Angebote an Flüssiggas auf dem Markt. Nach Daten der Unternehmensberatung Ganexo sank der russische Anteil am deutschen Gas so auf weniger als 30 Prozent. LNG (Liquified Natural Gas) genanntes Flüssiggas ist Erdgas, das auf minus 162 Grad Celsius heruntergekühlt wird und so im flüssigen Zustand nur noch ein Sechshundertstel seines Volumens aufweist. So kann es in Tankschiffen aus Katar, Australien oder den USA transportiert werden. Doch es gebe drei Engpässe, die den vollständigen Ausgleich des russischen Gases begrenzen: die Kapazitäten der Flüssiggasproduktion, die Transportkapazitäten sowie die Entladekapazitäten. Deutschland brauche jetzt Entlade-Terminals.

„Weil wir einen relativ milden Winter hatten, sind die Gasspeicher noch gut gefüllt, vergleichbar mit 2021“, berichtet Manthey. Die Energieimporte seien im Moment noch von den Sanktionen ausgenommen. Mittel- bis langfristig werde die Politik die Weichen stellen müssen, um die Importabhängigkeit von Russland bei fossilen Rohstoffen zu reduzieren. Laut Pariser Abkommen soll Gas spätestens 2045 keinen Beitrag an der Energieversorgung mehr leisten. „Ich kann mir vorstellen, dass die aktuellen Entwicklungen hier als Katalysator wirken“, sagt Manthey. Wie schnell, werde sich zeigen.