Reinbek/Bergedorf. Lehrer an Reinbeker und Bergedorfer Schulen versuchen, sensible Antworten auf viele Fragen zu geben und setzen ein Zeichen.

Wie groß ist eine Bombe? Was ist Krieg? Kommt er auch zu uns? Solche Fragen muss Bianca Hotze, Co-Rektorin an der Gertrud-Lege-Grundschule, und ihr Kollegenteam derzeit öfter beantworten. „Vor allem unsere älteren Schüler in den dritten und vierten Klassen beschäftigt der Krieg in der Ukraine sehr“, sagt die Pädagogin. Zumal der Anteil an Schülern mit russischen Wurzeln an der Neuschönnigstedter Schule hoch ist. „Da müssen wir aufpassen, dass es keine Schuldzuweisungen gibt und den Kindern klar machen, dass sie für die momentane Situation nichts können“, sagt Hotze.

Leicht sei es momentan weder für die Kinder noch für die Lehrer. Die haben nicht auf alle Fragen eine Antwort und sind auch müde von der Pandemie, gibt Hotze offen zu. „Eine Krise jagt die nächste. Dabei haben wir die erste noch nicht einmal beendet, sind noch dabei, die Folgen zu bewältigen.“ Insbesondere im Sozialverhalten beobachtet die Lehrerin durch die Pandemie Veränderungen bei den Schülern: „Einige Kinder sind es nach den Lockdowns nicht mehr gewohnt, mit anderen zu spielen, kennen weniger Spiele und ihre Regeln, brauchen länger, um sie zu verstehen.“

Die Schule ist bei russischstämmigen Familien beliebt

Das kann Christiane Roling, kommissarische Leiterin der katholischen Grundschule in Bergedorf, bestätigen: „Das veränderte Sozialverhalten ist das eine. Das andere ist, dass die Pandemie die Schere zwischen den schwachen und leistungsstarken Schülern vergrößert hat.“ Ihre Schule steuert mit gezielten Förderstunden entgegen. Momentan sei es wieder schwer, einfach nur Unterricht zu machen. „Der Gesprächsbedarf bei den Kindern und unter den Kollegen ist groß, wird allen – ohne Pause – wieder viel abgefordert“, sagt Roling.

Bei den Kindern selbst beobachtet sie eine sehr unterschiedliche Informationslage aus unterschiedlichen Quellen. Die Schule ist bei russischstämmigen Familien beliebt, viele Kinder wachsen zweisprachig auf. Mit Sorge habe sie beobachtet, dass sich einige Kinder aus diesen Familien an den Gesprächen über den Krieg nicht beteiligen und sich in sich zurückziehen. „Den Kindern zu vermitteln, dass sie keine Schuld trägt, dass alle unabhängig von ihren Wurzeln gleich sind, ist uns wichtiger denn je.“

Kindgerechte Informationen zum Thema Krieg gibt es im Internet auf kika.de

Abzuwägen, wie viele Informationen man den Kindern derzeit zumuten kann, ohne Ängste auszulösen, da sei momentan die Herausforderung. Ihren 32 Kollegen hat sie geraten, die Kinder selbst kommen zu lassen: Was wissen sie schon? Was wollen sie wissen? Kinder zwischen sechs und zehn Jahren ungefiltert Nachrichten für Erwachsene sehen und hören zu lassen, davon rate sie – auch als Mutter – ab.

Kindgerechte Informationen zum Thema Krieg gibt es im Internet auf kika.de, empfiehlt Karen Schmedemann, Leiterin der Grundschule Mühlenredder in Reinbek. „In sachlichen Kurzfilmen werden die Kinder da abgeholt, wo sie sind.“

„Weiß steht für Hoffnung“, hat Lian Jan Jedrzejczak gelernt

Das haben auch die Lehrkräfte an der katholische Schule getan: Das Bedürfnis, etwas zu tun, war unter den Schülern und Pädagogen groß. Neben Friedensgebeten haben die 498 Grundschüler Hunderte weiße Friedenstauben gebastelt und sichtbar in die Fenster geklebt.

„Weiß steht für Hoffnung“, hat Lian Jan Jedrzejczak gelernt. Und dass die Ukraine nur drei Flugstunden entfernt ist. Der Achtjährige schaut gerade viel Nachrichten, denn ein Teil seiner Familie lebt in Polen. Dort, wo gerade viele Ukrainer Zuflucht suchen. Er weiß genau von der Lage vor Ort: Wir haben Geld gespendet und warme Kleidung geschickt“, erzählt er.

Lehrpläne dürfen verändert werden und lassen Spielraum

Den Kindern und ihr habe es gut getan, die Tauben zu basteln und ein Zeichen zu setzen, sagt Klassenlehrerin Stefanie Bandahl. In den vergangenen Tagen habe sie durchaus Ängste bei ihren Zweitklässlern bemerkt. Diese aufzulösen, das sei ihr wichtig. Und den Kindern zu vermitteln, dass den Krieg allein die Politiker beenden können.

Ein Ansatz, den Volker Nötzold, Vorsitzender des Landeselternbeirats für Grundschulen und Förderzentren in Schleswig-Holstein, durchaus gutheißt. „Lehrpläne dürfen verändert werden und lassen Spielraum, um über solch aktuell wichtigen Themen zu sprechen“, sagt Nötzold. Der Vater sei überzeugt, dass Kinder aus den Gesprächen viel lernen. Er vertraue da den erfahrenen Pädagogen und sei zuversichtlich, dass die Schulen samt Förderzentren den voraussichtlichen Ansturm an Flüchtlingen aus der Ukraine gewachsen sind.