Reinbek. Das rote Instrument in der Nathan-Söderblom-Kirche ist durch seinen besonderen Klang berühmt. Es sind mehrere Festkonzerte geplant.

Ihr Klang ist rein und voll, ihre äußere Erscheinung knallrot: Niemand würde vermuten, dass die Ahrendorgel in der Nathan-Söderblom-Kirche am 12. März bereits ein halbes Jahrhundert alt wird. „Ein klangliches Juwel“ ist sie für Kantor Jörg Müller. Zu dem Jubiläum lädt er für Sonntag, 27. Februar, zum ersten festlichen Konzert einer ganzen Reihe ein.

Im März 1972 ist in Deutschland gerade der Taschenrechner HP-35 der Firma Hewlett-Packard auf den Markt gekommen, man müht sich, die Anrede „Fräulein“ abzuschaffen, in Stade geht das erste deutsche Kernkraftwerk in Betrieb, und der Staatsbesuch des amerikanischen Präsidenten Richard Nixon in die Volksrepublik China gleicht vielen einer Reise zum Mond. Die Reinbekerinnen und Reinbeker aber warten auf ihre neue Orgel für ihre 1966 von Architekt Friedhelm Grundmann am Täby-Platz erbaute Kirche.

Jubiläum der Orgel, die viele Organisten anlockte

Orgelbauer Jürgen Ahrend hatte sich in der Region bereits einen Namen gemacht und volle Auftragsbücher. Während seiner Restaurierungen machte er sich mit dem alten Kunsthandwerk und der Technik vertraut. Schon die ersten Arbeiten seiner Werkstatt erregten Aufmerksamkeit. „Er hatte einen richtig großen, guten Namen“, erzählt Müller. „Es ist schon erstaunlich, dass hier in Reinbek, in so einer piefigen Kleinstadt, solch ein Orgelbauer beauftragt worden ist. Durch diese Orgel wurde Reinbek zum Sprungbrett für tolle Organisten.“

Viel Aufmerksamkeit galt der Kirchenmusik in Reinbek

Das Instrument sei eine besondere Barock-Orgel, obwohl sie nicht aus der Barock-Zeit stammt. Doch Orgelbauer Jürgen Ahrend aus Leer war ein Spezialist für die Restaurierung alter Orgeln. „In Ostfriesland gibt es viele alte Orgeln“, weiß Jörg Müller. Ahrend hat unter anderem die Arp-Schnitger-Orgel der Jacobikirche in Hamburg restauriert.

In der Kirchengemeinde der Na­than-Söderblom-Kirche schien der Kirchenmusik schon zu Planungszeiten eine besondere Aufmerksamkeit gewidmet worden zu sein. In dem heute denkmalgeschützten Gebäude war schon während des Baus ein besonderer Wert auf die Akustik gelegt worden. „Es sollte von Anfang an eine Konzertkirche werden“, stellt Jörg Müller fest. Da durfte es dann auch keine Fließbandware sein. Das hat geklappt, bestätigt Müller, der 15 Jahre alt war, als die Orgel endlich ihren angestammten Platz auf der Empore der Kirche am Täby-Platz fand.

Form der Pfeifen beeinflussen den Klang

1955 hatte der Orgelbauer seine eigene Pfeifenwerkstatt eingerichtet, die Basis eines hohen Qualitätsstandards. So stellte er die Pfeifen des Reinbeker Instruments aus unterschiedlichen Legierungen aus Blei und Zinn her, das Metall der Pfeifen ist unten doppelt so dick wie oben. Diese Form wirke sich auf den Klang aus: „Das ist die Kunst des Orgelbauers und macht den besonderen Klang aus“, erklärt Müller. „Ahrend hat darin seine Ideen von Klang verwirklicht.“

Außerdem sind alle Materialien aus der Natur: Holz, Metall und Leder, sogar Knochenleime habe er verwendet – wie in einer Orgel aus der Barock-Zeit. Diese beinhalteten schließlich auch keine Kunststoffteile. Da Holz arbeitet, verwendete er nur jahrelang abgelagertes Eichenholz und hat alle Materialien auf den Millimeter genau ausgearbeitet. Die Orgel habe eine so gute Qualität, dass sie selten nachgestimmt werden müsse.

Farbe wurde auf die Kirchenbänke abgestimmt

Die Reinbeker Konzertorgel ist in Jürgen Ahrends Werkverzeichnis die 75. Das Besondere an dieser Ahrendorgel ist nicht nur, dass jedes Teil aus Naturmaterialien selbst gefertigt wurde, sondern auch die rote Farbe. Die wurde auf die roten Bänke im Kirchenraum abgestimmt. Mit 20 Registern – das ist eine Reihe von Pfeifen gleicher Klangfarbe – ist sie zwar eher eine kleine Orgel. Dennoch biete sie ein besonderes Klangerlebnis, schwärmt der Kirchenmusiker.

„Wenn ich ein Register ziehe, flutscht es leichtgängig rein und raus“, erzählt er. „Der Ton ist absolut präzise und trotzdem leichtgängig. Sie spielt sich fast von alleine – wenn man es kann.“ Die schönen Klangfarben waren ihm schon als Schüler gleich aufgefallen. Doch es dauerte, bis Jörg Müller sich auf ihr eingespielt hatte. „Sie war auch hoch kompliziert, das Pedal war anders, auch die kurzen, kleinen Tasten“, erinnert er sich. Heute ist Müller Organist und Kirchenmusiker der Nathan-Söderblom-Kirche sowie der Maria-Magdalenen-Kirche in Reinbek. Und er ist Kreiskantor in der Propstei Wandsbek-Billetal.

Die Konzertorgel ist nicht für jeden leicht zu spielen

Sein Lehrer Pepe Rada war der erste Organist, der es schaffte, das Instrument auch den Reinbekern näherzubringen. Die Ahrendorgel hatte den Spezialisten für alte Musik nach Reinbek gelockt, obwohl er noch nicht so gut Deutsch konnte. Vor ihm mangelte es noch an Kirchenmusikern, die mit der Konzertorgel zurechtkamen. Beim Einweihungsgottesdienst 1972 habe es nur ein längeres Orgelstück gegeben. „Das ist ein bisschen merkwürdig“, stellt Müller fest. Doch zum 50. Jahrestag wird alles nachgeholt.

Beim ersten Jubiläumskonzert am Sonntag, 27. Februar, will Jörg Müller Werke von Johann Sebastian Bach, Dieterich Buxtehude und Heinrich Scheidemann spielen. Dann klingt auch wieder das kleine Glockenspiel des Zimbelsterns. Das Konzert ist kostenlos und beginnt um 17 Uhr. Kollekten für die Orgel und ihre Erhaltung sind willkommen. Bedingung für den Eintritt ist 2G, das Publikum muss also geimpft oder genesen sein. Über das Jahr plant Jörg Müller fünf weitere Konzert mit verschiedenen Kollegen sowie das Reinbeker Orgelfest im Oktober. Mehr Informationen gibt es online unter www.kirche-reinbek-west.de.