Wentorf. Esel haben einen schlechten Ruf – völlig zu Unrecht. Freude über die Ernennung zum Haustier des Jahres ist groß beim Verein Lerntiere.

Ihr Ruf ist nicht der beste, oft werden sie belächelt – doch Esel sind weder stur, störrisch noch dumm, weiß Karen Wohltorf. Die 50-Jährige, die im Verein Lerntiere an der Lohe in Wentorf eine besondere Vorliebe für das Grautier hat, ist ebenso wie Vereinsgründerin Verena Neuse entzückt davon, dass der Esel jetzt zum Haustier des Jahres 2022 ernannt worden ist.

Die Stiftung Bündnis Mensch und Tier wählt jedes Jahr eine Tierart zum Haustier des Jahres. „Wir möchten dazu einladen, den Esel neu kennenzulernen“, sagt Carola Otterstedt von der Stiftung. Nicht das herkömmliche und vorurteilsbeladene Bild dieses Haustiers soll im Vordergrund stehen, sondern eines, das durch Erkenntnisse aus der Wissenschaft seine Talente in den Vordergrund stellt und sein Verhalten erklärt.

Denn überall auf der Welt fänden sich Esel, die für und mit Menschen arbeiten. „Esel sind gute Begleiter des Menschen, und so verdienen sie es, dass wir sie nicht nur artgemäß halten, sondern auch ihre mentalen und sozialen Bedürfnisse würdigen und unterstützen“, heißt es in der Begründung für die Wahl 2022 auf der Homepage der Stiftung. Den dummen Esel gebe es nicht, er sei vielmehr ein Spiegel seines Halters. „Und so können wir gutmütige, zufriedene und sozial aktive Esel dort erleben, wo auch der Mensch an seiner Seite offen für ein gutes Miteinander ist“, sagt Carola Otterstedt.

Sehr helle und kreativ – und ein wunderbarer Entschleuniger

Auch für tiergestützte Begegnungen und Therapien sei der Esel ideal, sagt Verena Neuse, die auch Inhaberin des Hofes der Lerntiere an der Lohe ist. „Sie sind nicht so schreckhaft wie Pferde, bleiben ruhig stehen, auch wenn jemand mal hektisch wird. Sie sind einfach wunderbare Entschleuniger.“

Sie weiß aus Erfahrung, dass „Esel eigentlich sehr helle und kreativ sind“. Drei der Langohren leben auf ihrem Hof: Karlchen, Ole und Herbie. „Ihre Kreativität müssen wir bedienen, sonst hecken sie nur Blödsinn aus“, erzählt Neuse. Esel sollten schon gar nicht allein, aber auch nicht allein unter Pferden gehalten werden. Denn sie sind zwar verwandt, aber doch ganz anders als Pferde, sie haben auch andere Bedürfnisse.

„Man sollte nicht glauben, man kenne sich mit Eseln aus, nur weil man seit Jahren Pferde hält“, warnt Verena Neuse. So seien Esel zwar wie Pferde Herdentiere, doch eine hierarchische Struktur wie in der Pferdeherde ist ihnen fremd. Entsprechend sehen sie es auch nicht ein, warum ausgerechnet ein Mensch ihnen sagen sollte, wo es lang geht.

Esel sind „eher meinungsstabil“.

„Will ein Mensch sie irgendwo hinführen, sagen sie sich: ,Gute Idee, lass mich aber kurz darüber nachdenken‘“, erläutert Verena Neuse. „Sie sind sehr wachsam und vorsichtig. Esel sind jedenfalls nicht stur, sondern eher meinungsstabil. Sie wollen einfach mitreden.“ Je mehr Druck auf sie ausgeübt werde, desto mehr Zeit bräuchten sie. „Das ist wie bei Kindern oder Mitarbeitern“, stellt sie mit einem Augenzwinkern fest. „Ihre Wahrnehmung ist ein Gegenentwurf zu unserer hektischen Zeit – und das macht sie wieder zeitgemäß.“.

Verena Neuse wollte schon als Kind einen Esel haben. „Seitdem ich das Kinderbuch ,Mein Esel Bejamin‘ verschlungen habe, wollte ich auch einen haben“, verrät die Tierfreundin. Doch es dauerte dann doch, bis zu ihrem tierischen Team auf dem Hof neben den gelassenen Pferden und geduldigen Ponys, freundlichen Ziegen, lustigen Minischweinen, verschmusten Katzen und zutraulichen Hühnern auch die neugierigen Esel dazustießen. Karlchen und Ole, die von ihrem betagten Halter nicht mehr versorgt werden konnten, waren die ersten Langohren, die bei ihr einzogen. „Als ich gelesen hatte, dass Esel zehn Jahre pubertieren, habe ich noch mal schnell nachgeschaut und aufgeatmet: Uff, sie sind zwölf Jahre alt“, erinnert sie sich lachend. Später kam Herbie hinzu, der ursprünglich vom Hof des „Knochenbrechers“ Tamme Hanken kommt.

Eselfell saugt sich im Regen voll wie ein Wollpulli

Karen Wohltorf berichtet, dass die Esel aus kargen afrikanischen Geröllwüsten stammen. Entsprechend sind weder die fetten Weiden Norddeutschlands noch das nasse Klima etwas für sie. „Sie sind eigentlich permanent am Fressen, um keine Kalorie zu verpassen“, erläutert die Fachkraft für tiergestützte Intervention, die seit eineinhalb Jahren Eselwanderungen und -spaziergänge mit den Lerntieren anbietet. Auch starker Regen sei nichts für Esel: „Ihr Fell saugt sich voll wie ein Wollpulli.“

Karen Wohltorf erarbeitet gerade ein Walk-und-Talk-Format mit Eseln. Bei etwa zwei Stunden langen Rundgängen können Teilnehmerinnen und Teilnehmer zwanglos miteinander ins Gespräch kommen. Kontakt: www.lerntiere.de.