Wentorf. Ein Streit zwischen Politik und Verwaltung in Wentorf landet jetzt vor Gericht. Das wird Bürgermeister Dirk Petersen vorgeworfen.

Eine Klage gegen den Bürgermeister – an einen derartigen Fall im Kreis Herzogtum Lauenburg kann sich Karsten Steffen nicht erinnern. Und der Leiter der Kommunalaufsicht des Kreises Herzogtum Lauenburg hat immerhin eine 30-jährige Erfahrung in der Kreis-CDU hinter sich. Genau das jedoch passiert jetzt in Wentorf: „Ich habe einen Anwalt damit beauftragt, gegen den Verwaltungschef Dirk Petersen vor dem Verwaltungsgericht in Schleswig Klage einzureichen“, berichtet Bürgervorsteher Lutz Helmrich (CDU).

Pikant: Der Wentorfer Unternehmensberater (54) will im nächsten Jahr bei der Bürgermeisterwahl antreten. Wegen seiner Klage sieht er sich indes nicht im Interessenkonflikt: „In meinem Kopf kann ich meine Aufgabe als Bürgervorsteher klar vom Wahlkampf zum Bürgermeister trennen“, erklärt er. „Meine Vorstellungen von diesem Amt sind etwas anders, als sie im Moment gelebt werden. Der Verwaltungschef muss umsetzen, was die Politik entschieden hat.“

Gemeindevertretung in Wentorf hatte Widerspruch zurückgewiesen

Mit der Klage erfülle er den Auftrag der Gemeindevertretung. Denn zwischen der Politik und dem Rathauschef ist ein Streit darüber entbrannt, wer entscheidet, ob eine Sitzung online oder in Präsenz gehalten werden soll. Die Gemeindevertretung hatte im September einen Widerspruch von Bürgermeister Petersen (parteilos) zurückgewiesen.

Wer hat im Wentorfer Rathaus das Sagen? Die Politik oder der Verwaltungschef? Das soll jetzt das Verwaltungsgericht Schleswig entscheiden.
Wer hat im Wentorfer Rathaus das Sagen? Die Politik oder der Verwaltungschef? Das soll jetzt das Verwaltungsgericht Schleswig entscheiden. © Susanne Tamm

Diese Zurückweisung wiederum hat der Wentorfer Verwaltungschef beanstandet. „Jetzt bleibt der Gemeinde nur noch der Rechtsweg, wenn es keine andere Einigung gibt“, sagt Karsten Steffen. Diese Möglichkeit zum Kommunalverfassungsstreit sehe die Gemeindeordnung Schleswig-Holsteins so vor. „Das ist der ordnungsgemäße Weg, auch wenn er äußerst selten ist“, erläutert der Leiter der Kommunalaufsicht. Allerdings gebe es auch viele Alternativen, um diesen letzten Weg zu vermeiden.

Ursprung des Streits liegt in der Corona-Pandemie

Der Ursprung des Streit liegt tatsächlich in der Pandemie. Während des Lockdowns hat die Gemeinde einige Zeit gebraucht, bis sie es geschafft hat, sowohl die technischen als auch die rechtlichen Voraussetzungen zu erfüllen, damit politischen Sitzungen auch online laufen können. „Wir haben den Finanzausschuss, den Planungs- und Umweltausschuss und im März auch eine Gemeindevertretung digital abgehalten“, berichtet Lutz Helmrich. „Das hat besser geklappt, als die meisten von uns erwartet haben. Wir hatten sogar eine höhere Bürgerbeteiligung als in den Präsenzsitzungen. Für die Einwohnerfragestunde mussten die Themen vorab eingereicht werden, den Livestream haben wir in einen Saal im Rathaus übertragen.“

„Die Gemeindeordnung Schleswig-Holstein erlaubt Onlinesitzungen nur im absoluten Ausnahmefall“, sagt Dirk Petersen, Bürgermeister.
„Die Gemeindeordnung Schleswig-Holstein erlaubt Onlinesitzungen nur im absoluten Ausnahmefall“, sagt Dirk Petersen, Bürgermeister. © Gerullis | Undine Gerullis

Doch dann habe der Bürgermeister weitere Online-Sitzungen abgelehnt. „Die Zahlen hatten sich wieder entspannt“, erklärt Bürgermeister Dirk Petersen dazu. „Wir haben als Verwaltung alles daran gesetzt, Online-Sitzungen zu ermöglichen. Aber die Gemeindeordnung erlaubt sie nur im absoluten Ausnahmefall.“ In Wentorf seien die politischen Zusammenkünfte aber auch in Präsenz unter Einhaltung der Corona-Regeln möglich. Die Öffentlichkeit der politischen Sitzungen und der Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern sei ein hohes Gut. Die Gemeindeordnung sehe außerdem vor, dass die Ausschussvorsitzenden gemeinsam mit dem Bürgermeister im Einvernehmen entscheiden, ob online getagt werde. „Aber es gab kein Einvernehmen“, stellt Dirk Petersen rückblickend fest.

Bürgermeister hat nach Wünschen der Politik einzuladen

Die Kommunalaufsicht habe sich seiner Meinung angeschlossen, während eine Anfrage der Grünen beim Innenministerium in Kiel ergeben habe, dass der Bürgermeister nach den Wünschen der Politik einzuladen habe. Das Ministerium verweist auf Anfrage unserer Redaktion an die „zuständige Kommunalaufsicht“. Doch auch Karsten Steffen will den Streit nicht bewerten.

Dirk Petersen hatte die Frist für die Einladung verstreichen lassen. Der Hauptausschuss hat daraufhin beschlossen, dass der Bürgermeister künftig die Entscheidungen der Ausschussvorsitzenden zu respektieren und umzusetzen habe. Dem hat Petersen widersprochen: vor allem wegen des Öffentlichkeitsgrundsatzes, aber auch wegen der hohen Kosten, und weil er um die Rechtssicherheit der Beschlüsse dieser Sitzungen fürchtete.