Reinbek. Im Sommer hatten sich die beiden Parteien noch gegen einen Bürgerentscheid entschieden. Warum sie es sich anders überlegt haben.
Nun also doch. Nachdem sich CDU und SPD im Sommer noch gegen einen Bürgerentscheid über die Zukunft des Holzvogtlands entschieden haben, wollen sie jetzt selbst einen initiieren. Über einen entsprechenden Antrag möchten beide Fraktionen in der nächsten Stadtvertretersitzung am 9. Dezember abstimmen lassen.
Bürgerinitiative Holzvogtland sammelt bereits Unterschriften
Sollte die Mehrheit der Politiker dafür stimmen, könnten die Reinbeker am 8. Mai möglicherweise über zwei Bürgerentscheide zu ein und demselben Thema – nur mit unterschiedlicher Fragestellung - entscheiden.
Zum einen sammelt, wie berichtet, die Bürgerinitiative (BI) Holzvogtland seit dieser Woche Unterschriften für ein Bürgerbegehren und will, wenn sie die dafür notwendigen 1800 Unterschriften zusammen hat, einen Bürgerentscheid initiieren.
Bürger sollen ihre Zukunftsvision von Reinbek selbst entwickeln
„Der Zuspruch ist groß, wir sind guten Mutes, dass wir die Unterschriften zusammen kriegen“ sagt BI-Sprecher Robert Hertl. Er will von den Reinbekern wissen, ob das Gebiet Holzvogtland zwischen Prahlsdorf und Schönningstedt von Bebauung frei gehalten werden soll.
„Ich möchte nicht, dass die Entwicklung Reinbeks allein von Investoren geleitet wird. Ich möchte, dass die Bürger zusammen eine Vision entwickeln und wir grundsätzlich einmal die Frage klären, wohin sich Reinbek entwickeln soll“, sagt Hertl.
Der jüngste Vorstoß von CDU und SPD, einen konkurrierenden Bürgerentscheid durchzusetzen, habe ihn sehr verwundert, „zumal die Parteien im Sommer noch einen Bürgerentscheid mit der Begründung abgelehnt haben, dass der die Bürger überfordere“, sagt Hertl.
CDU hält zweiten Bürgerentscheid für sinnvoll
Diese Bedenken hat Patrick Ziebke, CDU-Fraktionschef, jetzt nicht mehr: „Wir müssen die Bürgerentscheide eben ein bisschen bewerben und erklären. Das ist Arbeit, aber vor den Landtagswahlen werden wir sowieso mit Ständen präsent sein“, ist Ziebke zuversichtlich.
Er hält einen zweiten Bürgerentscheid durchaus für sinnvoll: „Wir müssen den Bürgern eine Alternative zu der Fragestellung des ersten Entscheids bieten. Denn der Bedarf an bezahlbarem Wohnraum ist groß“, sagt Ziebke.
CDU und SPD wollen von den Bürgern wissen, ob sie die Bebauung einer Teilfläche des Holzvogtlands, dem sogenannten Stahmers Acker, einer fünf Hektar großen Fläche zwischen Kampsredder im Norden und einem Knick im Osten, befürworten.
400 Menschen warten auf eine Sozialwohnung
„Wenn die Bürger jetzt grundsätzlich eine Bebauung des Holzvogtlands ablehnen, dann dürfen wir das gesamte Gebiet für die nächsten zwei Jahre nicht mehr anfassen. Dann läuft uns wichtige Zeit davon“, erklärt Nikolaus Kern, SDP-Fraktionsvorsitzender.
Denn in sechs Jahren verliert Reinbek weitere 137 Sozialwohnungen, es bleiben nur noch 74 Wohnungen übrig. „Dann wird die Not noch größer. Schon jetzt stehen über 400 Personen auf der Liste für eine Sozialwohnung“, sagt Kern.
Ob der Antrag von CDU und SPD durchgeht, ist fraglich. „Diese Fragestellung ist gegenüber dem Bürger eine Frechheit und verwirrt unnötig“, sagt Bernd-Uwe Rasch, FDP-Fraktionsvorsitzender. Seine Fraktion werde dagegen stimmen.
Grüne steigen nach Sichtung der Bebauungspläne aus
Und auch die Grünen werden nicht dafür stimmen, obwohl sie grundsätzlich eine Bebauung von Teilen des Holzvogtlands für richtig halten. „Wir steigen ganz aus, nachdem wir die finalen Bebauungspläne der Investoren Janno Krieger und Kai Dusenschön gesehen haben“, sagt Günther Herder-Alpen, Grünenfraktionsvorsitzender.
Die Pläne wurden den Fraktionen präsentiert. Grund für den Entschluss: Zu wenig sozialer Wohnraum, zu wenig ökologische Ausrichtung, zu viel versiegelte Fläche. „Hier wurden nicht die Vorgaben unseres Grundsatzbeschlusses vom Juni eingehalten“, sagt Herder-Alpen.
Zwei Hektar für günstigen Wohnraum wurde zu einem Hektar
Ausgemacht zwischen Investor und Stadt war, dass zwei Hektar der gesamten Fläche über einen Erbbaurechtsvertrag an die Stadt übergehen und die hier, beispielsweise mit einer Wohnungsbaugenossenschaft, dauerhaft günstigen Wohnraum errichten wollte. Doch die zwei Hektar schrumpften zu einem, anders würde sich das nicht rechnen, so die Investoren.
Allerdings: „Von den geplanten 300 Wohnungen wären auch nur 70 öffentlich gefördert. Das ist uns eindeutig zu wenig“, sagt Grünensprecher Markus Linden, der in den Architektenplänen eine zweite Schröders Koppel mit Doppelhäusern in vorderster Reihe und mehrgeschossigen Mehrfamilienhäusern in den hinteren Reihen erkennt.
Der Architekt wäre der gleiche. „Zukunftsweisend ist das nicht. Hier wurde eine große Chance vertan“, sagt Günther Herder-Alpen.