Wentorf. Neue Kunstschule im alten Gärtnerhaus des WAI. Gäste der Kulturwoche sind froh über alles, was möglich ist
Der großzügige Park atmet geradezu Kunst und Kultur: Am Sonntag hatte der Kunstsammler und Eigentümer des Woods Art Institute (WAI) Rik Reinking sein Gelände auch für die Öffentlichkeit geöffnet. Bis 15 Uhr hatten bereits etwa 50 Gäste die einmalige Möglichkeit genutzt, während der Wentorfer Kulturwoche einmal durch den Park mit den alten Bäumen zu wandeln und einen Blick durch die Fenster auf die hochkarätige Kunstsammlung zu werfen.
Unter ihnen waren beispielsweise auch Steffi und Dirk Henneberg aus Lohbrügge. „Ich bin Teilnehmerin eines Malkurses von Ute Sollmann hier auf dem Areal und habe schon einmal eine Führung durch die Sammlung genießen dürfen“, erzählte sie. „Jetzt wollte ich den Park auch einmal meinem Mann zeigen – wir sind schwer angetan.“
Kunstschule Gärtnerhaus: alles andere als ein „elitärer Verein“
Ute Sollmann und Silke Scheffler haben zuvor das Atelier Malzeit am Südring geleitet. Durch das Projekt „Museum macht stark“ kamen sie zum Woods Art Institute und in Kontakt mit den Künstlerinnen und Kunsttherapeutinnen Birte Schlund, Christiane Lüdtke und Britta Lorek. „Das war die Initialzündung“, erzählt Ute Sollmann. „Danach fragte mich Rik Reinking, ob wir nicht unsere Kunstschule hier weitermachen wollen. Ich war angenehm überrascht und alle haben ,Ja’ gesagt.“ Im Herbst 2020 haben sie gemeinsam die drei Räume und eine Teeküche im Erdgeschoss für ihre Kurse gepachtet.
Die fünf Künstlerinnen, Kunsttherapeutinnen und Sozialpädagoginnen bieten dort jedem und jeder Interessierten mit ihren Kursen einen Zugang zur Kunst und zu den eigenen Ausdrucksmöglichkeiten. „Wir ergänzen uns gut“, stellt Ute Sollmann fest. Birte Schlund, Christiane Lüdtke und Britta Lorek bieten ihre Kurse vorwiegend an den Wochenenden an, Silke Scheffler und ich unter der Woche. Aber auch unsere Angeboten passen zueinander.“
Auch Kinder und Jugendliche können ihre eigenen Themen entwickeln
Die studierte Grafik-Designerin hat für ihren wöchentlichen Malkursus für Erwachsene ein offenes Ateliersystem entwickelt. „Mir ist wichtig, dass meine Teilnehmer Zeit und Muße haben, wenn sie kommen“, erläutert Ute Sollmann. „Ich gebe auch keine Themen vor, sie können ihre eigenen und ihre eigene künstlerische Sprache entwickeln.“ Coronabedingt sei dies ein Vorteil gewesen. Denn bislang dürfe sie als außerschulische Bildungseinrichtung nur Einzelunterricht plus einen oder zwei Geimpfte oder Genesene begleiten.
„Für die Kinder, die zu meinen Kursen kommen, ist das schwieriger“, hat Silke Scheffler beobachtet. „Denn für sie ist das Gruppenerlebnis wichtiger.“ Doch auch die Sechs- bis 18-Jährigen sollen bereits ihre eigenen Themen entwickeln. „Bei mir sollen sie ganz viel kennenlernen und sich ausprobieren: Es ist alles da: Papier, Drähte, Stifte, Kreisen und Farben“, sagt Silke Scheffler. „Ich stehe ihnen dabei zur Seite, das umzusetzen.“ Dienstags, mittwochs und donnerstags bietet sie ihre altersgemischten Kurse an. Es sei schön, zu sehen, wie frei die Kleinen seien. „Da will ich sie nicht stoppen“, sagt die Künstlerin.
Großes Plus ist die Nähe zu Rik Reinkings Sammlung
„Eigentlich ist uns das allen gemeinsam, dass wir unseren Teilnehmerinnen und Teilnehmern nichts vorgeben, sondern sie begleiten wollen“, fasst es Christiane Lüdtke zusammen. Und die anderen stimmen der Sozialpädagogin und Bildhauerin zu. „Ich unterrichte in mehrtägigen Seminaren in der Bildhauerei“, erzählt sie. „Das ermöglicht es den Teilnehmern, vollkommen in die Arbeit einzutauchen. Es geht mir darum, dass sie ihren eigenen Ausdruck entwickeln.“ Ein großes Plus sei dabei die Nähe zur Sammlung von Rik Reinking. Durch sie und die Auseinandersetzung mit den Werken erhielten die Teilnehmer viele Anregungen. Außerdem habe er ihnen eine alte Radierpresse angeboten, die jetzt ebenfalls im Gärtnerhaus steht. Am Sonntag konnten erste Teilnehmer auf ihre persönlich gestalteten Lesezeichen drucken.
Birte Schlund, Illustratorin und Kunsttherapeutin, möchte ihren Teilnehmerinnen ein ästhetisches Erlebnis im Hier und Jetzt bieten. „Mir geht es um dieses Flow-Erlebnis, um das Heraustreten aus dem Alltag“, sagt die Bergedorferin. „Das Spannende ist, dass dabei automatisch innere Dinge hervorkommen. Gerade im digitalen Zeitalter braucht man immer wieder eine Gelegenheit, um zu sich selbst zu kommen. Und das Gärtnerhaus ist der ideale Ort dafür.“
Gäste waren glücklich, dass wieder Kultur möglich ist
Der Kunsttherapeutin Britta Lorek geht es ebenfalls um innere Welten, wenn sie für Erwachsene und Kinder in getrennten Gruppen ihre Ausdrucksmalerei anbietet. „Das ist eine prozessorientierte Methode, bei der es nicht so sehr um schöne, sondern eher um viele innere Bilder geht“, erklärt sie. Vorkenntnisse braucht niemand, der in der Gärtnerschule kreativ werden will. „Nur Neugier und etwas Mut“, sagt Birte Schlund. Einig sind sich auch alle darin, dass ihre Kunstschule kein „elitärer Verein“ sein soll. Deshalb bewegen sich die Preise für die Kurse bei etwa zehn Euro pro Stunde.
So beseelt wie die fünf Künstlerinnen von ihrer Mission erzählen, waren am Sonnabend und Sonntag auch viele Gäste des WAI und der Wentorfer Kulturwoche. „Viele waren einfach glücklich, dass wieder Kultur möglich ist“, erzählte die Künstlerin und eine der Organisatorinnen, Alexa Binnewies. „Eine Besucherin hat am Sonnabend sogar vor Glück geweint.“ Gemeinsam mit Initiatorin Sybille Marks hat sie das Wentorfer Kulturereignis diesmal online eröffnet.
Die 27 Schafe im Kunstpelz gehören zu einer Mitmach-Kunstaktion
Die Organisatoren mussten zwar alle Konzerte und das Café in Alexa Binnewies’ Garten am Petersilienberg absagen, sie stellte aber ihre Gemälde und Installationen sowie die „Schafe im Kunstpelz“, Fotos von Claudia Grundmanns Goldschmiedekunst sowie Keramiken von Gesa Dreger und Kerstin Bode aus. Die 27 Schafe im Kunstpelz gehören zu einer Mitmach-Kunstaktion. „Sie sind sehr fantasievoll“, stellte Sybille Marks fest. Die Herde, vom unverkäuflichen „Udo“ – das grüne Schaf eines Sechsjährigen – bis zu „Wolle Stahl“, eine Collage aus Holz, Leder und Stahlwolle, ist auch am nächsten Sonnabend, 5. Juni, von 14 bis 18 Uhr am Petersilienberg 8, zu bewundern. Am 6. Juni werden die meisten Schafe um 15.45 Uhr noch hinter der Martin-Luther-Kirche meistbietend versteigert. Interessenten können ihre Kaufgebote bis zum 6. Juni, 14 Uhr, per Mail an info@wentorfer-kultur woche.de oder vor Ort in der Box abgeben.
Mit der ersten Resonanz war Binnewies zufrieden: „Am Sonnabend war es ein einziges Kommen und Gehen“, berichtet sie. „Heute, am Sonntag, ist es hier etwas ruhiger. Aber es gibt viel Zeit für Gespräche. Besucherin Crystal Water erzählt über ihr jüngstes Werk, die Installation „Parade der gestohlenen Träume.“
Die Kunstschule geht noch bis Anfang Juni unter www.gaertner haus.de online. Aktuelles zum Programm steht unter www.wentorfer-kulturwoche.de.