Reinbek. Nachbarn erwägen Klage gegen Bauvorhaben an der Stettiner Straße. Sie üben Kritik an der Verwaltung. Die Stadt widerspricht.
Die Empörung Rolf Wessels ist groß, und er erhebt schwere Vorwürfe gegen das Reinbeker Bauamt: Die Bauabteilung im Rathaus habe ein Projekt an der Stettiner Straße genehmigt, das gegen den Bebauungsplan verstoße. Dort will ein Investor ein Mehrfamilienhaus mit 14 Wohnungen errichten lassen. „Aus Baden-Württemberg kenne ich es so, dass die Nachbarn zuerst informiert werden, wenn die Festsetzungen im Bebauungsplan überschritten werden“, sagt Anwohner Rolf Wessel und schreibt von „Wild-West-Planungen“.
„Beim ersten Entwurf des Bauherren im Sommer 2020, der auch schon gegen den B-Plan verstoßen hat, wurde der zulässige Maximalwert der Geschoßflächenzahl mit 0,72 bereits um 20 Prozent überschritten“, kritisiert der Anwohner. Dieser Entwurf sei im November 2020 zurückgenommen worden. „Beim neuen Entwurf wird nochmals vom Maximum der Geschossflächenzahl abgewichen und zwar um 30 Prozent. Wir wurden nicht informiert, es wurde einfach genehmigt.“ Der Investor habe zwar nach der Kritik der Nachbarn die Dachform geändert, dafür sei das Gebäude jetzt noch dichter an die Grundstücksgrenzen herangerückt und der First sei zwei Meter höher.
Anwohner kritisieren "Wild-West-Planungen" an der Stettiner Straße
Da es in den vergangenen Jahren immer wieder Kritik an Bauvorhaben in Reinbek gab, etwa an der Kückallee, der Bismarckstraße, oder auch der Wohltorfer Straße – die aus Sicht der Anwohner zur Zerstörung des städtebaulichen Charakters dieser Gebiete führen – haben sich die Anwohner der Stettiner Straße am Freitag mit gleichgesinnten Betroffenen und mit Politikern von Forum21 und FDP getroffen.
„Wir Anwohner treffen uns jetzt nächste Woche noch einmal“, berichtet Wessel. „Unser Ziel ist es, mit dem Investor zu sprechen – in der Hoffnung, dass er einlenkt.“ Ansonsten denkt die Nachbarschaft auch über eine Klage nach. „Eine eigene Position zu Bauprojekten zu erarbeiten und zu vertreten, ist für betroffene Anwohner mit sehr hohen Kosten verbunden, die von dem Einzelnen kaum zu tragen sind“, stellt Wessel fest. „Da werden die Investoren bevorzugt.“
Gesetz sieht bei privaten Bauprojekten keine Informationspflicht vor
Bauamtsleiter Sven Noetzel hat zwar Verständnis für die Anwohner, widerspricht aber dem Vorwurf: „Eine Ausnahmegenehmigung gibt es nicht. Wir haben den Bauherren von einem Punkt befreit, weil sich die Gesetzgebung geändert hat. Laut Bebauungsplan aus den 70er-Jahren darf der Eigentümer das Dachgeschoss nicht ausbauen. Das dürfen wir ihm nach aktueller Rechtsprechung aber nicht versagen.“ Allein deshalb erhöhe sich die Geschossflächenzahl. „Die Gebäudegröße entspricht dem B-Plan, daran ändert sich nichts, auch wenn der Investor die möglichen Abmessungen ausschöpft.“
So sehr Noetzel den Unmut der Anwohner auch verstehe, das Gesetz sehe bei einem privaten Bauprojekt keine Informationspflicht vor. Eine Klage könnte indes teuer werden: „Seitdem ich Bauamtsleiter bin, hat Reinbek vor Gericht noch keine Klage verloren, weil wir uns an das Baurecht halten.“