Reinbek. Azubi im Reinbeker St.-Adolf-Stift spricht offen über Weg zum Pfleger und Corona. Das Krankenhaus hat noch Plätze zu vergeben.

Zuerst hatte der Börnsener Moritz Radde noch ganz andere Pläne für sein Berufsleben und wollte Medizin studieren. Doch ein Langzeitpraktikum im Reinbeker Krankenhaus St.-Adolf-Stift gab den Ausschlag dafür, dass der heute 20-Jährige auf eine Ausbildung zum Gesundheits- und Krankenpfleger umschwenkte. „Es ist in diesem Krankenhaus einfach alles sehr familiär, man kennt sich. Das hat mir gefallen“, erzählt er. Verbände anlegen, Medikamente vorbereiten und geben, Dauerkatheter legen oder auch Patienten waschen – „Mit Krankenpflege hatte ich vorher nie etwas am Hut“, gesteht der junge Mann. „Man kommt den Menschen schon sehr nahe, aber wir werden da herangeführt.“ Und mögliche Berührungsängste? „Das gibt sich mit der Zeit“, beruhigt Radde.

Stattdessen habe er erlebt, wie gut es tue, kranken Menschen zu helfen. „Es macht richtig Freude, wenn ich sehe, wie es einem Patienten, der beatmet werden musste, wieder besser geht. Ich habe einem dieser Menschen geholfen, als der sich zum ersten Mal an der Bettkante wieder aufsetzen durfte.“ Radde, der bald in das dritte Ausbildungsjahr geht, hat den ersten Lockdown im Reinbeker Krankenhaus miterlebt und wie eine normale Krankenstation zur Covid-19-Station umgebaut worden ist.

Azubis können nach ihrem Examen entscheiden, wo sie tätig sein wollen

Auch den Corona-Ausbruch im St.-Adolf-Stift hat er live mitbekommen: „Ich habe meinen Urlaub verschoben, damit ich helfen kann, weil sich einige Kollegen infiziert hatten“, berichtet er. „Ich selbst hatte aber eher wenig Angst vor Corona. Denn wir waren gut geschützt und wurden auch laufend getestet.“ Der Ausbruch kam schnell unter Kontrolle. „Mittlerweile gehört das Virus für uns zum beruflichen Alltag“, stellt der angehende Gesundheits- und Krankenpfleger fest. „Ich kann es mir gar nicht mehr vorstellen, ohne Maske durch das Krankenhaus zu gehen.“

Während der Pandemie einen Ausbildungsplatz zu finden, ist nicht immer einfach. Doch in der Pflegeschule der Klinik sind zum 1. März von noch sechs Ausbildungsplätze frei. In diesen Zeiten gilt der Pflegeberuf als systemrelevant und erhält immer mehr gesellschaftliche Anerkennung. Das Krankenhaus Reinbek bildet bereits seit 1952 Pflegekräfte aus, seit einem Jahr in der sogenannten generalistischen Ausbildung.

Schulleiterin Christa Knigge sagt: „Damit sind unsere Azubis noch breiter aufgestellt. Sie können noch nach ihrem Examen entscheiden, wo sie tätig sein wollen: in der Krankenpflege, in der Altenpflege oder in der Kinderkrankenpflege. In allen Bereichen wird die Übernahme fast garantiert, es ist ein wirklich krisensicherer Job. Und der Abschluss ist auch in der EU anerkannt.“

Anerkennung ist im zweiten Lockdown abgeflaut

Die vergleichsweise hohe Zahl an freien Plätzen liege daran, dass coronabedingt keine Orientierungspraktika angeboten werden konnten und die Ausbildungsmessen ausgefallen seien. Ein Motiv für die Berufswahl wurde während der Vorstellungsgespräche in jüngster Zeit häufig genannt: Wegen der aktuellen Situation habe man gemerkt, wie wichtig es sei, dass es in Deutschland ausreichend Pflegekräfte gebe. Die Pflege sei ein gesellschaftlich relevanter Beruf.

Wenn es um Anerkennung geht, bekommt der Pflegeberuf nach Ansicht Raddes noch nicht genug: „Meine Freunde sagen, wenn sie von meinem Beruf hören: ‘Wow! Das könnte ich nicht’. Damit meinen sie genau die angesprochenen Berührungsängste.“ Während des ersten Lockdowns hätten Lieferanten kostenlos Essen ins Krankenhaus gebracht, und die Pflegekräfte hätten Geschenke bekommen. Aber all dies sei schon im zweiten Lockdown wieder abgeflaut.

Über einen Werbefilm des Bundesfamilienministeriums für den Pflegeberuf habe er sich richtig geärgert: „Darin wird alles ins Lächerliche gezogen. Das sollte wohl witzig sein“, sagt Radde. „Aber stattdessen würde ich mir mehr ehrliche Anerkennung und ehrliche Aufklärung über unseren Beruf wünschen. Wir wollen ernst genommen werden.“

Während der bisherigen Ausbildung hat der junge Mann auch belastende Tage erlebt. „Da frage ich mich schon manchmal: Warum mache ich das eigentlich?“, erzählt er offen. „Aber selbst, wenn ein Patient stirbt, kann man es ihm noch einmal richtig schön machen“, hat er erfahren. „Wir können seine Schmerzen zumindest lindern und wenn er keine Angehörigen hat, seine Hand halten.“ Zu seinem Beruf gehöre so viel mehr als nur Patienten zu versorgen und zu verbinden: Möglich seien außerdem ein anschließendes Studium, eine Stationsleitung oder auch eine Qualifizierung etwa für die Assistenz im OP. Radde möchte sich in Richtung Intensivpflege und Anästhesie weiterbilden.

Jüngere Jahrgänge dürfen nicht auf Covid-Stationen

Die Klinik bietet im Jahr 150 Ausbildungsplätze in insgesamt sechs Kursen. Diese starten am 1. März sowie am 1. September in Reinbek. Die dreijährige Ausbildung ist in Theorie- und Praxisblöcke aufgeteilt. Kira Plöhn wird die neue Klassenlehrerin des Kurses. Aktuell betreut sie Schüler im Examen und sagt: „Coronabedingt können wir nicht vor Ort unterrichten, haben uns aber beim Online-Unterricht gut eingegroovt. Die Schule ist gut ausgestattet und kann bis zu vier Klassen parallel im Homeschooling unterrichten.“ Jeder Kursus habe seinen eigenen Bereich auf dem Server, und über eine gemeinsame Plattform könnten sich die jungen Leute über allgemeine Schulthemen informieren.

Die Praxiseinsätze im Haus laufen wie geplant. Allerdings üben die Azubis manchmal auf einer anderen Station als vorgesehen, weil die jüngeren Jahrgänge nicht auf den Covid-Stationen arbeiten dürfen. Zuerst müssen sie eine gewisse Sicherheit und Routine erlangen. Jutta Lingelbach, in der Schulleitung für die Organisation zuständig, erläutert: „Aber der Abschlussjahrgang soll unter realen Bedingungen lernen und arbeiten. Dazu gehören auch die Schutzkleidung sowie regelmäßiges Testen des Personals und der Patienten.“

Fakten und Daten zur Pflegeausbildung in Reinbeks Klinik

Die Pflegeausbildung startet jeweils am 1. März und 1. September eines Jahres und dauert drei Jahre. Sie ist im Blocksystem organisiert. In der Theorie unterrichten Pädagogen eine Klasse mit 25 Schülern in 2100 Stunden in Lernfeldern wie Erkrankungen, Kommunikation und Gesundheitsförderung. Die Praxis macht 2500 Stunden aus. Die Nachwuchskräfte werden auf den Stationen wie Unfallchirurgie und Kardiologie angelernt, können ihr Wissen in Einsätzen auf der Schulstation und bei Praktika in der ambulanten und stationären Pflege vertiefen. Azubis erhalten 30 Tage Urlaub pro Jahr und von Beginn an eine Ausbildungsvergütung (1. Lehrjahr: 1140 Euro plus 270 Euro Urlaubsgeld sowie 78 Prozent eines Monatsgehalts als Weihnachtsgeld). Was sollte man mitbringen für die Ausbildung? Schulleiterin Jutta Lingelbach: „In der Pflege sollte man kommunikativ sein, gern mit Menschen und im Team arbeiten.“ Nach dem Examen erhalten Pflegekräfte nach Tarif (AVR der Caritas) 2890 Euro brutto Grundgehalt auf den normalen Stationen oder 3067 Euro brutto Einstiegs-Grundgehalt für Examinierte, die in Funktionsabteilungen wie dem OP arbeiten. Dazu kommen Zuschläge für Wochen–end-, Nacht- und Feiertags-Dienste. Danach erhöht sich der Verdienst nach Berufserfahrung oder weiteren Zusatzqualifikationen. Mehr Infos auf www.krankenhaus-reinbek.de/pflegeschule.