Reinbek/Barsbüttel. Verhandlung in Reinbek: 16-Jähriger erleidet bei Pfingstfest in Stemwarde einen Kieferbruch. Auch ein Helfer wird verletzt.

Seinen Ringfinger werde er laut Ärzten nie wieder normal bewegen können, sagt eines der Opfer vor Gericht „Er ist steif, ich kann ihn nicht mehr richtig einrollen“, sagt Leon H. (alle Namen geändert) und ballt die rechte Hand zur Faust, um das zu demonstrieren. Der 33 Jahre alte Glinder ist einer der Zeugen, die am 21. Mai 2018 zur Hilfe geeilt waren, als drei Männer am Rande eines Pfingstfestes in Barsbüttel den damals 20 Jahre alten Konstantin V. attackierten.

Vor dem Amtsgericht Reinbek hat am Freitag der Prozess gegen die Männer begonnen. Die Staatsanwaltschaft wirft den Angeklagten, den Brüdern Marcel (30) und Maurice K. (34) sowie dem 31 Jahre alten Oliver W., gefährliche Körperverletzung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte vor (Az. 780 Js 52540/18). Zu der Auseinandersetzung soll es laut Anklage während des Festes „Remmi Demmi in Stemmi“ gekommen sein, zu dem die Freiwillige Feuerwehr im Barsbütteler Ortsteil Stemwarde traditionell am Pfingstwochenende einlädt.

Ein 16 Jahre altes Opfer verlor das Bewusstsein

Gegen 3 Uhr, als die Feier endete, habe zunächst Oliver W. den damals 20-Jährigen im Eingangsbereich des Festzeltes mit einem Faustschlag attackiert. „Anschließend kamen die anderen beiden Angeklagten hinzu und haben gemeinsam auf den Geschädigten eingeschlagen und -getreten“, sagt Staatsanwältin Anna Feegers. Als ein Freund (16) dem Opfer zur Hilfe kommen wollte, habe der 31-Jährige diesem mit einem „wuchtigen Schlag gegen den Kiefer“ niedergestreckt, sodass der Jugendliche einen doppelten Kieferbruch erlitt und im Krankenhaus behandelt werden musste.

Kurz darauf sei Leon H. dazugekommen, habe versucht, zu schlichten. Daraufhin sollen die Angeklagten auch auf H. eingeschlagen und –getreten haben. „Der Geschädigte erlitt einen Bruch des Ringfingers, der operativ behandelt werden musste“, sagt Feegers. Der 16 Jahre alte Begleiter des Zeugen, der sich zeitgleich genähert habe, habe einen so heftigen Faustschlag gegen den Kopf abbekommen, dass er das Bewusstsein verlor.

Einer der Helfer ist in der Freiwilligen Feuerwehr

Auch als die Polizei wenig später eingetroffen sei, hätten die Männer nicht abgelassen. Der jüngste Angeklagte soll den Hals eines Beamten so fest umklammert haben, dass dieser keine Luft mehr bekam und ein Schleudertrauma erlitt. Die drei Männer schweigen vor Gericht.

„Ich stand mit zwei Kumpels an der Straße und wir warteten auf einen Freund, der uns abholen sollte“, erinnert sich Leon H. vor Gericht. Da habe er gesehen, wie sich einige Meter entfernt eine Traube von Menschen gebildet habe. „Da stand ein Junge an einem Bauzaun, während mehrere Männer auf ihn eindroschen“, sagt der 33-Jährige, der in dem Verfahren als Nebenkläger auftritt. „Ich wollte helfen, ich bin ja auch in der Freiwilligen Feuerwehr und glaube an Zivilcourage“, so der Glinder.

Vier Monate konnte das Opfer nicht arbeiten

Er sei hingelaufen, habe sich mit ausgestreckten Armen vor das Opfer gestellt. „Jemand hat gerufen: ‚Ey, was willst du, Wichser‘ und dann habe ich einen Faustschlag ins Gesicht bekommen“, sagt H. Er sei zu Boden gegangen. „Mir wurde mehrfach gegen den Kopf getreten.“ Als die Angreifer abgelassen hätten, habe er starke Schmerzen im rechten Ringfinger verspürt. „Er stand ganz komisch ab.“

Er sei mit einem gebrochenen Finger und einer Gehirnerschütterung ins Krankenhaus gekommen. „Ich konnte erst drei Wochen später operiert werden, weil der Finger so stark geschwollen war“, so der Glinder. Vier Monate habe er nicht als Flugbegleiter arbeiten können, in dieser Zeit täglich Ergotherapie benötigt, um die Beweglichkeit nach dem komplizierten Bruch wieder herzustellen. Bis heute habe er wegen des Druckunterschiedes bei jedem Start und jeder Landung mit dem Flugzeug Schmerzen.

Angeklagte haben auffällige Tätowierungen am Hals

Die Angeklagten verfolgen die Aussage unbeeindruckt. Marcel und Maurice K. sind muskulös, wegen der kurzen Haare sind die auffälligen Tätowierungen der beiden am Nacken gut erkennbar. Oliver W. ist schmächtiger, kaut die meiste Zeit auf einem Kaugummi. Die Männer sitzen schweigend neben ihren Verteidigern im Stormarnsaal des Reinbeker Sachsenwald-Hotels. In jenen war die Verhandlung verlegt worden, weil der Saal des Amtsgerichtes nicht ausreichend Platz bietet, um die Corona-Abstandsregeln einzuhalten.

Das erste Opfer, der 20 Jahre alte Konstantin V. schildert, wie es zu dem Angriff kam. „Es fing schon an, als ich an der Garderobe stand, dass mir ständig jemand von hinten gegen meine Cap geschnipst hat“, erzählt er. „Ich hatte den Schirm in den Nacken gedreht und irgendjemand hat ihn immer hochgeschlagen.“ Er habe aber den Täter aber nicht ausmachen können.

16-Jähriger tritt als Nebenkläger auf

„Auch draußen ging das so weiter“, sagt der Reinbeker. „Ich habe die Cap zurechtgerückt und dabei ‚Verpiss dich‘ gesagt.“ Wenige Sekunden später habe er den ersten Schlag ins Gesicht kassiert. „Sie haben weiter auf mich eingeschlagen und auch getreten“, erinnert sich V. Er habe aber nicht erkennen können, um wie viele Angreifer es sich handelte. „Ich habe mich zusammengekauert und konnte nur Männerbeine sehen“, sagt er. Kurz darauf sei dann ein Freund, der damals 16 Jahre alte Marvin N., zur Hilfe gekommen.

N. erinnert sich im Gerichtssaal ebenfalls an das Scharmützel mit der Cap. „Irgendjemand hat Konstantin ständig geärgert“, sagt der Jugendliche, der ebenfalls Nebenkläger in dem Verfahren ist. „Als der eine Mann Konstantin angegriffen hat, bin ich hin, habe gesagt, dass er sich beruhigen soll“, sagt der Zeuge. Da hätten die Männer auch ihn angegriffen.

Ein Angeklagter wird an seinem Tattoo erkannt

„Dann kamen irgendwann die Polizei und der Krankenwagen.“ Er habe aus dem Mund geblutet und seinen Kiefer kaum bewegen können. „Ich bin dann ins Krankenhaus gebracht worden“, so der heute ­19-Jährige. Dort sei eine doppelte Fraktur des Unterkiefers diagnostiziert worden. „Ich wurde dann am nächsten Tag operiert.“ Ihm seien Schrauben und eine Schiene eingesetzt worden.

Auch N. kann auf Nachfrage des Vorsitzenden Richters Stephan Bennien nach der Zahl der Angreifer keine Antwort geben. „Es waren auf jeden Fall ein stämmiger Mann und ein schmaler“, sagt er. Ob ein dritter dabei gewesen sei, könne er nicht sagen. Einen der Angeklagten will er allerdings im Gerichtssaal wiedererkannt haben: „Ich erkenne sein Tattoo.“

Das Verfahren wird am kommenden Freitag, 29. Januar, um 9 Uhr fortgesetzt. Dann sollen weitere Zeugen sowie mehrere Polizeibeamten, die am Tatort im Einsatz waren, vernommen werden. Das Amtsgericht Reinbek hat insgesamt vier Verhandlungstage anberaumt und zwölf Zeugen geladen: Das Urteil soll am 25. Februar fallen.