Reinbek/Lohbrügge. Nachwuchssorgen plagen den beliebten Kultursender. Die Sendelizenz erlischt in zwei Jahren, ob verlängert wird, ist noch unklar.

„Hallo und herzlich willkommen zur traditionellen Reinbeker Kulturzeit. Am Mikrofon begrüßt Sie wie immer Ihr Bernd Michael Kraske“, so schallt es jeden Sonntag von 19.05 bis 20 Uhr aus dem Kulturzentrum Lola in die Wohnzimmer. Um die 2000 Sendungen muss der Reinbeker schon für das Hamburger Lokalradio eingesprochen haben. Immerhin ist er bereits seit 28 Jahren im betreibenden Verein aktiv. Im November 2019 ist er dem verstorbenen Michael Kittner als erster Vorsitzender gefolgt. Wie es um die Zukunft des Kultursenders steht, muss wie bei den meisten Vereinen die Nachwuchsfrage klären. Denn im Lokalradio, das rund um die Uhr sendet, steckt noch viel Handarbeit und folglich eine Menge Zeit. Und in den kommenden zwei Jahren muss die Frage geklärt werden, ob die Sendelizenz um weitere zehn Jahre verlängert wird.

Radiosender erhält Zuschriften aus aller Welt

Der Verein, der als einziges Privatradio für zwei Länder – Hamburg und Schleswig-Holstein – eine Sendelizenz hat, hat sich der Kultur und dem Sozialen verpflichtet. „Und wir nehmen unseren Bildungsauftrag ernst. Es geht bei uns nicht darum, sich berieseln zu lassen. Wir wollen, dass Kultur Teil der Bildung ist“, sagt der Vorsitzende. Das passt zu Bernd Michael Kraske. Er selbst ist den meisten Reinbekern als jahrelanger Kulturchef im Schloss bekannt und engagiert sich heute als Vorsitzender der Stiftung Sammlung Italiaander.

In der Reinbeker Kulturzeit werden folglich oft Mitschnitte von Lesungen und Vorträgen aus dem Museum und dem Schloss übertragen. Für die kommende Woche bereitet Kraske Sendungen zu Gert Westphal vor, der am 5. Oktober 100. Geburtstag feiern würde. Der „Vorleser der Nation“ war ein Bekannter Kraskes und hatte unzählige Male im Schloss gelesen sowie Interviews für den Lokalsender gegeben.

Sender bezieht Nachrichten durch die Deutsche Welle

Neben selbst produzierten Kulturbeiträgen bezieht der Sender seine Nachrichten durch die Deutsche Welle. Ein Alleinstellungsmerkmal sind die regelmäßigen Nachrichten speziell für behinderte Menschen. Der Blinden- und Sehbehindertenverein Hamburg ist neben dem Museum Rade, dem Verein Swinging Hamburg sowie der Lola e.V. am Lokalradio beteiligt und stellt die Beiträge regelmäßig zusammen. Zur Vielfalt trägt auch die musikalische Gestaltung bei: Der Sender ist im Jazz beheimatet, widmet sich jedoch Musik aus aller Welt und allen Genres. Integration spiele beim Radio schon immer eine große Rolle, bekräftigt Kraske. Die Rückkopplung sei „enorm groß“. „Wir erhalten Zuschriften aus aller Welt: Aus Australien, Japan und Neuseeland beispielsweise“, sagt Kraske. 25.000 Stammhörer, die länger als zwei Stunden verweilen, zählt der Sender. Hauptsächlich kommen sie aus Hamburg sowie den Kreisen Stormarn und Herzogtum Lauenburg.

Verein begrüßt 52 Jahre alten Radioprofi im Team

Der Zuspruch ist enorm, doch die Radiomacher kommen in die Jahre. Bernd Kraske ist mit 72 Jahren einer der Jüngsten. Aktiv im Hamburger Lokalradio sind knapp 30 Leute, den „harten Kern“ bilden momentan zehn Macher aus, die mit Herzblut dabei sind. „Wir brauchen mehr Leute, die auch technisch etwas draufhaben, freuen uns über jeden, der mitmachen will“, so Kraske. Ein Glücksfall sei es, dass ein 52 Jahre alter Radioprofi in der kommenden Woche im Team begrüßt werden kann. Nun blickt der Vorsitzende gelassener auf die nahende Entscheidung, die mit der in zwei Jahren erlöschenden Sendelizenz einhergeht. „Dann müssten wir eine Lizenz auf weitere 10 Jahre erwerben“, erklärt er. Im Verein möchte er jedoch kürzer treten, seinen Vorsitz abgeben. Seit dem Tod von Michael Kittner übernimmt Kraske die Administration des Senders, die bis zu 30 Stunden pro Woche in Anspruch nimmt.

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Macht der Sender weiter, will Bernd Kraske ihm treu bleiben. Er blickt auf viele schöne Momente und lange Nächte im kleinen Studio in der Lola zurück, auf stundenlange Interviews mit Freddy Quinn, Peter Alexander oder Dieter Thomas Heck, die wohl auch durch gute Kontakte des Reinbekers zustande gekommen waren. „Das war immer sehr interessant. Und das meiste Publikum haben wir tatsächlich nachts durch Schichtarbeiter im Krankenhaus, bei der Polizei oder der Feuerwehr. Bei NDR und Co. laufen dann nur Programmzusammenschnitte. Bei uns gibt es keine Schleifen, wir sind kein ‘Abdudelradio’“.

Das ist das Hamburger Lokalradio

Das Hamburger Lokalradio ist auf UKW 96,0 an 38 Wochenstunden und rund um die Uhr auf DAB+ sowie weltweit über das Internet zu empfangen. Als nichtkommerzieller Sender finanziert sich das Radio aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden sowie durch eine Unterstützung der Medienstiftung Hamburg Schleswig-Holstein. Die Anbietergemeinschaft besteht aus Kulturvereinen.

Programm Dienstag, 29. September: 7 Uhr Jazz, 9 Uhr „Radio Nostalgie“, 10 Uhr „Die norddeutsche Stunde“, 11 Uhr „Die Radioreise“, 12 Uhr „Soundkasten Rock“, 14 Uhr Jazz, 16 Uhr Wirtschaft, 17 Uhr Wissenschaft, 18 Uhr Kultur, 20 Uhr Jazz, 22 Uhr Kultur, 23 Uhr „Der Tag in 60 Minuten.“ Das komplette Programm online unter www.hamburger-lokalradio.net.