Reinbek. NDR muss 300 Millionen Euro sparen: Beliebte Serie wird nach fast 500 Folgen aus Programm genommen. Letzte Folge am 16. August.
Nach fast 20 Jahren steht eine NDR-Sendereihe vor dem Aus, die Zeichen gesetzt hat. Für Mitte September sind die letzten Aufzeichnungen für Lieb&Teuer im Reinbeker Schloss geplant. Dann wird nicht nur Janin Ullmann das letzte Mal vor laufender Kamera klären, was verschiedene Kunstgegenstände und Sammlerstücke wert sind – ihre Vorgängerinnen nehmen mit ihr Abschied.
Nacheinander haben Susanne Reimann, Ann-Kathrin Schröder und Janin Ullmann sonntags durch fast 500 Sendungen geführt. Zur besten Kaffee-Zeit wurde mit Hilfe von ausgewiesenen Experten geklärt, welchen Wert etwa ein Gemälde oder die geerbte Skulptur, die alte Vase, das historische Mokka-Service oder die silberne Teekanne darstellt.
Sofa-Bild beschert einer Studentin warmen Geldregen
Unvergessen sind Geschichten wie die einer Studentin, die für 150 Euro ein altes Schlafsofa erworben hat, erinnert sich Redakteurin Marina Bartsch-Rüdiger. „Die junge Frau hat im Bettkasten ein Bild entdeckt und zu uns gebracht.“ Auf 5000 bis 7000 Euro taxiert brachte es in einer Auktion 19.200 Euro.
Bis in das Nachrichtenmagazin Spiegel schafft es ein Reinbeker 2008. Mit seinen Geschwistern hatte er seine Eltern beerbt. Sie veranstalteten einen Garagenflohmarkt. Bei einem Interessenten wurden sie hellhörig. Der Mann bot für zwei Gemälde 5000 Euro, am nächsten Tag rief er an, wollte noch einmal 1000 Euro drauflegen.
Erbe erzielt mit Gemälden bei Versteigerung 227.000 Euro
Bei Lieb&Teuer schätzte Expertin Babara Guarnieri das eine Bild auf etwa 60.000 Euro: Es handelte sich um eine Ansicht der Lagunenstadt Venedig im Stile des italienischen Meisters Canaletto. Bei der späteren Versteigerung in Zürich erzielten beide Gemälde 227.000 Euro. Der Erbe mit dem richtigen Näschen berichtete in der Sendung, dass er sich mit dem Geld selbstständig machen werde. Das alles geschah angenehm unaufgeregt und zurückgenommen, häufig im Plauderton, ohne jede Effekthascherei.
Silberschale aus den Händen eines Jugendstil-Mitbegründers
Dabei schrieb die Serie auch Kunstgeschichte. Eine in Braunschweig vorgestellte Silberschale erwies sich als Werk von Henry van de Velde, einem berühmten belgischen Künstler, der später den Jugendstil mitgeprägt hat.
„Diese Schale war nur in einem Werkverzeichnis van de Veldes vermerkt gewesen, bis zu dem Fund war vollkommen unklar, ob das Werk jemals realisiert wurde“, berichtet Marina Bartsch-Rüdiger. Warum die beliebte Reihe endet? „Die Sendung wird aus Kostengründen eingestellt. Der NDR muss sparen“, bedauert sie. Marina Bartsch-Rüdiger hat Lieb&Teuer von Beginn an als verantwortliche Redakteurin betreut, geht bald selbst in den wohlverdienten Ruhestand.
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Karrierechance im Schloss für unentdeckte Schätze
Kein Geheimnis ist, dass der Norddeutsche Rundfunk 300 Millionen Euro einsparen muss. Dazu beitragen soll auch der Abbau von rund 200 Stellen. Viele freiwerdende Arbeitsplätze sollen nicht wieder besetzt werden.
Die letzte Kunstsprechstunde läuft am 16. August
Wer selbst ein „Schätzchen“ besitzt, dessen Wert er erfahren möchte, hat am Sonntag, 16. August, ein letztes Mal Gelegenheit, die Experten von Lieb&Teuer zu kontaktieren. Sie bieten in der Zeit von 10 bis 18 Uhr ihre beliebte Kunstsprechstunde im Reinbeker Schloss. Für alle Teilnehmer ist die Sachverständigenleistung kostenlos.
Bewerber mit bislang nicht gezeigten Objekten haben die Chance, zur letzten Aufzeichnung ins Reinbeker Schloss eingeladen zu werden. Wer Interesse hat, die letzte Kunstsprechstunde zu besuchen, muss sich vorher telefonisch anmelden. Die kostenfreie Hotline ist unter 08000/63 75 55 von montags bis freitags geschaltet, jeweils in der Zeit von 10 bis 18 Uhr.
Das große Streichkonzert beim NDR von Bücherjournal bis Inselreportagen
Der Norddeutsche Rundfunk muss in allen Bereichen und in allen beteiligten Ländern sparen. Der NDR will in den kommenden vier Jahren 300 Millionen Euro einsparen. Ausgaben für Personal, Produktion, Verwaltung und Programm werden gesenkt. Bis 2028 will der NDR allein zehn Prozent Personalkosten kürzen: Über alle Bereiche hinweg sollen mindestens 200 freiwerdende Planstellen nicht nachbesetzt werden. Im Gegenzug werden bis 2024 betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen. Eine weitere bittere Pille trifft die Produktion: Nachdem vor Jahren etwa die Einsparung von Tontechnikern in der Vier-Länder-Anstalt Unmut ausgelöst hatte, sollen jetzt Standards flächendeckend gesenkt werden. Zudem hat das Haus angekündigt, auf Investitionen in Technik verzichten zu wollen. Für die TV-Programme sind Einschnitte besonders im Bereich Unterhaltung angekündigt. Dies betrifft auch die Zulieferungen des Senders für die ARD. Zukünftig will der NDR weniger eigene Fernsehspiele und auch weniger Tatorte produzieren, der Rotstift wird zudem auch bei Unterhaltungsshows angesetzt. Festhalten will der Sender an Formaten wie Visite, Markt im Dritten und auch am Vorabendformat DAS. Neben Lieb&Teuer steht auch das Bücherjournal auf der Streichliste, dazu die beliebten Inselreportagen mit Judith Rakers. Das sonntägliche Kulturjournal und das Medienmagazin Zapp sollen außerdem ihre Inhalte künftig vermehrt online verbreiten.