Reinbek. Apothekerin Ulrike Dannenberg-Wüst geht ohne Nachfolger in Rente. Die Geschäftsleute im Stadtteil Cronsberg bleiben zuversichtlich.
Ein kleiner Obst- und Gemüsehandel samt kleiner Frischetheke, ein Kiosk mit Zeitungen, Backwaren und Tabakartikeln, ein Orthopädischer Schuhmacher, eine Apotheke, zwei Friseure, ein Süßwarengeschäft – mit Trüffel-Pralines –, ein Wäschefachgeschäft und noch eine Modeboutique – eigentlich ist es um die Nahversorgung im Stadtteil Cronsberg recht gut bestellt. Doch jetzt schließt die Cronsberg-Apotheke zum 31. Juli.
Zwei Jahre hat sie vergebens gesucht – jetzt geht Apothekerin Ulrike Dannenberg-Wüst ohne Nachfolger in Rente. Damit schließt die Cronsberg-Apotheke nach fast 60 Jahren. „Es tut mir sehr leid für meine lieben, treuen Stammkunden“, sagte die 67-Jährige gestern. „Aber die Ladenzeile am Mühlenredder ist einfach tot.“ Dies sei jedoch der Zeit geschuldet, die jungen Leute würden ins Internet gehen, um etwa ihre Medikamente zu bestellen. „Sie sind Schnäppchenjäger“, stellt die Apothekerin fest. „Zum Ende des Jahres kommt auch noch das elektronische Rezept. Dann können die Ärzte ihre E-Rezepte direkt an den Internethandel senden und die Medikamente werden den Patienten direkt ins Haus geliefert.“
Frieden mit dem Abschluss gemacht
Mittlerweile hat Ulrike Dannenberg-Wüst ihren Frieden mit dem Abschluss gemacht und freut sich auf ihren Ruhestand. „Mit der eigenen Apotheke habe ich mir einen Traum erfüllt“, erzählt sie. „Ich habe mit Ende 30, Anfang 40 noch einmal studiert und mich mit 50 Jahren erst selbstständig gemacht. Das war eine schöne Zeit.“ Ihre treuen Kunden hätten noch viel Wert auf eine gute Beratung gelegt. Gerade erst hat ihr einer eine Sonnenblume zum Abschied gebracht.
Nun freut sie sich auf mehr Zeit für sich und ihren Mann. „Wir reisen sehr gern“, erzählt die Reinbekerin. Sie möchte den Rheinsteinweg pilgern, Italienisch – vielleicht in Italien – lernen und schöne Bücher lesen, die zu Hause auf sie warten. „Was habe ich zu Hause für Bücher liegen – da komme ich ja nie zu“, stellt sie fest.
Mitarbeiterinnen haben neue Stellen
Dann klingelt das Telefon und die Apothekerin ist zur Stelle. „Ja genau, die nehmen Sie immer“, sagt sie in den Hörer. „Die habe ich vorrätig.“ Zurzeit ist sie allein in der Apotheke, die sie vor 17 Jahren übernommen hat. „Das Persönliche hat mir immer sehr viel Spaß gemacht“, resümiert sie. Ihre beiden Mitarbeiterinnen hätten bereits neue Stellen gefunden.
Der Mietvertrag läuft zum 30. September aus. Für den 15. August lädt sie noch einmal von 11 bis 18 Uhr zum Basar zugunsten des Friedensdorfes International ein: Dann gibt sie Apothekerutensilien wie die alte Waage, Dekorationsobjekte und auch die schöne Sitzbank im Laden ab. Nur der „Meister Böck“ im Schaufenster, den ihr Schüler der Gemeinschaftsschule aus einem Besen gebastelt haben, der geht zurück an den Schulleiter.
Geschäftsleute bedauern Schließung
Die Geschäftsleute und Kunden aus der Ladenzeile von gegenüber bedauern es sehr, dass die Apotheke schließt. Bilgi Gendtürk, Inhaberin des Kiosks und Backshops Roze, sagt: „Ich möchte eigentlich, dass alle Geschäfte bleiben. Es ist schade, dass Frau Dannenberg-Wüst geht“, sagt sie. „Wir sind hier sehr zufrieden und meine Kunden freuen sich auf mich, sie sind sehr gute Menschen.“ Kundin Sandra Zietz, die mit ihrem Sohn Florian (10) in Cronsberg die Großmutter besucht, stimmt ihr zu: „Hier wohnen doch so viele ältere Menschen. Die brauchen doch eine Apotheke.“
Angela Aldenhövel, die gemeinsam mit Britta Rüffer-Herrmann das Wäschefachgeschäft „Kuck Mal!“ führt, ist ebenfalls traurig, dass es für die Cronsberg-Apotheke keine Zukunft gibt. „Ich kann das gar nicht verstehen“, sagt sie. „Wir können hier am Mühlenredder nicht meckern. Wir haben unsere Parkplätze direkt vor der Tür und ich sage immer, wir sind eine ‘Spezialitäten-Zeile’ mit unseren Fachgeschäften.“ Ihres ist das beste Beispiel dafür: Sie führt Wäsche- und Bademode in den Größen 34 bis 58, dazu noch mit Beratung. „Dafür kommen unsere Kundinnen aus ganz Schleswig-Holstein, aus Hamburg und aus Niedersachsen zu uns“, berichtet sie.
Alles schlafe ein
Draußen warten die Herren vor dem Friseur-Salon Schönmeier auf einen Termin. Stella Dahm, die mit Sohn Mika und Hündin Mira unterwegs ist, hat 13 Jahre lang im Stadtviertel gelebt. „Jetzt wohnen wir einen Kilometer weit weg, aber wir kommen immer noch gern zur Ladenzeile – vor allem zum Blumen kaufen und zur Apotheke“, erzählt sie.
Eine Seniorin kommt mit ihrem Gehwagen, um im Gemüsehandel von Adnan Cinar einzukaufen. Ihren Namen möchte sie nicht nennen. Doch sie sagt: „Es ist schade für die alten Leute, dass hier alles einschläft. Supermärkte gibt es nur noch auf der grünen Wiese. An uns alte Menschen denkt leider keiner.“
Adnan Cinar ist dagegen optimistisch: „Ich bin seit mehr als 16 Jahren hier und Gott sei Dank läuft das Geschäft jedes Jahr besser“, stellt er fest. Und fügt scherzend hinzu: „Hätte ich Ahnung von Apotheken, hätte ich sie übernommen.“