Reinbek. Nutzen Spekulanten den Generationswechsel für ihre Zwecke? – Mangelnde Transparenz im Bauamt kritisiert.

Die Stadt im Grünen – so lautet Reinbeks Slogan. Doch die hohen Immobilienpreise und der Generationenwechsel wirken sich in ihrer Verbindung ungünstig auf den grünen Charakter einiger Stadtviertel wie Prahlsdorf oder auch Hinschendorf aus. Angelika Bengelsdorf, Anwohnerin der Schützenstraße, und ihr Nachbar Christoph Kleine wandten sich in der jüngsten Stadtverordnetenversammlung an die Politik, weil direkt vor ihren Hinterlieger-Grundstücken zweigeschossige Mehrfamilienwohnhäuser, teils mit ausgebautem Dachgeschoss, errichtet werden.

„Es geht auch um Lebensqualität, nicht allein um monetäre Werte“, sagt die Reinbekerin, die mit ihrer Familie seit 35 Jahren auf dem Grundstück an der Schützenstraße wohnt. Hinter dem inzwischen abgerissenen kleinen Vorderhaus lag ein großer Garten mit einem alten Zwetschgenbaum.

Doch die Erben haben das Grundstück verkauft. Der kleine Garten im Süden von Bengelsdorfs Haus würde von dem nun genehmigten, zweigeschossigen Neubau mit ausgebautem Dachgeschoss vollkommen verschattet werden. Dort sollen sechs Wohnungen und eine Carportanlage mit sieben Stellplätzen entstehen. Für einen Garten ist dort kein Platz mehr. „Ein Klotz mit zweimal drei Wohnungen übereinander“, fasst es Angelika Bengelsdorf zusammen. Die benachbarte Familie Nikolova-Kleine ist ähnlich betroffen. Auch vor ihrem Grundstück wird nun gebaut – mit dem Unterschied, dass der Bauherr dieses Projektes sich vorher an sie gewandt hatte, sich und sein Vorhaben vorgestellt hat. Familie Bengelsdorf hingegen weiß bis heute nicht, mit wem sie es zu tun hat.

Jeder Quadratzentimeter Bauland ist teuer

Auch an zwei anderen Stellen an der Schützenstraße haben Investoren alte Häuschen mit Garten abreißen lassen und planen nun größere, kompaktere Objekte. Bis auf die vorgeschriebenen Mindestabstände wird kaum Raum freigelassen, denn jeder Quadratzentimeter Bauland ist teuer. Eine Nachbarin eines derartigen Bauvorhabens fragt: „Unser gemütliches Prahlsdorf – was wird nur aus ihm?“ Sie möchte sich allerdings nicht namentlich zu der Sache äußern.

Möglich ist diese Verdichtung dadurch, dass es nicht überall im Stadtgebiet Bebauungspläne gibt. Im ungeplanten Innenbereich einer Kommune soll sich die neue Bebauung „nach Art und Maß“ in die vorhandene einfügen. „Hier wird mit den Mehrfamilienhäusern an der Scholzstraße im Gewerbegebiet argumentiert“, erläutert Angelika Bengelsdorf. „Dass es dort einen gültigen Bebauungsplan gibt, und Wohnen dort eigentlich unzulässig ist, sei einmal dahingestellt. Aber wo will man die Grenze für die nähere Umgebung ziehen? In der Stadtmitte gibt es auch ein Hochhaus. Darf man deshalb überall 13-geschossig bauen?“

Günstiger Wohnraum werde so nicht geschaffen

„Als wir 2018 hierherzogen, war uns klar, dass nicht alles so bleibt und die Bebauung dichter wird“, sagt Christina Nikolova-Kleine. „Aber wir haben gedacht, vor uns wird vielleicht ein Doppelhaus gebaut. Das würde doch in die Bebauung passen.“ Die Igel und Buntspechte, die sie hier beobachten konnte, sind verschwunden. Sie und ihr Mann lassen sich jetzt auch juristisch beraten. „Wir möchten nicht dabei zusehen, wie unsere Investition verfällt“, sagt ihr Mann. „Eigentlich aber wünschen wir uns mehr Transparenz. Nach welchen Kriterien wird denn entschieden, was sich einfügt? Von Seiten der Stadt werden alle Fragen abgeblockt. Das ist sehr frustrierend.“

Für ihn steht fest: „So werden Fakten geschaffen und Spekulanten Tür und Tor geöffnet.“ Günstiger Wohnraum werde so jedenfalls nicht geschaffen.

Nur noch Investoren würden Stadtentwicklung betreiben

Auch die Politik habe „diesen Schwachsinn erkannt“, wie es Bernd Uwe Rasch (FDP) ausdrückte. Nicht nur für Prahlsdorf, auch für Hinschendorf, Neuschönning­stedt oder das Villenviertel. Ein Arbeitskreis aus Vertretern aller Fraktionen und der Verwaltung bereitet seit Ende 2019 einen überparteilichen Beschluss vor, um die Nachverdichtung zu steuern. „Wir bedauern, dass nur noch Investoren unsere Stadtentwicklung betreiben“, sagte Günther Herder-Alpen (Grüne). Es gebe zwei Möglichkeiten, das Ganze anzugehen: mit einer Erhaltungssatzung oder besser noch mit Bebauungsplänen, die allerdings Geld kosten würden.

Morgen Abend im Bauausschuss, steht das Thema auch öffentlich auf der Tagesordnung (ab 19.30 Uhr, Sachsenwaldforum, Hamburger Straße 4-8). Für die Familien Bengelsdorf und Nikolova-Kleine käme ein derartiger Beschluss aber wohl zu spät.