Wentorf. Wentorf. Teacup-Pudeldame Joya begleitet Koma-Patientin Claudia Amberg überall hin – und hilft im Notfall auch per Smartphone.

Joya ist das, was viele als „eine Handvoll Hund“ bezeichnen: Die schwarze Teacup-Pudeldame wiegt knapp ein Kilogramm und passt gefühlt in jede Handtasche. Sie sieht nach einem kleinen Schmusetier aus, hat aber eine enorm wichtige Aufgabe: Joya sorgt dafür, dass ihre Besitzerin Claudia Amberg sicher durchs Leben kommt.

„Ich bin Koma-Patientin und ohne Joya könnte ich nicht sicher leben“, sagt Claudia Amberg. Die 54-Jährige leidet an einer extrem seltenen Erkrankung, für die es nicht einmal einen Namen gibt. „Ich neige zu Komaanfällen aufgrund von Unterzuckerung, bin aber keine Diabetikerin.“

Ausgelöst wurde die Erkrankung laut Amberg nach einer Fehldiagnose. Sie erlitt einen Diabetes-Schock und wurde daraufhin wie eine Diabetikerin behandelt. „Mein Körper produziert permanent Insulin“, sagt sie. Solange sie im Alltag aktiv ist und unter Adrenalin steht, ist alles in Ordnung. Wenn es Claudia Amberg nicht gut geht, helfen ein Glas Cola oder Orangenlimonade und im echten Notfall reagiert der Hund sofort.

Hilfe mit Traubenzucker oder Smartphone

„Joya ist die ganze Zeit aufmerksam“, so Amberg. Deutlich bevor sie selbst merkt, dass sie in ein Koma zu fallen droht, reagiert der Hund. „Joya riecht, wenn sich mein Körpergeruch verändert“, erklärt die Besitzerin. Das ist bei drohender Unterzuckerung der Fall. Dann springt Joya ihr Frauchen an, beginnt zu kläffen. Wenn Amberg ins Koma fällt, hat der Hund gelernt, ihr Traubenzucker zu bringen. „Sie läuft zur Schale, nimmt einen Traubenzucker und bringt ihn mir an den Mund“, so Amberg. Dann leckt Joya ihr Gesicht, um sie zu wecken.

Hilft das nicht, gibt es noch das Smartphone. Dank einer speziellen App zur Gesichtserkennung, die eigentlich für Kinder entwickelt wurde, kann der Mini-Assistenzhund sogar ein Smartphone bedienen. Dieses Telefon ist nie gesperrt. „Joya leckt mehrfach über das Display, die App erkennt das schwarze Hundegesicht und Joya leckt weiter. So wird die einzige Nummer, die gespeichert ist, aktiviert“, erläutert Claudia Amberg. Der Notruf geht bei einer Freundin Ambergs ein, die dann zurück ruft. Reagiert Claudia Amberg nicht, ruft ihre Freundin den Notarzt. Das ist bisher nur sehr selten passiert.

Claudia Amberg ist ein lebensfroher Mensch und hat gelernt, mit ihrer Krankheit umzugehen. „Ich kann mich und Situationen gut einschätzen“, sagt sie. Aber ohne ihr kleines schwarzes Juwel – das ist die Übersetzung des spanischen Namens „Joya“ – würde ihr Alltag ganz anders aussehen. „Mit meiner Krankheit hätte ich alles aufgeben müssen, was mir Spaß macht.“ Amberg ist begeistert vom Reitsport, seit sie acht Jahre alt ist. Sie war Turmspringerin und sie liebt das Fliegen. Der Wunsch, selbst Kinder zu bekommen, blieb aus Vernunftgründen unerfüllt. Zu groß war ihre Sorge, ins Koma zu fallen. Deshalb hat sich Claudia Amberg einen Beruf ausgesucht, in dem sie mit Kindern arbeiten kann. „Ich habe mich erst zur Tagesmutter und dann zur Erzieherin ausbilden lassen“, erzählt sie.

Unterzuckerung erschnüffeln

Aufgrund ihrer Krankheit ist sie inzwischen Frührentnerin und arbeitet in einem Minijob als Erzieherin und freiberuflich als Reitlehrerin im Reitsportzentrum Wentorf. Immer dabei ist die kleine Joya, die sich auf dem Reithof pudelwohl fühlt. Entspannt liegt der Hund auf seinem Kissen in der Sonne, während seine Besitzerin erzählt. „Ich kontrolliere regelmäßig meinen Blutzucker und trage permanent ein Messgerät“, erzählt Claudia Amberg.

Ihr tierischer Lebensretter wurde in Neumünster in der Akademie für Assistenzhunde ausgebildet. Mit der Inhaberin Karin Zimmermann hat Claudia Amberg besprochen, welche Probleme sie hat, was sie braucht und was der Hund lernen muss. „Ich habe Joyas Geruchssinn trainiert“, erklärt sie. Dafür wird ein Tuch benutzt, mit dem Amberg bei einer Unterzuckerung Körperkontakt hatte. Joya hat gelernt, diesen Geruch zu erkennen. So reagiert der Hund auf einen Blutzuckerwert, bevor eine Koma-Unterzuckerung eintreten kann. Auf das Kommando „Notfall“ bringt Joya sofort die Notfalltasche mit Traubenzucker und Medikamenten. „Wenn ich ,Brille’ rufe, bringt sie mir die Brille, obwohl wir das nie speziell trainiert haben“, erklärt die stolze Besitzerin.

Zu Assistenzhunden zählen neben Blindenführhunden Tiere, die etwa behinderten Haltern zur Hand gehen und helfen, weiter selbstständig leben zu können, wie auch Hunde, die Diabetiker oder Epileptiker frühzeitig vor einem drohenden Anfall warnen. Die Ausbildung wird auf den jeweiligen Zweck abgestimmt. „Meistens sind Assistenzhunde viel größer“, sagt Amberg, die es für gut möglich hält, dass Joya sogar der kleinste Assistenzhund Europas ist. Sie hat sich bewusst für einen Teacup Pudel entscheiden, weil sie Joya immer und überall hin mitnehmen muss.

Die Kosten für ihr lebensnotwendiges „Juwel“ und dessen Ausbildung muss Claudia Amberg allein tragen. Die Krankenkasse übernimmt nichts. Für die kleine Pudeldame hat sie 4000 Euro bezahlt, die Ausbildung zum Assistenzhund hat weitere rund 7000 Euro gekostet. Eine lebensnotwendige Investition.

Ohne Joya könnte ich nicht sicher leben
Claudia Amberg