Reinbek. Reinbek. Hamburger Stadtreinigung erneuert auf der Deponie Stemwarde in Neuschönningstedt Ansaugbrunnen für Methangas.
Der wild bewachsene Grünstreifen zwischen Feldstraße und A 24 in Neuschönningstedt lockt viele Spaziergänger und Hundebesitzer an. Die sorgten sich jetzt darum, dass Baupläne ihr Naturidyll zerstören könnten. Im Umweltamt des Rathauses liefen zahlreiche Anrufe auf. Eduard Balzasch, Sachgebietsleiter für den öffentlichen Raum, konnte Entwarnung geben. Denn gebaut werden soll hier auf keinem Fall. Während oben die Natur aufblüht, schlummert unter der Erde immer noch ein unappetitlicher Cocktail aus Hausmüll, Bauschutt und Gewerbeabfall. Die ehemaligen Kiesgruben südlich und nördlich der A 24 wurden in den 70er-Jahren zu Müllhalden. Bis heute ist die Doppeldeponie Stemwarde I und II eine Altlast, die „vor sich hin gast“ – und mindestens weitere zehn Jahre saniert werden muss.
Denn was unkontrolliert austretende Deponiegase anrichten können, hatte sich in den 1990er-Jahren wenige Kilometer entfernt in Barsbüttel gezeigt. 1986 strömte Methangas in die Keller der Häuser, die auf einer ehemaligen Mülldeponie errichtet worden waren. Das Land Schleswig-Holstein musste 166 Wohnungen und alle Grundstücke für 65 Millionen Mark ankaufen, teilweise abreißen und die Deponie 78 sanieren.
Deponiegase werden kontrolliert abgeführt
Die Doppeldeponie Stemwarde, von der die südliche (Stemwarde I) unter acht Hektar Boden schlummert, wurde zum Glück nach der Schließung nicht bebaut. Damit die Deponiegase hier kontrolliert entweichen, wird sie seit 2001 von der Hamburger Stadtreinigung saniert. Die fünf in die Jahre gekommenen Brunnen wurden jetzt ersetzt und neue 15 Meter tief in den Boden gebohrt. Durch die geschlitzten Rohre wird Methangas mit Unterdruck angesaugt. „Das Verfahren nennt man Aerobisierung“, erläutert Tilmann Wolfsteller, Abschnittsleiter für die Deponienachsorge bei der Hamburger Stadtreinigung. Seit 2001 werde das gesammelte Gas nicht mehr abgefackelt, sondern durch das zusätzliche Einsaugen von Sauerstoff „kalt verbrannt“.
Der soll als Turbo das Verrotten der organischen Stoffe anheizen. Bakterien übernehmen die Oxidation. Das Methangas wird in Wasserdampf und Kohlendioxid umgewandelt und erst dann in die Atmosphäre entlassen. Grund: Methangas wäre 28mal klimaschädlicher als die gleiche Menge CO2, erklärt der Deponieexperte.
Plastikteile können noch 300 Jahre dort liegen
Die größte Menge des Mülls ist nach 40 Jahren inzwischen verrottet. Zurzeit werde noch ein Rest von fünf bis zehn Prozent durchlüftet um die Zersetzung anzukurbeln. Bis die Deponie biologisch tot ist, vergehen noch Jahre. „Plastikteile können dort noch 300 Jahre liegen, bis sie verrottet sind“, erklärt Wolfstellers Mitarbeiterin Claudia Schellhorn und fügt hinzu: „Wir haben alle gedacht, dass die Sanierung nach zehn Jahren abgeschlossen werden kann.“ Nun sind 17 Jahre vergangen und ein Ende ist noch nicht abzusehen.
In der Deponie Stemwarde I südlich der Autobahn an der Feldstraße wurden von 1972 bis 1976 etwa 400 000 Kubikmeter Hausmüll und Gewerbeabfall abgelagert. Im Randbereich der ehemaligen Kiesgrube wurde Bauschutt verfüllt. Ein 40 Meter langer Streifen parallel zur Autobahn enthält zum Teil Pfannenbruch der ehemals in Reinbek ansässigen Firma Braas. Autowracks und Altreifen wurden zum Teil vor Inbetriebnahme als Deponie unkontrolliert abgelagert. Vermutet werden weiterhin Altölfässer.
1977 wurde die Deponie mit einer nur 50 Zentimeter starken Schicht aus Sand und Mutterboden abgedeckt.
Das Deponiegas wurde seit den 1980er-Jahren abgefackelt. Seit 2001 wird die Altlast durch Aerobisierung, sogenannte kalte Verbrennung, abgebaut. Die Sanierung wird über die Hamburger Abfallgebühren finanziert. Die Kosten belaufen sich auf etwa 60 000 Euro pro Jahr. Erst seit 2005 ist es in Deutschland verboten, etwa Hausmüll unbehandelt auf Deponien abzukippen.