Reinbek. Reinbek. Eine Million Präparate pro Jahr sollen in der neuen Produktionsstätte von Allergopharma künftig vom Band rollen.
Die Hülle des funktionalen Produktionsgebäudes an der Hermann-Körner-Straße 52 war schnell errichtet. Die Herausforderung wartete für Projektleiter Dr. Ingo Reimann dann auch hinter den Fassaden des Neubaus. „Ich hatte einige schlaflose Nächte“, gesteht er. 6000 Quadratmeter hoch technisiertes Innenleben haben es in sich. Hinter den fertigen Fassaden arbeiten zurzeit bis zu 100 Techniker, Installateure, Elektriker und Klimatechniker an einem Labyrinth aus Rohren, Leitungen, Sicherheitsschleusen und Produktionsstrecken.
40 Millionen Euro investiert
40 Millionen Euro investiert der Merck-Konzern seit dem Spatenstich im Dezember 2013 in die High-Tech-Anlagen für die Reinbeker Tochter Allergopharma. „Ein starkes Versprechen für die Zukunft des Standortes“, sagt Geschäftsführer Dr. Marco Linari.
In Reinbek arbeiten etwa 480 Mitarbeiter des Pharmaunternehmens in Forschung, Marketing und Produktion für die Allergiegesparte von Merck. Allergopharma ist eines der führenden Unternehmen für die spezifische Immuntherapie, bekannt auch als Hyposensibilisierung.
Im August läuft Testproduktion an
Bis zu einer Million Präparate pro Jahr werden hier für Deutschland, Europa, Indien, China und Korea produziert. Spätestens im August sollen die ersten Testfläschchen im Neubau übers Band laufen. Dann wird das Kieler Landesamt für soziale Dienste die pharmazeutische Produktion nach strengen Standards prüfen. „Der Prozess kann zwei Jahre dauern, erst dann können alle Produkte marktfähig produziert werden“, blickt Dr. Linari voraus.
Noch herrscht auf der Baustelle reges Treiben. In der „Echtproduktion“ darf sich dann kein Staubpartikelchen in die Luft der Produktionsräume oder gar der Therapeutika mischen. In den sterilen Bereichen wird kein Mensch direkten Kontakt mit den hochsensiblen Therapeutika haben. Besucher dürfen die Produktionsstätte nach der Einweihung nicht mehr betreten, um Kontaminationen auszuschließen. Mitarbeiter kleiden und waschen sich bis zu 20 Minuten durch Schleusen bis zur höchsten „Reinraumstufe“. Das Wasser für Lösungen der Wirkstoffe wird auf 80 Grad erhitzt und durchläuft riesige Destillationsanlagen. Auf dem Weg werden Salze und letzte Keime eliminiert.
Gläserner Rundgang für Besucher
Damit Besucher später das High-Tech-Labor bewundern können, wird ein gläserner Rundweg um das Erdgeschoss führen. „Sie können so einen kompletten Einblick in die Produktion erhalten, ohne aufwendiges Umkleiden“, sagt Dr. Werner Peter, Leiter der Herstellung. „Nur die Kosten für die nach höchsten Pharma-Standards ausgelegten Maschinen der Abfülllinie betragen allein etwa sieben Prozent der Gesamtinvestition“, erklärt er voller Stolz. Die Therapeutika, die künftig hier vom Band laufen, umfassen ein vielfältiges Spektrum an zugelassenen Präparaten zur Diagnose und Behandlung von Allergien.
Auch wenn die Technik zur Produktion komplex ist, das Prinzip, das der Herstellung der Präparate zugrunde liegt, ist einfach. Aus Rohstoffen wie Pollen, Nüssen, Milben oder Tierhaaren werden die Stoffe extrahiert, die die Allergien verursachen. Für die Diagnose oder Behandlung werden diese Stoffe dann unter sterilen Bedingungen weiter verarbeitet, auf eine wirksame Konzentration gebracht und abgefüllt.
Neubau auf Wachstum konzipiert
20 Prozent aller Menschen in der entwickelten Welt leiden an Allergien. Mit der Produktion von neuen Medikamenten zur Behandlung der „Volkskrankheit“ war das Unternehmen für Pharma, Chemie und Life-Sciences (Biowissenschaften) am Standort immer mehr an seine Grenzen gestoßen. Der Ausbau nach modernen Standards war in den alten Hallen nicht mehr möglich. Deshalb ist der Neubau bereits auf Wachstum konzipiert. Die Produktion könnte innerhalb mehrerer Monate verdoppelt werden.
Allergopharma wurde 1969 von der Firma Hermal und Joachim Ganzer in Reinbek gegründet. Der Mutterkonzern Merck ist seit der Gründung der größte Gesellschafter und erwarb 2012 die ausstehenden Anteile an dem auf spezifische Immuntherapien spezialisierten Unternehmen.