Reinbek. Reinbek. Per Audioguide und der Stimme des Schauspielers Bjarne Mädels im Ohr durch die Schlossgeschichte.
Für ganze 45 Minuten habe ich Deutschlands beliebtesten Tatortreiniger fest im Griff. Seit der Verein der Schlossfreunde 19 Audioguides an das Kulturzentrum übergeben hat, wollten bereits viele Fans mit der Stimme von Bjarne Mädel durchs Schloss wandeln. „Gleich am nächsten Tag haben die ersten Besucher danach gefragt. Die Führungen kommen gut an“, sagt Kulturchefin Elke Güldenstein. Auch ich bin neugierig, und leihe mir eines der Geräte aus.
So stehe ich im Schlosshof, drücke erst auf die „1“ und dann den grünen Startknopf. Mein Guide stellt sich mit sonorer Stimme vor: „Ich bin Bjarne Mädel. Als ,echter Reinbeker’ freue ich mich, Sie jetzt auf Ihrem Rundgang begleiten zu dürfen.“ Sein Tatort: das 1572 bis 76 errichtete Schloss im damals hochmodernen Stil der Niederländischen Renaissance. Erstaunliches erfahre ich im Foyer. Der Erbauer Herzog Adolf, Gründer des Gottorfischen Herzoghauses, hatte um keine geringere als Königin Elisabeth die Erste von England geworben. Er bekam eine Abfuhr. Die Königin gewährte ihm jedoch eine Pension und der abgeblitzte Herzog wurde in den englischen Hosenbandorden aufgenommen. Auf dem Band, das um das Wappen im Foyer herumläuft, findet sich noch das Motto: „Honi soit qui mal y pense“, „Ein Schelm, wer Arges dabei denkt“. Ein Detail, das mir ohne den Audioguide sicher entgangen wäre.
Elf Tonnen Bier getrunken
Genauso wie die Tatsache, dass alle Möbel im Stil der Renaissance nachgearbeitet oder gekauft wurden. Anders als in Schloss Gottorf residierten die Herzöge hier nur zeitweise, meist ein bis zwei Monate im Sommer. Für das „Hoflager“ wurden Tische und Bänke oft neu geschreinert. Kostbare Stücke wie Wandteppiche brachte die Gesellschaft jedes Mal mit. In der Küche kann ich mir vorstellen, was hier über offenem Herdfeuer am Spieß drehte. „Als 1647 die Fürsten Johann und Georg von Anhalt für eine Woche zu Besuch waren, speisten sie einen feisten Ochsen, vier geräucherte Ochsenzungen und 83 Hühner. Getrunken wurden zehn Tonnen Hamburger und eine Tonne Bergedorfer Bier“, zitiert Bjarne Mädel. Zwischen den Zeilen lässt sich heraushören, dass er beim Lesen beeindruckt war.
Auf flapsige Sprüche oder Hinweise auf Spuren ungeklärter Morde, warte ich leider vergeblich. „Vielleicht bauen wir das irgendwann noch ein“, stellte der Fördervereins-Vorsitzende Helmut Busch schmunzelnd bei der Präsentation in Aussicht. Seriosität hieß der Auftrag von den ehrwürdigen Schlossfreunden. Das gelungene Konzept der Führung ist von Profis der Berliner Firma Linon entwickelt, die schon für namhafte Museen arbeiteten. Eine Sonderedition mit einem Text der Tatorteiniger-Autorin Ingrid Lausund würde sicher für einen zusätzlichen Besucherandrang sorgen, denke ich.
Dafür klingt der trockene norddeutsche Humor von „Schotti“ auch bei der Führung manchmal ganz leicht durch und ich kann mir vorstellen, dass es ihm zum Beispiel Spaß gemacht hat, zu erklären, wo die Toiletten im Schloss untergebracht waren: „Der Fußboden hatte zwei Löcher, darüber waren hölzerne Sitze eingebaut. Wenn Sie nachher das Schloss verlassen, achten Sie einmal auf die beiden halbrunden Türme rechts vorn am Querbau. Das sind die einstigen Abtrittschächte, von denen es früher rund um das Schloss noch einige mehr gab. Darunter verlief das von der Küche kommende Gewässer, das den Unrat in den Mühlenteich spülte.“
Während ich durch die einsamen Gänge zur nächsten Station schreite, in den Keller hinabsteige oder vom Jagdzimmer auf den verwunschenen Mühlenteich blicke, fühle ich mich in ein anderes Jahrhundert versetzt und kann die Informationen ungestört auf mich wirken lassen. Bei Bedarf auch abstellen, verweilen oder einfach einen Text noch mal anhören. Wie die Geschichte von Reinbeks Romeo und Julia, die sich 1811 zutrug. Das Schloss gehörte zu dieser Zeit schon nicht mehr den Gottorfer Herzögen, sondern dem dänischen König und war Sitz des Amtmannes Christoph Hartwig von Lotzow. Dessen Sohn, ein junger Offizier, verliebte sich in die Tochter des verarmten Müllers. Das nahm am Ufer der Bille ein tragisches Ende. Hier fand man erst nur die Schuhe der Liebenden und dann auch ihre Leichen im Fluss. Gemeinsam ruhen Emil von Lotzow und Karoline Flickwier seither auf dem Klosterbergenfriedhof.
Das Schloss bietet natürlich noch viel mehr Geschichten, die es vom Keller bis zum Krummspanner zu entdecken gibt. Die Öffnungszeiten sind mittwochs bis sonntags, 10 bis 17 Uhr, Eintritt 3 Euro, Audioguide 2 Euro.