Reinbek. Anwohner der Siedlung am Gergenbusch haben es täglich mit den verschiedensten Gerüchen zu tun. Meist weht der Gestank von verbrannten Zwiebeln vom anliegenden Gewerbegebiet herüber, manchmal riecht es auch nach Gift. Die Anwohner fühlen sich mit ihren Beschwerden allein gelassen.
Der Garten der Lübckes ist ein kleines Paradies. Doch nicht immer kann das Paar den Blick auf die Blumenbeete ungetrübt genießen. Denn unter den Duft von Rosen mischen sich so manche Gerüche, die nicht der Natur entspringen. Ihr Grundstück grenzt an das Gewerbegebiet. Auch wenn es nicht zu sehen ist, schon morgens wabert der penetrante Geruch von verbrannten Zwiebeln über die Büsche. „Dann machen wir alle Fenster zu, sonst riecht es im ganzen Haus“, sagt Elisabeth Lübcke (56). Seit 25 Jahren wohnen die beiden am Gergenbusch, und solange leben sie mit den unterschiedlichen Gerüchen. Auch Nachbarin Ulrike Birkner (51) stinkt es seit 18 Jahren. Wie viele weitere Anwohner hat auch sie sich beschwert.
„Die Zwiebeln sind nicht das Schlimmste“, sagt Hans-Dietrich Lübcke. „Manchmal riecht es nach Gift“, musste der 59-Jährige immer wieder feststellen und ist sicher, dass es sich um Phenolharze handelt. Vor allem wenn der Wind aus Nordwest bläst und bei einem Luftdruck von 1020 Millibar sei es auf der Terrasse nicht auszuhalten. „Außerdem können Phenole Krebs erzeugen“, sagt Lübcke. Im vergangenen Jahr wurde es dem Reinbeker zu viel, er suchte Hilfe im Umweltamt des Rathauses. „Doch die spielten den Ball zurück und verwiesen mich an das Staatliche Umweltamt“, sagt er verärgert. Das heißt inzwischen Dezernat für technischen Umweltschutz, Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (LLUR) und sitzt in Itzehoe.
„Die Stadt ist nicht die zuständige Behörde“, bedauert Rathaus-Sprecherin Maike Franell. Sie schlägt vor: Bei Verdacht, dass es sich um eine bestimmte Firma handelt, sollten Anwohner direkt Kontakt zu dem Unternehmen aufnehmen. „Viele Firmen haben Ansprechpartner für diese Problematik und gehen offen damit um.“ Eine Benachrichtigung der Stadt in Fällen von Geruchsbelästigung werde weitergeleitet. Bei häufiger vorkommenden Belästigungen sollten Betroffene die Vorfälle dokumentieren.
Geruchsprotokoll mit Datum, Uhrzeit und Dauer
Das haben Lübckes seit Januar gemacht – mit Datum, Uhrzeit und Dauer, Ort, Windrichtung und Luftdruck. Sie fühlen sich allein gelassen: Hans-Dietrich Lübcke: „Meine Rechtsauffassung besagt, dass der Verursacher nachweisen muss, dass durch seine Emission keinerlei gesundheitliche Gefahren für die Umwelt ausgehen. Für mich ist der Vorgang vergleichbar mit der Kontrolle von Heizungsanlagen durch den Schornsteinfeger.“
Das Thema Geruchsbelästigungen aus dem Gewerbegebiet hat bereits mehrmals auch die politischen Gremien beschäftigt, aber zu keinem befriedigenden Ergebnis für die Anwohner geführt. Als Grundlage für einen Runden Tisch mit Anwohnern hatte die Verwaltung mitgeteilt, dass das LLUR zusätzliche, über die gesetzlichen Vorgaben hinausgehende Kontrollmessungen bei den Firmen nicht für sinnvoll halte. Die Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft (TA Luft) beschreibe Konzentrations-Grenzwerte und definiere Gefährlichkeiten von Stoffen. Nach der Geruchs-Immissions-Richtlinie (GIRL) von 2009 dürften in Wohngebieten an zehn, in Gewerbegebieten an 15 Prozent der Jahresstunden Gerüche auftreten. Danach darf es rechnerisch jeden Tag bis zu 3,6 Stunden riechen.
Das LLUR betont, dass genehmigungsbedürftige Anlagen nach geltenden Gesetzen (Bundesimmissionsschutzverordnung) überwacht werden und die Grenzwerte der TA-Luft von allen Betrieben eingehalten werden. Das ist auch die Antwort auf eine aktuelle Anfrage beim LLUR. Demnach werden zudem Störungen unverzüglich gemeldet, versichert Sprecher Uwe Rammert. Sollte es zu auffälligen Gerüchen kommen, können Anwohner sich beim Landesamt, Telefon (04347) 7040, melden. „Wir müssen jeder Beschwerde nachgehen“, sagt Rammert.
Die Anlagen werden alle drei Jahre überprüft
Auch Bernhard Brauer, Umweltingenieur bei Honeywell, betont, dass die Anlagen regelmäßig gewartet werden. Alle drei Jahre überprüfe ein unabhängiges Institut die Abluft. „Die Messberichte schicken wir dann zum Landesamt“, sagt er. Bei der Produktion der Bremsbeläge entstehen bei der Härtung sogenannte Phenolharze. Die Abgase aus der Produktion werden durch Rohre Nachverbrennungsanlagen zugeführt. Darin werden die geruchsintensiven Stoffe verbrannt und so die Abluft gereinigt, erklärt er. Übrig blieben lediglich Kohlendioxid und Wasser. Nicht auszuschließen sei, dass durch die Abkühlung warmer Bremsbeläge Geruch entsteht, der sich dann auch über das Produktionsgelände hinaus verteile. „In einem weitläufigen Industriebetrieb von mehr als 20 Hektar ist es nicht auszuschließen, dass es auch mal riecht“, sagt Brauer. „Aber wir gehen dem nach, wenn die Leute auf uns zu kommen.“
Die Lübckes warten nach eigenen Angaben allerdings noch immer auf eine Rückmeldung.