Reinbek. Irgendwann wurde es den Mitarbeitern im Rathaus zuviel. Alle 15 Minuten hallte das Läuten der Glocken durch den Fahrstuhlschacht bis in die Büros. Nach Protesten verstummten die Überbleibsel des alten Rathauses, sie wurden stillgelegt.
Der alte Bau aus den 50er-Jahren den sie einst krönten, lebt allerdings noch im 70er-Jahre-Mantel fort. Eine architektonische Liaison, die ihren Ursprung vor 40 Jahren in einem Wettbewerb hatte.
Die Aufgabe war, den alten und neuen Bau auf der Grundstücksfläche von 5046 Quadratmetern miteinander zu verbinden. Der Reinbeker Architekt Horst Schlund (74) machte damals unter sechs Mitbewerbern das Rennen. Seine Idee: das Rathaus an Ort und Stelle einfach zu ummanteln.
Noch heute zeugen der alte Eingang, Flure und Säulen von der ursprünglichen Bausubstanz, die aus Kostengründen erhalten wurde. Knapp acht Millionen Mark, inklusive Einrichtung, hatte der Um- und Neubau damals gekostet.
Die Glocken sind heute allerdings nur noch Stumme Zeugen. Auf dem alten Rathaus hingen sie sicht- und hörbar in einem Dachreiter. Gestiftet wurden sie von dem Kaufmann Carl Dobbertin zur Einweihung im Jahre 1950. Sie hätten allerdings nicht auf das Dach des funktionalen Betonbaus im damals angesagten Stil gepasst. „Im Wettbewerb war davon kein Thema. Wir mussten sie einfach irgendwo unterbringen, nachdem das Dach abgerissen war“, erinnert sich Schlund. Die höchste Stelle war der Fahrstuhlschacht. Er ist, wie alles in dem Verwaltungszentrum, in Beton verschalt – Damals das Idealbild eines unbegrenzt haltbaren Baustoffes, erinnert sich Schlund. „Ein Irrtum“, wie er heute weiß. Gutes Ziegelwerk ist langlebiger. Heute würde der 74-Jährige, der auch das Trittauer Rathaus und Einkaufs- und Bürohäuser in Bergedorf gebaut hat, weniger auf Beton setzen. Für sein Rathaus kann er sich jedoch immer noch begeistern. Obwohl in der Bauunterhaltung inzwischen kleine Sünden das Urheberrecht an Farb- und Formgestaltung im Innern etwas beeinträchtigen.
Da klebt eine Schiene zwischen Betonfugen, und die blaue Farbe auf den Eichenholzvertäfelungen ist auch nicht mehr überall im Originalton. „Viele Reinbeker wissen vielleicht gar nicht, dass das alte Rathaus mitten im neuen steht“, vermutet Archivar Peter Wagner. Auch der Bronze-Amtsschimmel, der damals im Eingang Besucher begrüßte, blickt auch noch heute von einem Podest im Foyer hinunter. Till Eugenspiegel ist es, der ihn reitet. In der einen Hand hält er eine Schreibfeder, gerichtet „gegen die ewigen Meckerer“.