Reinbek/Glinde. Karin Karsten reinigt freiwillig die Umwelt und möchte andere dazu motivieren. 4800 Liter Müll hat sie 2021 gesammelt.
Die Schmuddelecken der Umgebung kennt sie alle: Unternehmerin Karin Karsten fährt gern mit dem Fahrrad. „Besonders an der Strecke entlang der K 80 habe ich mich immer wieder über den ganzen Dreck geärgert, der dort herumlag und einfach nicht weggeräumt wurde“, erzählt die 53-jährige selbstständige Gebäudereinigerin. Während des Lockdowns im vergangenen Februar reichte es ihr.
Fitnessstudios und Lokale, alles war geschlossen, die Langeweile brachte sie auf die Idee, sie sagte zu ihrem Mann Matthias: „Weißt Du was? Wir fahren jetzt dorthin und räumen endlich diesen Müll weg.“ Sie waren viereinhalb Stunden mit dem Bollerwagen an der K 80 unterwegs. „Wir haben sage und schreibe vier 120-Liter-Säcke und einen 240-Liter-Sack weggeschafft“, berichtet sie.
Die „City Cleaners Germany“ haben jetzt eine Gruppe in Glinde
Das war der Startschuss für viele ehrenamtliche, auch kleinere Müllsammelaktionen von ihr in der Region – zuletzt auf dem Täbyplatz in Reinbek. Dort waren ihr Massen an Flaschen und sogar ein leeres Partyfass aufgefallen. „Das Zeug habe ich gleich dort in die Mülleimer geworfen“, sagt sie. Ihre Aktionen bespricht sie im Vorwege mit der jeweiligen Stadtverwaltung. „In Reinbek habe ich die Säcke mit einem Aufkleber ,ehrenamtlich gesammelt’ markiert und an verabredeter Stelle abgelegt, damit sie dort abgeholt werden können“, erklärt sie.
„Und ich habe mich mal bei Facebook umgeschaut. Denn ich habe mich gefragt: ,Stört das denn sonst niemand?’“, erzählt die Mutter zweier erwachsener Kinder. Dort stieß sie auf die Gruppe „Saubermacher“ und auf Birgit Schad, die in der Gemeinde Wallenhorst nahe Osnabrück lebt und die „City Cleaners Germany“ gegründet hat. Die haben bundesweit bereits neun Untergruppen. Eine davon sind jetzt die City Cleaners Germany – Glinde von Karin Karsten. „Dort kündige ich meine Aktionen an und rufe dazu auf, mitzumachen“, erklärt die 53-Jährige. Außerdem ist sie unter City_Cleaners_Germany_Glinde bei Instagram zu finden.
Sie rechnete vor, dass 660 Kippen 660.000 Liter Grundwasser hätten vergiften können
Es ist ihr vollkommen unverständlich, dass Menschen ihren Unrat einfach liegen lassen oder in die Natur werfen. „Ich glaube aber längst nicht mehr daran, dass ich diese Welt retten kann“, sagt Karin Karsten. „Ich bin als Einzelkämpferin unterwegs, habe höchstens meinen Mann im Schlepptau. Ich möchte aber darauf aufmerksam machen, was dieser Abfall alles auslöst. Sogar die scheinbar kleinen Zigarettenkippen, die früher auch ich einfach unbedacht in die Gegend geschnippt habe.“
Birgit Schad ist seit November Mitglied ihres Gemeinderats und hat den Politikern dort einen mit rosa Schleifen dekorierten Beutel voller Zigarettenstummel mitgebracht. Sie rechnete ihnen vor, dass diese 660 Kippen 660.000 Liter Grundwasser hätten vergiften können. Das entspreche etwa 4000 Badewannen. Dadurch seien der Gemeinde Wallenhorst außerdem satte 33.000 Euro Bußgeld entgangen.
Die Glinderin will bei den Leuten ein Bewusstsein für ihre Gedankenlosigkeit wecken
Karin Karsten hat auch am Mittwoch wieder eine Kippen-Sünderin angesprochen, warum sie den Stummel einfach wegschnippt. „Sie war nicht begeistert“, stellt Karin Karsten fest. „Aber ich will bei den Leuten ein Bewusstsein für ihre Gedankenlosigkeit wecken.“ Sie überreichte der Passantin einen Aschenbecher für die Hosentasche, den die Glinderin bei den Tabakproduzenten einfordert und von ihnen kostenlos erhält.
Die Landschaftsreinigerin kündigt ihre Aktionen auf Facebook oder auf Instagram an, weil sie hofft, dass sie Nachahmer finden. Dort hat sie entdeckt, dass es auch in Japan, Dubai oder sogar bei Naturvölkern Müllsammler gibt – Orte, von denen sie glaubte, dass sie noch intakt und sauber wären. „Ich finde das erschütternd: Was für eine Welt wollen wir denn unsern Kindern und Enkeln hinterlassen?“, fragt sie. „Wir werden ihn einfach nicht los den Müll, oder wann beginnt der Mensch endlich umzudenken?“ Jeder wolle es sauber haben, aber keiner kümmere sich: „Wie schade!“
Ihr Appell: „Bitte vermeidet es, Müll in die Landschaft zu werfen!“
In ihrem persönlichen Jahresrückblick hat sie einmal die 2021 gesammelten Mengen Abfall geschätzt: „Wir haben gut 40 volle 120-Liter-Säcke nur aus unserer Umgebung der ordentlichen Entsorgung zugeführt. Nicht mitgerechnet sind Sperrmüll, Altglas, Pfandflaschen und Pfanddosen. Abfall, der vermutlich zum größten Teil jetzt noch in der Natur liegen würde, obendrauf noch neuer Unrat.“ Ihr Appell für 2022 und darüber hinaus: „Bitte vermeidet es, Müll in die Landschaft zu werfen!“ Bis dahin hat sie weiter immer Greifer, Handschuhe und Müllsack dabei.