Oststeinbek. Oststeinbek. Ein Ausnahme-Unwetter setzt das Gewerbegebiet unter Wasser, flutet Häuser und Keller.
Zuerst verwandelte sich die Möllner Landstraße in einen Fluss. Der spülte sein Wasser in Richtung Kreuzung, dann folgten taubeneigroße Hagelkörner und ein Gewitter samt Starkregen. Innerhalb einer knappen halben Stunde war am Donnerstag gegen 20 Uhr die halbe Gemeinde überflutet. Straßen waren nicht mehr passierbar, der beschauliche Forellenbach trat über seine Ufer.
Während die Freiwillige Feuerwehr schon zum ersten von 50 Einsätzen an dem Abend Richtung Kohlbergen ausrückte, bemerkten Ulrike und Patrick Hartwigsen, dass das Wasser plötzlich durch ihr Tor zur Möllner Landstraße auf den Hof schoss. „Wie ein Tsunami“, stellte Hartwigsen stöhnend fest. Das Wasser kam von allen Seiten: zuerst von der Möllner Landstraße. Denn der Kanal des Forellenbachs fasste das Wasser nicht mehr, es staute sich vor den Brücken und strömte zusätzlich über die Straße. Auch vom Kirchhügel und vom Nachbarn drückte das Wasser nach.
Der Hof liegt am tiefsten Punkt
Alles lief am tiefsten Punkt der Gemeinde zusammen: bei Hartwigsens – in seiner Firma für Gartengestaltung und ihrem Interieurgeschäft mit Café. Verzweifelt versuchte Patrick Hartwigsen, sein just saniertes, mit Holz verkleidetes Haus mit Platten und Brettern vor eindringenden Wassermassen zu schützen – unter höhnischen Blicken und Applaus von Schaulustigen. „Das war schlimm“, erzählte Hartwigsen wütend.
Das Problem: Im Gegensatz zu den Häusern ihrer Nachbarn ist ihres nicht unterkellert. Die Wassermassen drückten direkt in ihre Wohnung. Und das steigende Wasser drängte innerhalb kürzester Zeit das Schmutzwasser durch Toilette und Badewanne hinauf in die Wohnung.
„Die Siele sind ein Witz"
„Innerhalb von acht Minuten stand das Dreckwasser zehn Zentimeter hoch in den Zimmern“, berichtet Hartwigsen. „Da wusste ich, ich kann nichts mehr tun. Alles, was wir uns in drei Jahren aufgebaut haben, ist hin.“ 2015 habe das Wasser schon einmal auf dem Hof gestanden. Aber damals habe es eine halbe Stunde gebraucht. „Die Siele auf der Stormarnstraße sind viel zu klein – ein Witz“, sagt er.
Vergleichbare Nacht noch nicht erlebt
Auch die Nachbarn wissen Bescheid. Bei ihnen liefen die Keller voll. „Wir kennen das schon“, sagte Martina Polomski, die mit ihrem Mann Michael eine Rinne schippte, damit der See, der sich im Garten und auf der Auffahrt gebildet hatte, wieder ablief. „Es war aber noch nie so extrem. Ich habe Panik bekommen, weil das Wasser im Keller trotz Pumpe innerhalb kürzester Zeit 15 Zentimeter hoch stieg.“
Auch Ortswehrführer Jörg Gramann bestätigte, dass der Starkregen diesmal besonders schlimm war: „Wir haben schon oft und viel Regen gehabt, aber so etwas habe ich noch nicht erlebt.“
Ortsdurchfahrt halber Meter unter Wasser
Die Ortsdurchfahrt Möllner Landstraße sei mit einem halben Meter Wasser überflutet gewesen und musste zeitweise gesperrt werden. Von 20 bis 2 Uhr nachts arbeiteten die Retter rund 50 Einsätze ab. Feuerwehren aus Havighorst, Glinde und mehrere Wehren aus Hamburg unterstützten sie. Insgesamt waren 130 Retter aus acht Feuerwehren mit 20 Fahrzeugen dabei.
Besonders betroffen waren das Gewerbegebiet, davon das Einkaufszentrum Ostkreuz Center samt Parkplatz sowie das benachbarte Wohngebiet Kohlbergen. An der Ecke Willinghusener Weg/Möllner Landstraße fuhr ein Auto während des Hagels gegen eine Ampel. Verletzt wurde niemand. Auch die Feuerwehr selbst blieb nicht verschont – der Keller des Gerätehauses an der Stormarnstraße lief voll.
Zweckverband spricht von „Ausnahmeereignis“
Sogar das Rückhaltebecken hinter der Feuerwehrwache lief am Donnerstag über, wie Axel Bartels, Planer des Zweckverbands Südstormarn, berichtete. „Das ist bisher erst einmal passiert, als das Drosselwerk blockiert war“, sagte er. „Die Wassermengen waren deutlich mehr als der gesamte Berechnungsansatz: definitiv ein Ausnahmeereignis. Wir hatten gerade die Siele gereinigt, aber für solche Mengen ist das System nicht ausgelegt. Bei solchen Wetterereignissen müsste die Entwässerung so groß sein, dass man sie überhaupt nicht mehr in der Straße unterbekommen könnte.“ Er rechnet wegen der Klimaänderung damit, dass ähnliche Ereignisse zunehmen.
Das befürchtet auch Bürgermeister Jürgen Hettwer: „Dieses Unwetter war dramatisch. Derartige Mengen kann keine Kanalisation auffangen.“ Er war noch bis 1.30 Uhr vor Ort, besuchte unter anderem eine Familie, in deren frisch renovierter Souterrain-Wohnung das Wasser 1,50 Meter hoch stand. Vier Liegenschaften der Gemeinde, darunter das JuzO und die Walter-Ruckert-Halle, sind ebenfalls von Wasserschäden betroffen.
Unerwartete Helfer
Ulrike und Patrick Hartwigsen haben in der Nacht zu gestern nicht geschlafen, nur geschippt und entsorgt. Unerwartete Hilfe kam aus der weiteren Nachbarschaft: Ein junger Mann, der nicht einmal seinen Namen verriet, packte mit an. „Legendär“, sagte Hartwigsen dankbar. Gleiches gilt für Sören Posewang: „Er war unser Held“, erzählt der Gartengestalter. „Dank ihm hatten wir überhaupt Strom. Sogar unser Versicherungsagent kam noch am selben Abend vorbei und hat mit uns Wasser geschippt.“
„Es muss doch weitergehen"
Seine Frau hat gestern das Café wieder geöffnet. „Es muss doch weitergehen“, sagte ihr Mann. Gestern bemühten sie sich um Schadensbegrenzung. Doch selbst wenn er mit einem Jahr für die Sanierung rechnet, stand für ihn fest: „Wir machen weiter.“