Bargteheide. Das Ensemble versetzt das Publikum mit inszenierter Lesung mit Musik, Projektionen und Soundcollagen in Zeit der Jazzlegenden.

Als die irische Band U2 1988 den Song „Angel Of Harlem“ veröffentlichte, war das zugleich eine Hommage an den berühmten New Yorker Jazzclub Birdland. Der Name bezieht sich auf den Ausnahme-Saxofonisten Charlie Parker, dessen Spitzname Bird war. Im Club wurde in der Zeit von 1949 bis 1965 Musikgeschichte geschrieben, gingen Legenden wie Miles Davis, Duke Ellington, Billie Holiday, John Coltrane, Nina Simone und Count Basie ein und aus. Viele Geschichten ranken sich um den Sehnsuchtsort, der bei Jazzfans wegen seiner unglaublich inspirierenden Atmosphäre bis heute als einzigartig gilt.

Dieser Atmosphäre spürt ein Ensemble aus sechs norddeutschen Musikern um Sängerin San Glaser am Freitag, 29. April, im Kleinen Theater Bargteheide nach. Mit von der Partie ist Schauspieler Hans-Jörg Frey, der früher zum Ensemble des Hamburger Schauspielhauses und des Thalia Theaters gehörte und in die Rolle des Erzählers schlüpft.

Gemeinsam bringen die Künstler unter dem Titel „Jazzterdays“ ein multimediales Erlebnis auf die Bühne, durch das sich wie ein roter Faden Geschichten und Schicksale ziehen, die mit dem Birdland verwoben sind.

Kleines Theater Bargteheide: Künstler treten unter dem Titel "Jazzterdays" auf

Gast: Trompeter Ingolf Burkhardt steht mit auf der Bühne.
Gast: Trompeter Ingolf Burkhardt steht mit auf der Bühne. © giovanni weiss | Giovanni Weiss

Idee und Konzept hat der Volksdorfer Medienschaffende und Musiker Volker Präkelt entwickelt. Die Rahmenhandlung spiele in den 1980er-Jahren, als der historische Club schon geschlossen gewesen sei, so Präkelt. Er sagt: „In unserer Fiktion macht er für eine Nacht noch einmal auf.“ Gelegenheit für Barkeeper Walter (Hans-Jörg Frey), am Tresen die Erlebnisse und damit die schillernde und nachtdunkle Seite des Jazz noch einmal Revue passieren zu lassen.

Es sind knallharte und süffisante Geschichten über Liebe und Eifersucht, Drogen und Wahnsinn, Verbrechen und Tod, in deren Mittelpunkt Jazz-Ikonen wie Miles Davis, Thelonious Monk oder Chet Baker stehen. Neben der Figur des Barkeepers schlüpfe Frey noch in weitere Rollen. Sängerin Nancy (San Glaser), die im verlassenen Club mit ihrer Band probt, steuere die Songs bei. „Sie sind mit den Erzählungen verbunden und gehen manchmal auch ineinander über.“

Viele Jazzlegenden sind durch Kampf gegen Rassismus unsterblich geworden

Dass viele Jazzlegenden nicht nur durch ihre Musik, sondern ihren Kampf gegen Rassismus und Intoleranz unsterblich geworden seien, verleihe dem Abend eine besondere Tiefenschärfe, so Präkelt. So könne das Publikum einerseits den hingebungsvollen Klängen der Musik von Miles Davis lauschen. Andererseits erfahre es von einem erschütternden Ereignis.

Als Davis sich nach einem Auftritt vor dem Club von einer weißen Lady verabschiedet habe, sei er von Polizisten niedergeknüppelt worden. „Er wurde von ihnen angepflaumt und wollte sich das nicht bieten lassen und hat dann einen Knüppel auf den Kopf gekriegt“, sagt Volker Präkelt.

Viele schwarze Musiker haben mit Rassismus zu kämpfen gehabt

Fast alle großen schwarzen Musiker hätten mit Rassismus zu kämpfen gehabt. Es sei ihm darum gegangen, mit dem Club einen fiktionalen Rahmen zu schaffen, um den wichtigen Charakteren, die im Birdland aufgetreten seien, eine Bühne zu bieten und ihren Biografien Konturen zu verleihen.

Vier, fünf Jahre liege es zurück, dass Präkelt nach einem anderen musikalisch-literarischen Projekt mit San Glaser zusammengesessen und sie ihm von ihren Plänen für ein Jazz-Album erzählt habe. „Da kam schon der Gedanke auf, ob man nicht gleich eine Liveshow machen könnte“, sagt der Autor. Inzwischen habe Glaser ein Album veröffentlicht, „auf dem wir auch spielen“ – Thelonious Monks „Round Midnight“ und den Jazzstandard „Funny Valentine“.

Atmosphäre im Theater eignet sich besonders für eine musikalische Zeitreise

Gesang und Gitarre: Ella Burkhardt und Kjell Kitzing.
Gesang und Gitarre: Ella Burkhardt und Kjell Kitzing. © Sven Zimmermann | Sven Zimmermann

Die aktuelle sei schon die zweite Fassung von „Jazzterdays“. Bei diesem „Work in progress“, der Soundcollage, teilweise animierte Projektionen, szenische Lesung und Livemusik zum Gesamtkunstwerk „Jazzterdays“ verbindet, kommen dem Medienschaffenden seine Erfahrungen als Radiomoderator und Hörspielmacher zugute. Die Show habe sich inzwischen so verändert, dass es auch für Zuschauer, die sie schon einmal gesehen hätten, „auf jeden Fall frische Geschichten gibt“.

Wie die von Billie Holiday, die als zu hellhäutig empfunden worden sei und sich vor ihren Auftritten dunkler geschminkt habe. Dem Publikum will der Autor die Berühmtheiten und deren Musik spannend, dramatisch und emotional näherbringen, „ohne akademisch zu sein“. „Jazz ist keine tote, keine abgeschlossenen Musik, sie ist wie ein Baum, der immer wieder neue Blüten treibt.“ Die Atmosphäre im Theater eigne sich perfekt, um auf Zeitreise zu gehen.

Mit dabei sind drei Stormarner Musiker: Das Duo Kjell Kitzing und Ella Burkhardt, die die Show eröffnen. „Die jungen Leute spielen die Standards mit ganz anderem Ansatz, sie setzen sich mit der Musik auseinander“, sagt Präkelt. Der international bekannte Trompeter Ingolf Burkhardt, Mitglied der NDR Bigband, steigt bei der Band mit ein und wird von ihr auch als Solist gefeatured. „Ein Glanzlicht für uns“, schwärmt Präkelt. Seine Freude lässt sich noch steigern – wenn das Publikum nach der Vorstellung ebenso ins Schwärmen gerät.